Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Aargau'
einwohner gewählt. Die Verwaltung der Gemeinde übt ein von den Einwohnern gewählter Gemeinderat, der aus einem Ammann und 2-8
Mitgliedern besteht. Die beiden Konfessionen haben ihre gesonderte, rein konfessionelle, darum
in der Staatsverfassung unberührt gelassene Organisation; die aargauischen Katholiken gehören zur Diözese Solothurn.
Außer den Gemeinde- oder Primärschulen hat jeder Bezirk seine Bezirksschule vom Charakter eines Progymnasiums und mit Fächersystem,
der Kanton ein Lehrerseminar (zu Wettingen) und eine Kantonsschule (zu Aarau), bestehend aus Gymnasium und Gewerbeschule.
Die Staatsrechnung für 1882 ergibt an Einnahmen 2,293,287 Frank, an Ausgaben 2,351,093 Fr., also Defizit 57,806 Fr. Die Hauptposten
der Einnahmen sind: Ertrag des Staatsguts (1,183,929 Fr.), Abgaben und Regalien; die der Ausgaben: Erziehung (433,190 Fr.),
Bauten und Militär. Das allgemeine Staatsvermögen betrug zu Ende 1882 an Aktiven 28,233,147 Fr., an Passiven 3,738,761 Fr., also
netto 24,494,386 Fr.; dazu kommen 17 Fonds zu besondern Zwecken, darunter kantonales Schulgut: 1,557,158 Fr. Kantonshauptstadt ist Aarau.
Geschichte. Der A. war eine alte alemannische Grafschaft, welche ursprünglich den größten Teil der
heutigen Kantone A. und Luzern sowie Stücke von Bern, Solothurn, Unterwalden etc. umfaßte, aber durch die Lostrennung kleinerer Gebiete
als besonderer Grafschaften und die sich ausbreitende Eidgenossenschaft allmählich bedeutend geschmälert wurde. Seit dem Erlöschen des
Grafenhauses von Lenzburg (1173) gehörte der A. den Habsburgern, bis ihn die Eidgenossen auf Antrieb des Kaisers Sigismund und des
Konstanzer Konzils 1415 dem geächteten Herzog Friedrich entrissen. Bern nahm den westlichen Teil (Zofingen, Aarburg, Aarau, Lenzburg),
Luzern den Süden (Sursee) und Zürich den Osten, das sogen. Knonauer Amt, in Besitz; das übrige, die Freiämter und die Grafschaft Baden,
wurde als gemeine Herrschaften von sieben, resp. acht Kantonen regiert. Die Revolution erlöste 1798 den A. aus seiner
Unterthanenstellung und wandelte den bernischen Teil in einen Kanton A., die gemeinen Vogteien in einen Kanton Baden um; der heutige
Kanton, mit dem das im Lüneviller Frieden (1801) von Österreich abgetretene Frickthal vereinigt wurde, entstand 1803 durch die
Mediationsakte und blühte unter einer repräsentativ-demokratischen Verfassung sichtlich auf. Im J. 1814 gelang es dem jungen Gemeinwesen,
seine Existenz gegen die Herrschaftsgelüste Berns zu retten; dagegen wurde die Verfassung durch hohen Zensus, lange Amtsdauer u. dgl. in
aristokratischem Sinn modifiziert. Als nach der Julirevolution die Regierung dem allgemeinen Verlangen nach Änderung der Verfassung
nicht entsprechen wollte, wurde sie durch einen übrigens unblutigen Aufstand dazu gezwungen und die neue Verfassung vom 15. April 1831
auf demokratischen Grundsätzen aufgebaut. Im J. 1840 regte die ultramontane Partei eine Verfassungsrevision an; als aber diese nur
dazu führte, daß in dem neuen, 5. Jan. 1841 mit 16,000 gegen 11,500 Stimmen angenommenen Grundgesetz, der Forderung der reformierten
Mehrheit gemäß, der bisherige Grundsatz der Parität der Konfessionen, wonach die Katholiken die eine Hälfte des Großen Rats und die
Reformierten die andre besetzt hatten, aufgehoben und die Vertretung nach der Kopfzahl eingeführt wurde, erhob sich in den Freiämtern
ein Aufruhr. Die Regierungstruppen zerstreuten indes die Aufständischen bei Villmergen (11. Jan.) und
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besetzten die widerspenstigen Bezirke. Da der konfessionelle Hader namentlich von den Klöstern aus geschürt worden war, beschloß der
Große Rat, dieselben, acht an der Zahl, aufzuheben und ihr 6½ Mill. betragendes Vermögen für Schul- und Armenzwecke zu verwenden (13. Jan.).
Die hierin liegende Verletzung der im Bundesvertrag von 1815 ausgesprochenen Klostergarantie gab zu langwierigen Verhandlungen in der
Tagsatzung Anlaß, deren Mehrheit sich indes 31. Aug. 1843 mit der Wiederherstellung der vier Frauenklöster zufrieden gab, während die
nachmaligen Sonderbundskantone feierlich gegen diese Entscheidung protestierten. Von da an stand die Regierung des Aargaus an der
Spitze der antiklerikalen Bewegung und stellte schon 1844 auf der Tagsatzung den Antrag auf Ausweisung der Jesuiten. Durch die
Verfassungsrevision vom 22. Febr. 1852 wurde dem Volk das Recht der Abberufung des Großen Rats gegeben. Die Emanzipation der Juden gab
1863 der ultramontanen Partei Anlaß zu rühriger Agitation, die aber das liberale Regiment nicht zu erschüttern vermochte. Im J. 1869
stellte dieselbe das Begehren nach Einführung des Referendums, Aufhebung des Placetrechts der Staatsbehörden in Kirchensachen u. a. In
Bezug auf ersteres wurde ihr entsprochen, indem durch zwei Partialrevisionen vom 20. Juni 1869 und 24. April 1870 die obligatorische
Volksabstimmung nicht nur über Gesetze, sondern auch über die Steueranlage und das Budget auf je vier Jahre eingeführt wurde. Dagegen
nahm die Regierung nicht nur an allen Schritten der Solothurner Diözesanstände gegen den Bischof Lachat teil
(s. Schweiz), sondern
veranlaßte auch einen Beschluß des Großen Rats im Sinn der Trennung von Kirche und Staat (30. Nov. 1871) und die Aufhebung der Klöster
Hermetschwyl und Gnadenthal sowie des Veronastifts Zurzach (16. Mai 1876). Dafür rächten sich die Ultramontanen, indem sie mit Hilfe
einer reformierten Minderheit 1877 und 1878 konsequent jede Staatssteuer verweigerten, so daß seither ohne verfassungsgemäßes Budget
und ohne Steuer regiert werden mußte. Erst neuerdings ist es den Behörden gelungen, durch Einschränkung des Staatshaushalts trotzdem
das Gleichgewicht der Finanzen herzustellen. Vgl.
Bronner, Der Kanton A., historisch, geographisch, statistisch geschildert (St. Gallen 1844-45, 2 Bde.);
Müller, Der A., seine politische, Rechts-, Kultur- und Sittengeschichte (Zür. 1870, 2 Bde.);
"Argovia, Jahresschrift der Historischen Gesellschaft des Kantons A." (Aarau 1860 ff.);
Rochholz, Aargauer Weistümer (das. 1877).