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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Aderlaßfistel - Adhémar.

oder man macht einen etwa 2,5 cm langen Einschnitt in dem mittlern Teil des einen oder auch beider Ohren von dem untern (hintern) Rand an nach der Spitze zu. Auch kann man durch Wegschneidung eines Stücks vom Schwanz Ader lassen. Bei Hunden wird gewöhnlich die Halsader, aber auch die Ader unter der Zunge oder unter dem Schwanz geöffnet, nachdem im erstern Fall die Haare weggeschnitten und die Ader durch Andrücken etc. zum Anschwellen gebracht ist. Den Pferden läßt man höchstens 3-4, gewöhnlich nur 1,5-2,5 kg Blut; dem Rindvieh bei einem starken A. 2,5 kg, gewöhnlich nur halb soviel, und wiederholt lieber den A.; den Schafen 70-200 g, je nach der Größe und dem Alter; einem kleinen Hund 70-80 g, einem großen 120-250 g. Das Nachbluten wird dadurch verhindert, daß man eine Stecknadel durch beide Wundränder sticht und um dieselbe einen Faden oder einige Schweifhaare wickelt. Durch die neuere Wissenschaft ist erkannt worden, daß der A. meist entbehrlich, oft sogar schädlich ist.

Aderlaß an Bäumen nennt man das Aufritzen der harten Rinde, um dem durch sie eingeengten Stamm ein gedeihlicheres Wachstum zu verschaffen. Man wendet es bei Stämmen an, die unverhältnismäßig dünn und spindelig bleiben und am obern Teil eine Menge Holztriebe entwickeln, bisweilen auch bei solchen, die im Verhältnis zu ihrem Alter zu wenig Früchte tragen, indem sie wohl Holztriebe, aber kein Fruchtholz machen. Man ritzt an einem sonnenhellen Tag mit einem feinen Messer die Rinde des Baums an der Nordseite von der Krone bis zur Wurzel an einer, zwei oder drei Stellen, doch so, daß der Schnitt nicht bis aufs Holz, sondern nur bis zur Hälfte der Rinde eindringt. Manche Obstzüchter halten die ganze Operation für mehr schädlich als nützlich.

Aderlaßfistel, s. Aderfistel.

Adernò, Stadt in der ital. Provinz Catania, am südwestlichen Abhang des Ätna, hat einen hohen, viereckigen Turm aus der Normannenzeit (jetzt Gefängnis), mehrere Kirchen, Reste antiker Bauten (vom alten Hadranon) und (1881) 19,180 Einw.

Aderpresse, s. Tourniquet.

Adersbacher Felsen oder Steine, eine merkwürdige Sandsteingruppe in Böhmen, nahe der schlesischen Grenze, die sich von dem Dorf Adersbach im Bezirk Braunau in einer Länge von 4 und einer Breite von 2 km erstreckt. Ursprünglich bildeten diese Steine wohl eine einzige große Felsmasse, die durch die fortdauernde Einwirkung des Wassers durchfurcht und in viele Schluchten und mehrere Tausend einzelner Felsenbildungen (Pyramiden, Kegel etc.) zerklüftet ist. Einzelne dieser Bildungen sind wegen ihrer auffallenden Form mit allerlei Namen (der betende Mönch, der umgekehrte Zuckerhut, das zahnlose Weib, der Galgen, der Elisabethturm etc.) belegt worden. Unmittelbar an die A. F. schließen sich nach SO. als gleichartige Fortsetzung die Felsen von Weckelsdorf an mit einigen eigentümlichen Partien, von denen der "gotische Dom" die interessanteste ist.

Aderschwamm, s. Merulius.

Ad futuram memoriam (lat.), zu künftigem (bleibendem) Andenken.

Adhärenz (lat.), Anhänglichkeit, Anhang.

Adhärieren (lat.), anhangen, -haften (über den juristischen Sinn s. Adhäsion).

Adhäsion (Anhangkraft, Flächenanziehung) heißt die Kraft, welche das Aneinanderhaften zweier miteinander in Berührung gebrachter Körper bewirkt, im Gegensatz zur Kohäsion oder dem innern Zusammenhang der Körper. Die Wassertröpfchen, mit welchen sich eine Fensterscheibe betaut, haften an ihr durch A.; diese ist auch die Ursache, daß Wasser, welches man aus einem Trinkglas ausgießen will, so leicht an der äußern Wand herabläuft. Wasser, auf eine reine Glasplatte gebracht, zerfließt auf ihr und benetzt sie; Quecksilber dagegen benetzt die Glasplatte nicht, sondern bildet auf ihr abgerundete Tropfen, und ebenso verhält sich Wasser auf einer mit Fett bestrichenen Oberfläche. Im erstern Fall ist offenbar die A. des Wassers zum Glas größer als die Kohäsion der Wasserteilchen unter sich, während im zweiten Fall die Kohäsion des Quecksilbers seine A. zum Glas oder die Kohäsion des Wassers seine A. zum Fett übertrifft. Man kann daher beim Ausgießen von Wasser das Herablaufen an der äußern Gefäßwand verhüten, wenn man den Rand des Glases mit Fett bestreicht. Auch feste Körper haften bei inniger Berührung aneinander, besonders dann, wenn der eine Körper anfangs flüssig war und dann durch Verdunsten oder Erstarren der Flüssigkeit erst fest geworden ist. Hierauf beruht ja das Schreiben und Malen, das Leimen, Kitten und Löten. Eben geschliffene Glas- oder Metallplatten haften gleichfalls aneinander, sie werden jedoch nicht bloß durch A., sondern vorzugsweise durch den Luftdruck zusammengehalten (scheinbare A.). Vgl. Kapillarität. - In der Pathologie nennt man A. die Verlötung oder Verwachsung der Weichteile untereinander durch ein auf dem Weg der Entzündung neugebildetes gefäßhaltiges Bindegewebe.

Adhäsion (Anschließung), im juristischen Sinn die gerichtliche Erklärung, einer von einem andern bereits vorgenommenen Prozeßhandlung beitreten zu wollen. So kann insbesondere nach der deutschen Zivilprozeßordnung (§ 482 ff., 518) der Berufungsbeklagte sich der von seinem Gegner, dem Berufungskläger, gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegten Berufung anschließen, d. h. auch seinerseits Abänderungen des Urteils zum Nachteil des Berufungsklägers (reformatio in pejus) beantragen, selbst wenn er auf die Berufung verzichtet hatte und die Berufungsfrist abgelaufen ist. Dasselbe gilt bei dem Rechtsmittel der Revision. Auch die Anschließung eines Verletzten als Nebenkläger an die öffentliche Klage der Staatsanwaltschaft im Strafprozeß gehört hierher, und zwar bezeichnet man dasjenige Prozeßverfahren, mittels dessen der durch ein Verbrechen Beschädigte sein Zivilinteresse gegen den Verbrecher zugleich mit in dem gegen diesen eingeleiteten Strafprozeß verfolgt als Adhäsionsprozeß (Anschlußverfahren). Die deutsche Strafprozeßordnung (§ 443 ff.) läßt die gleichzeitige Erledigung des Anspruchs auf Strafe, welcher im Weg der öffentlichen Klage verfolgt wird, mit dem Anspruch auf Ersatz des durch die strafbare Handlung, um welche es sich handelt, verursachten Schadens im Weg der Nebenklage nur in denjenigen Fällen zu, in welchen das Gesetz dem Geschädigten eine besondere Buße zubilligt.

Ad hastam (lat.), zu öffentlicher Versteigerung, s. Hasta.

Adhémar, Alphonse Joseph, Mathematiker, geboren im Februar 1797 zu Paris, studierte und lebte daselbst als Privatlehrer der Mathematik, starb 1862. Er schrieb mehrere Elementarbücher und unter dem Titel: "Cours de mathématiques à l'usage de l'ingénieur civil" (Par. 1832-56, 14 Bde.) eine Anzahl von Spezialhandbüchern über Arithmetik, Algebra, Geometrie, Perspektive, Zimmerhandwerk, Steinbearbeitung etc., welche, zum Teil mit großen Atlanten ausgestattet, mehrere Auflagen erlebt haben. In natur-^[folgende Seite]