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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Afrika

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Afrika (Bevölkerung).

Hirtenvölker leben von Viehzucht, Jagd und teilweise auch von Krieg und Raub; zu ihnen gehören die räuberischen Kaffern, Masai, Somal, Galla, der Schrecken ihrer Nachbarn, die Tuareg der Wüste, aber auch die Dama und Namaqua und ein großer Teil der Fulbe. Ihr Hauptreichtum sind Rinderherden und Herden von Kleinvieh, im N. Kamele und Pferde. Die Halbnomaden, wie die Schua (Araber) im Sudân, ziehen in der trocknen Zeit mit ihren Herden umher und bebauen zur Regenzeit das Feld, wenigstens durch Weiber und Kinder. Dies sind die Bewohner der Wüsten und Steppen. Ein großer Teil der Bevölkerung lebt aber von Ackerbau, der oft mit Viehzucht verbunden wird. Es sind meist friedfertige Völker, die mit den Nachbarn im Frieden, aber freilich unter sich oft im Streit über Mein und Dein leben. Wo Ruhe und passende Weide, finden wir auch hier das Rind und Kleinvieh, darunter Schweine und Geflügel. Bei einigen Völkern bilden nur Hühner und Hunde den Haustierstand. Die verschiedenen Hirsearten, Durra, Dochn, Mais und Maniok sind mit der Erdnuß die wichtigsten und verbreitetsten Pflanzen des tropischen A. Nur im S. und N. findet auch Anbau des europäischen Getreides statt. Von Industriezweigen finden wir fast überall die Töpferei; nicht so allgemein verbreitet ist die Kunst, Häute zu gerben und zu verarbeiten, wohl aber die, Matten zu flechten. Der Kordofaner wie der Batoka, der Ovampo und der Bewohner des Sudân wissen aus Erzen auf die einfachste Weise treffliches Eisen und Stahl zu gewinnen und zu verarbeiten, ebenso der Ovampo u. a. das Kupfer, der Bewohner der Goldküste das Gold. Der kunstreiche Schmied steht überall in hoher Achtung. Dagegen ist die Weberei und Färberei nur auf einzelne Gegenden beschränkt; berühmt ist Kano im Sudân durch Weberei, Färberei, feine Lederwaren, geschätzt die Goldschmiedearbeit der Aschanti, und vielfach wird die einheimische Baumwolle verarbeitet. Schweinfurth unterscheidet mit Rücksicht auf die Gewerbthätigkeit der afrikanischen Eingebornen drei Kulturzweige auf dem Kontinent. Der erste, das Gebiet der Feuerwaffen, umfaßt die Küstenlandschaften und reicht namentlich im N. ziemlich tief ins Binnenland hinein. Seine Bewohner stehen in mehr oder weniger regem Verkehr mit Europäern und erhalten von diesen ihre Bedürfnisse. Tiefer im Innern ist die zweite Region, die der europäische Markt durch Vermittelung des Eingebornenhandels nur noch mit Baumwollzeugen zur Kleidung der Einwohner zu versorgen vermag. Hier regt sich die Industriethätigkeit. Im innersten Zentralkern des Kontinents breitet sich das dritte, von jeder mittelbaren oder unmittelbaren Berührung mit der europäischen Welt intakt gebliebene Gebiet aus, dessen Bewohner Kleidung aus Rindenzeugen und Fellen gebrauchen. Je größer die Fortschritte, meint Schweinfurth, gewesen, welche hin und wieder ein afrikanisches Volk auf der Bahn der äußern Gesittung gemacht, um so geringfügiger habe sich dessen eigne Produktionskraft gestaltet; durch die europäische Industrie sei jede Regung des angebornen Nachahmungstriebs bei den Afrikanern erstickt. Der Handel folgt im Innern bestimmten Wegen und wird durch Karawanen betrieben; so fördert der Tibbu, der Kelowi, der Kaufmann von Ghadames, der Mosabite die Waren Europas ins Innere des Sudân, dessen Erzeugnisse er dagegen nach N. führt. In Oberguinea vermittelt der Mandinka den Verkehr mit den Innern. Von Congo aus gehen die Karawanen der einheimischen Pombeiro ins Innere, von Sansibar aus die der Araber und der einheimischen Wanjamuesi. An den Küsten finden wir Kaufleute aller europäischen Nationen zerstreut, an der Ostküste selbst indische Banjanen. Im nördlichen und mittlern A. ist Salz, das in großen Mengen in der Sahara gewonnen und auch aus Europa eingeführt wird, ein wichtiger Handelsartikel; für die Ausfuhr nach Europa kommen namentlich in Betracht das zur Seifenbereitung benutzte Öl von der Ölpalme und Palmenkerne, vorzugsweise an der Küste von Kap Palmas bis zum Nigerdelta gewonnen, weiter südwärts Kopalharz, aus dem Innern Elfenbein, endlich Straußenfedern, Diamanten (vom Kapland), Gold, Kaffee, Farb- und Schmuckhölzer u. a. Das Kapland, Ägypten und Algerien, wo Europäer seit langem herrschend geworden, führen die verschiedensten Kolonialprodukte aus, vor allen Wolle, Baumwolle und Getreide, die Maskarenen Zucker. Am umfangreichsten wird aber der Sklavenhandel durch ganz A. getrieben. Manche der heidnischen Negerfürsten verkaufen Unterthanen oder machen jährlich ihre Sklavenjagden in die Nachbargegenden, und das thun selbst die mohammedanischen Bewohner des Sudân wie die von Bornu und Bagirmi, für welche Sklavenfang der Haupterwerb ist, und die Ägypter in den obern Nilländern. Reich angebaute und bevölkerte Gegenden veröden durch diese Razzias, und es wird dadurch der Sklavenhandel zu einem Haupthindernis einer fortschreitenden Entwickelung der Neger. Außer den Kriegsgefangenen werden aber auch viele gestohlen, ältere Leute wie Kinder; manche werden von den Angehörigen verkauft. Der Kleinhandel findet sich überall entwickelt, bei jedem Negerdorf gibt es einen Markt, auf dem die Bedürfnisse des Lebens verkauft werden. Mannigfach sind die Münzen des Landes, in vielen Gegenden Salztafeln (Südsudân, Abessinien), Muscheln oder Kauris, Baumwollzeugstreifen, Glasperlen, an der Goldküste selbst Goldstaub; Geld in den Mittelmeerländern, den Kolonien und Abessinien, wo die Mariatheresienthaler gelten. Der Handel bildet die Hauptquelle der Einnahme der Häuptlinge; überall wird Zoll erhoben, sei es in Waren oder in Sklaven, und an den östlichen Küsten auch in Geld; ja, selbst Brückenzoll mußte Livingstone tief im Innern entrichten.

Die Wege der Karawanen, die unter dem Schutz, oft unter dem Geleit der Fürsten stehen, sind durch Wasser- und Weidevorkommen von der Natur vorgezeichnet. Von Ägypten, Tripolis, Südalgerien, Marokko führen sie nach S., wo Kano und Timbuktu Hauptemporien des Handels sind, nach denen auch von der Küste Oberguineas Straßenzüge gehen. Von Ägypten aus führt eine Straße durch die westlichen Oasen nach Dar Fur und von da westwärts über Wadaï nach Bornu; eine zweite Straße führt über Borgu ebendahin. Am wichtigsten sind gegenwärtig die von Tripolis ausgehenden Straßenzüge, südwärts die zwei Straßen nach Mursuk, südwestlich nach Ghadames. In Südalgerien gehen die Routen von Tuggurt und Ghardina im Lande der Beni Mzab (Mosabiten) über Tuat nach Timbuktu; ebendahin führen die Straßen von Tafilet in Südmarokko und die von Agadîr über Arauan. Andre Straßen führen von W. nach O., auf denen die Pilger nach Mekka wallfahrten, so von Senegambien über Timbuktu, durch die Wüste, Bornu, Wadaï, Dar Fur nach Suakin; die Moslems des Nordens ziehen über Siwah nach Suez.