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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Akte; Aktenversendung; Aktie und Aktiengesellschaft

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Akte - Aktie und Aktiengesellschaft.

Ländern, z. B. in Österreich, sind auch noch vielfach die ungehefteten oder sogen. Zettelakten gebräuchlich, welche in den Umschlag oder bei größerm Umfang in einen Karton lose eingelegt werden. Das erste Aktenblatt enthält häufig ein Inhaltsverzeichnis (Aktendesignation), und jeder Faszikel ist regelmäßig mit einem Umschlag (Tektur) versehen, worauf das Rubrum, d. h. der Name des Gerichts-, resp. des sonstigen Akteninhabers, und die Bezeichnung des Gegenstands ersichtlich ist. Händigt eine Partei ihre Handakten an die Gegenpartei oder, z. B. behufs der Wiederherstellung verlorner oder beschädigter öffentlicher Akten (Aktenredintegration), an das Bericht aus, so nennt man dies Aktenedition, und überschickt ein Untergericht seine Akten an das ihm vorgesetzte Obergericht, so heißt dies Akteneinsendung, die auf Veranlassung des letztern geschehen kann (Aktenavokation). Werden den eine Sache betreffenden Akten andre mit derselben in irgend einer Verbindung stehende Akten, z. B. des bessern Verständnisses halber, beigelegt, so findet Aktenadjunktion statt. Aktenmäßig nennt man einen in den Akten beurkundeten Vorgang. Das ältere Prozeßverfahren legte auf die Akten ganz besondern Wert, indem es den Richter verpflichtete, nur Aktenmaterial bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen ("Quod non est in actis, non est in mundo"), ein Grundsatz, der jedoch im modernen Gerichtsverfahren, welches durch das Prinzip der Mündlichkeit beherrscht wird, so gut wie aufgegeben ist. Erklärte der Richter in dem frühern Prozeßverfahren, daß alles für den betreffenden Prozeßabschnitt Erhebliche zu den Akten gebracht sei, so wurde dies Aktenschluß genannt, und man pflegt in analoger Weise auch im gewöhnlichen Leben nicht selten davon zu sprechen, daß die Akten über einen Gegenstand geschlossen seien oder nicht, je nachdem derselbe vollständig klargestellt oder je nachdem dies zur Zeit noch nicht der Fall ist.

Akte, 1) südöstliche Landzunge der Halbinsel Chalkidike zwischen dem Singitischen und dem Strymomischen Meerbusen, deren äußerste Spitze der Berg Athos (s. d.) bildete; auf der schmälsten Stelle der Landzunge lag Akanthos (s. d.). - 2) Name der Argolischen Halbinsel bei den Ioniern; s. Argolis.

Aktenversendung, im frühern Prozeßverfahren die Verschickung der in einem Zivil- oder Kriminalprozeß geführten Akten behufs der Erkenntnisfällung an einen Schöffenstuhl oder an eine Juristenfakultät. In Preußen, Bayern und Österreich wurde die A. schon gegen das Ende des 18. Jahrh. beseitigt und später in den meisten deutschen Staaten teils ganz abgeschafft, teils sehr beschränkt. Die neuen deutschen Justizgesetze kennen das Institut der A. nicht mehr. Vgl. Bülow, Das Ende des Aktenversendungsrechts (Freiburg 1881).

Aktie und Aktiengesellschaft. Die im allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuch angeführten vier Arten von Handelsgesellschaften, die offene Handelsgesellschaft, die Kommanditgesellschaft, die Kommanditgesellschaft auf Aktien und die Aktiengesellschaft, unterscheiden sich im wesentlichen voneinander durch die Art der Haftung ihrer Mitglieder. Bei der Aktiengesellschaft insbesondere beteiligen sich sämtliche Gesellschafter (Aktionäre) nur mit Einlagen, ohne persönlich für die im Namen der Gesellschaft eingegangenen Verbindlichkeiten zu haften. In die Firma der Gesellschaft darf der Name von Mitgliedern oder andern Personen nicht aufgenommen werden. Als reine Kapitalgesellschaft, bei welcher die Persönlichkeit vollständig in den Hintergrund tritt, wird die Aktiengesellschaft (besonders in Frankreich) im Gegensatz zur offenen Handelsgesellschaft auch als anonyme Gesellschaft (société anonyme) bezeichnet. Außer zum Betrieb von Handelsgeschäften können solche Gesellschaften auch für Zwecke gemeinnütziger und geselliger Art errichtet werden. Das zur Begründung und zum Betrieb eines Aktienunternehmens erforderliche Kapital, welches in Aktien zerlegt und durch Einlagen der Aktionäre in Geld oder andere Gegenständen (s. Apport) zusammengebracht wird, ist das Grund- oder Stammkapital, während der Nominalwert der begebenen Aktienbriefe das Aktienkapital bildet. Das Grundkapital bleibt in der Regel bis zur Auflösung der Gesellschaft unverändert. Es kann durch Rückforderung der Einlagen nicht vermindert werden, da den Aktionär ein Recht hierauf nicht zusteht, sondern dieselben, solange die Gesellschaft existiert, nur einen Anspruch auf den reinen Gewinn haben, welcher nach Abzug der Betriebs- und Verwaltungskosten sowie der zum Reservefonds zu hinterlegenden, zur etwanigen Verzinsung und Tilgung von Anleihen zu verwendenden und als Vergütungen an die Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat zu zahlenden Summen als verteilbar übrigbleibt. Wird das Grundkapital durch Verluste vermindert, so muß es aus dem Gewinn wieder ergänzt werden, und zwar können, bis dies geschehen, Dividenden nicht bezogen werden. Aus dem Grundkapital bildet sich das Gesellschaftsvermögen, welches aus industriellen Anlagen, Grundstücken, ausstehenden Forderungen, Wertpapieren, barem Geld etc. besteht. An dasselbe können sich die Gläubiger wegen ihrer Befriedigung halten, während der einzelne Aktionär mit seinem Privatvermögen für Gesellschaftsverbindlichkeiten weiter nicht haftet. Jeder Aktionär hat an diesem Vermögen verhältnismäßigen Anteil nach Maßgabe seines Aktienbesitzes und der Gesamtheit der emittierten Aktien. Doch gehen bei einer etwanigen Liquidation die Ansprüche der Gläubiger den seinigen vor.

Aktie, Dividende, Prioritäten etc.

Über die erfolgten Einzahlungen der Aktionäre werden Dokumente ausgegeben, welche Aktien (Aktienbrief, Aktienschein, franz. action, engl. share) heißen, wenn die Anteile der einzelnen Gesellschafter voll eingezahlt sind, und Interimsscheine (Quittungsbogen, Interimsquittungsbogen, Interimsaktien, Anteilscheine), wenn nur Ratenzahlungen auf den gezeichneten Aktienbetrag geleistet sind. Die Aktien können sowohl auf den Inhaber (au porteur) als auch auf eine bestimmte Person (Nominativaktie, Namenaktie) ausgestellt werden. In letzterm Fall werden sie in das Aktienbuch (Aktienliste) eingetragen. Um kleinere Leute möglichst von der Beteiligung an Aktienunternehmungen fern zu halten, und um zu bewirken, daß der Wohlhabende vor dem Erwerb von Aktien das Unternehmen vorsichtig prüfe und sich als Aktionär an demselben reger beteilige, wurde 1884 bestimmt, daß die Aktien auf einen Betrag von mindestens 1000 Mk. (früher bei Namenaktien auf 150, bei Inhaberaktien auf 300 Mk.) gestellt werden müssen. Für ein gemeinnütziges Unternehmen kann im Fall eines besondern örtlichen Bedürfnisses der Bundesrat die Ausgabe von Aktien, welche auf Namen lauten, zu einem geringern, jedoch mindestens 200 Mk. erreichenden Betrag zulassen. Die gleiche Genehmigung kann in dem Fall erteilt werden, daß für ein Unternehmen das Reich oder ein Bundesstaat oder ein Provinzial-, Kreis- oder Amtsverband oder