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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Algerien

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Algerien (Bodengestalt, Bewässerung).

Algerien (hierzu Karte "Algerien, Marokko und Tunis"), vormals Barbaresken- und als solcher türk. Vasallenstaat, seit 1830 französische Kolonie an der Nordküste von Afrika zwischen Marokko und Tunis, dem Mittelmeer und der Sahara. Während die östliche und westliche Grenze gegen Tunis und Marokko festgelegt ist, erscheint die südliche sehr dehnbar und wird von den Franzosen je nach Bedürfnis weiter in die Sahara vorgeschoben oder auf die Oase Wargla, ihren südlichsten Stützpunkt, zurückverlegt. Im allgemeinen kann der 30. Breitengrad als Südgrenze bezeichnet werden, von Ghadames an der Grenze Tripolitaniens bis nördlich von Gurara, einer Oase Tuats. Innerhalb dieser äußersten Ausdehnung hat A. ca. 667,000 qkm (12,114 QM.) Flächeninhalt.

[Bodengestaltung.] A. zerfällt in drei Departements: Algier, Oran und Konstantine, wovon das erstere den mittlern Teil einnimmt, im S. aber nur bis zur Oase Wargla reicht, während Oran im W., Konstantine im O. sich bis zur Südgrenze ausdehnen. Die etwa 1000 km lange Küste zeigt eine wenig gegliederte, steile und felsige Linie mit einzelnen Kaps und verhältnismäßig wenig guten Häfen. Meist gebirgig, doch auch von einzelnen Ebenen durchbrochen, erhebt sich hinter ihr das Land, dessen Bodengestaltung durch zahlreiche Höhenmessungen und Nivellements sehr genau bestimmt wurde, und das in drei gut voneinander gesonderte Teile zerfällt: im N. das Tell, das gebirgige, mit fruchtbaren Thälern durchzogene Kulturland, in der Mitte die Steppenregion mit den Salzsümpfen (Schotts) und dem Salzboden (Sebcha), im S. endlich die Sahara mit ihren Oasen. Von der Küste nach S. vordringend, begegnet uns zuerst der Kleine Atlas. Derselbe ist nicht ein einzelnes Gebirge, sondern durch das ganze Land zieht sich, parallel mit der Küste und von dieser 75-110 km entfernt, ein 150-220 km breites, 800 bis gegen 1300 m hohes, in der Mitte muldenförmig eingesenktes und mit einem Zug von Steppenseen erfülltes Plateauland von ca. 950 km Länge, dessen Nord- und Südränder hin und wieder von Randgebirgen gekrönt werden. Unter letztern ist der Dschebel Aurês mit Höhen von 2328 (Dschebel Scheliha) und 2316 m (Dschebel Mhammel) der bedeutendste. Zwischen dem durch sein Hochlandsklima von dem übrigen Land wesentlich verschiedenen Plateau und der Küste strecken sich zahlreiche Gebirgszüge und Gebirgsstöcke von W. nach O.; unter ihnen sind der Dschebel Dscherdschera (2308 m) und der große Babor (2022 m), beide zwischen Algier und Konstantine, die ansehnlichsten. Zwischen die einzelnen Gebirgszüge drängen sich meist kultivierte, fruchtbare Ebenen, wie jene am Scheliff im W., die von Eghris bei Mascara, von Cirat, von Tlelad und namentlich die bekannte Mitidscha bei der Stadt Algier. Die Mitidscha ist eine 80-90 km lange und 15-19 km breite, wenig wellenförmige Ebene, an deren Südseite der Atlas steil emporsteigt, während an der Nordseite das Massiv sanft und nur an einzelnen Stellen etwas schroffer sich erhebt. Der Boden ist mit fetter, fruchtbarer Dammerde bedeckt, der nördliche Rand der Ebene aber infolge ihres sanften Abfalls von S. nach N. und starker Regengüsse, welche zur Winterszeit einzutreten pflegen, sehr sumpfig; der südliche dagegen bietet üppigen Graswuchs, ergiebige Äcker und schönen Baumwuchs dar. Im W. wird die Mitidscha durch die Hügel des Sahel begrenzt, und nordöstlich bilden die Sanddünen an den Mündungen der Flüsse Arrasch und Hamisch, die sogen. Collines du Sahel, die Grenze. Nach innen schließt sich an das Plateauland zwischen dem 17. und 23. Meridian eine Vorterrasse, welche bei Bresina 833 m, bei El Aghuât 780 m hoch ist und nach S. und O. sich allmählich abdacht. Doch liegt El Golea noch immer 402 m, Ghardaja 530 m über dem Meeresspiegel. Von dieser Vorterrasse im W. und von dem hohen Aurês im N. begrenzt, dehnt sich bis in das tunesische und tripolitanische Gebiet eine weite, heiße Tiefebene, an der Südgrenze 162 m, bei El Wad 135 m, bei Tuggurt 50 m, bei Biskra 125 m über dem Meeresspiegel, im Sebcha Melrir 31 m unter den Meeresspiegel hinabreichend. Diese Depression ist höchst wahrscheinlich früher durch einen größern See, den Palus Tritonis, ausgefüllt gewesen, der seinen Ausfluß bei Gabis in das Mittelmeer nahm; die tertiären Schichten des Beckens sind in der Tiefe von Wasser durchdrungen, welches, durch artesische Bohrlöcher nach oben geleitet, zahlreiche fruchtbare Oasen ins Leben gerufen hat. Über die Hälfte der Kolonie, den ganzen Süden zwischen dem 30. und 34. Breitengrad, nimmt endlich die Algerische Sahara (auch Angab genannt) ein, in welcher nur einzelne Oasen den Anbau des Bodens gestatten. Die bedeutendsten dieser Oasen sind: das Biled ul Dscherid oder Dattelland, El Wad, Tuggurt, Wargla und die Oase Ksur.

[Flüsse.] Die meisten Flüsse Algeriens entspringen im Atlasgebirge, nur sehr wenige in den Küstenbergen. Fast alle, welche vom Atlas in das Mittelmeer fließen, machen bedeutende Krümmungen, haben einen trägen Lauf, sumpfige Ufer und enge, öfters durch Sandbänke verstopfte Mündungen. Kein einziger derselben ist schiffbar. Die meisten nehmen ihren Lauf von S. nach N., wovon nur der Scheliff eine bemerkenswerte Ausnahme macht. Zwischen den Grenzen von Tunis und Marokko münden nicht weniger als 25 größere und kleinere Flüsse in das Mittelmeer, von denen die bedeutendern folgende sind: die Sebuse (Rubricatus), die Budschima und der Mafrag, welche in den Golf von Bone münden, der Wad el Kebir (Rumel), der wiederholt unter Felsen verschwindet, und der Summam (Sawah), der einen der bedeutendsten Querrücken des Atlas durchbricht und nach 208 km langem Lauf in die Bucht von Bougie mündet; endlich der Sahel, Buberak (Nissah), auf der Grenze der Provinzen Konstantine und Algier; ferner der Isser, Harrach und Mazafran, welche auf dem Kleinen Atlas entspringen; der Scheliff, der als Sebau Aïun am Fuß des Bergs Wenseris entspringt, von da unter dem Namen Nahar Wassel erst nach O., dann nach N. und W. und 178 km weit der Küste parallel fließt und nach 445 km langem Lauf zwischen dem Kap Ivi und Mostaganem in das Meer mündet; die Makta und endlich die Tafna, der westlichste Fluß Algeriens. Die Flüsse Algeriens haben eine ganz besondere Bedeutung gewonnen, seitdem man angefangen hat, sie im großartigen Maßstab zur Bewässerung zu verwenden. Das System der riesigen Wehrbauten (Barrages), wahrscheinlich zuerst von den Karthagern angewandt, verfiel unter der Türkenherrschaft, wurde aber seit 1843 wieder in Thätigkeit gesetzt. Die vom südlichen Abhang des Atlas abfließenden Gewässer münden in Salzsümpfe (Schotts) oder versiegen im Sande. Die bemerkenswertesten dieser oft umfangreichen Salzsümpfe sind: Sebcha Melrir, der Schott es Saida, der