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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Amerika

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Amerika (Tierwelt).

sich Umbelliferen, Labiaten, 300 Synanthereen, unter den kleinern Pflanzengruppen. Ternströmiaceen, Solanaceen, Skrofularineen, die schönen Formen der Kalceolarien, prachtvolle Amaryllideen und Liliaceen sowie Piperaceen, Bromeliaceen, Asphodeleen und Asparagineen. Unter den noch wenig bekannten Kryptogamen sind Lykopodiaceen und Farne vorherrschend; die Flechten scheint diese Flora größtenteils mit Brasilien und den Andes gemein zu haben. Die Flora des südlichen Ostrandes, welche Schouw nicht von der nördlichern trennt, erstreckt sich von der Mündung des La Plata-Stroms bis zur Georgsbai hinab, von 35 bis 53° südl. Br. Die mittlere Temperatur ist 10-16° C. Dies Gebiet ist außerordentlicher Dürre ausgesetzt. Bis 3 und 4° südlich von Rio de Janeiro prangt noch eine überreiche Pflanzenwelt, aber schon in den Pampas am La Plata beginnt die Baumlosigkeit und Öde. Von Grad zu Grad verschwinden die Gewächse, und unter 40° Br. bleiben nur noch magere Gräser und distelartige Kräuter auf dem unfruchtbaren, wellenförmigen Boden zurück. Nur an den Ufern der Flüsse noch sieht man Bäume, meist Salix-Arten; die letzten Palmen erscheinen unter 35°. So spärlich sind die holzartigen Gewächse auf diesem Landstrich verteilt, daß schon um Buenos Ayres nicht inländische, sondern fremde eingebürgerte Baumarten (besonders Pfirsichbäume) das nötige Brennholz liefern müssen. Die größte Wohlthat dieser Gegenden (und des ganzen von dem La Plata-Strom bis zu den Andes reichenden Striches) ist eine Riesendistel (Cynara carfuncula), ein unerschöpfliches Futter für die großen Herden von Rindvieh und Pferden. Mit 40° südl. Br. verschwindet auch sie, und im östlichen Patagonien zeigt die Vegetation die größte Armut. Zerstreute niedrige, sparrige, braune Gräser wechseln mit Kruciferen, einigen Skrofularineen, krautartigen Gewächsen und Kryptogamen. Dazwischen stehen prachtvoll blühende Kaktaceen (Opuntia Darwinii), in manchen Jahren die einzigen Gewächse, wenn alle andern verschmachten. Die vielen Salzseen (salinas) dieses Erdstriches befördern die Öde. Südlich am Rio Negro gibt es quadratmeilengroße Flächen, auf denen kein Halm wächst, und die, dick mit Salzkristallen überzogen, fast beschneiten Ebenen gleichen. Das antarktische Reich (bei Schouw d'Urvilles Reich genannt) umfaßt das südliche Chile mit den Chiloeinseln, Südpatagonien, Feuerland, Falkland, Südgeorgia etc. Die mittlere Wärme ist 5-8° C. Die unwirtbaren, fast ganz unbewohnten Küsten dieser Regionen sind arm an Pflanzen wie an Tieren. An der südlichen Grenze der La Plata-Gegenden und von Chile streifen noch einzelne tropische Formen in das antarktische Gebiet, machen aber bald Bildungen Platz, welche dem südwestlichen Patagonien, den Feuerland- und Falklandinseln ein nordeuropäisches Vegetationsgepräge aufdrücken. Die noch südlichern Inseln tragen nur hier und da dürftige Gräser oder kümmerliche Moose als letzte Spuren vegetabilischen Lebens. Ungefähr zwei Drittel ihrer Pflanzen hat diese Flora mit den nordischen Regionen gemein, in dem übrigen Drittel sind arktische Gruppen, überall nur mit sparsamen Gattungen, am zahlreichsten Ranunkulaceen und Kruciferen, Umbelliferen, Synanthereen, Berberidaceen, Skrofularineen und Junkaceen. Sparsam sind die baum- und strauchartigen Gewächse, häufiger die krautartigen Pflanzen und bez. zahlreich die Kryptogamen. Doch besteht ein bedeutender Unterschied zwischen den östlichern, ganz baumlosen Ebenen und den westlichern bergigen Teilen, die mit Wäldern von zum Teil immergrünen Baumformen bedeckt sind.

Tierwelt.

Gegenüber der großartigen Üppigkeit des Pflanzenlebens der Neuen Welt tritt die Entwickelung der Tierwelt weit zurück. Die Organisation der Tiere der Neuen Welt hat im allgemeinen einen Charakter, der ihnen eine niedrige Stelle auf der Stufenleiter der organischen Wesen einräumt; es hat hier die Natur auf die Bildung der niedern, an das Wasser und an die Pflanzenwelt gebundenen Tierwelt ihre größte, auf die der höhern Tierwelt ihre geringere Kraft verwandt. Diejenigen pflanzen- und fleischfressenden Tiere, welche als Symbole von Kraft, Stärke, Größe und Wildheit gelten, sind allein auf die Alte Welt beschränkt; die amerikanischen Arten, welche sich den erwähnten Geschlechtern am meisten nähern, sind weit sanfter und schwächer. Unserm Löwen gegenüber erscheint der neuweltliche feige Puma wie eine Jammergestalt, dem Königstiger der Alten Welt hat A. nur die kleinere Unze entgegenzustellen. Das gewaltigste Tier Nordamerikas ist der graue Bär, das größte des südlichen Kontinents der Tapir; es fehlen der Neuen Welt unsre großen Tiergestalten, wie der Elefant, das Nashorn, das Nilpferd, die Giraffe das Kamel. Ebenso gehören die dem Menschen nützlichsten Vierfüßler der Alten Welt. Erwägt man, daß von solchen Tieren, die wirklich gezähmt wurden oder die doch hätten gezähmt werden können, nur Renntier, Bison, Lama und Vicuña, Nabel- und Wasserschwein, Tapir, der stumme Hund, Truthahn, Hokkohuhn und Moschusente als sogen. Haustiere in Betracht kommen, so tritt die Armut der Neuen Welt deutlich hervor. Dabei stehen die Haustiere der Alten Welt hinsichtlich der Vielseitigkeit ihres wirtschaftlichen Nutzens ungleich höher. Den wenigen milcherzeugenden Tieren Amerikas stehen außer dem beiden gemeinsamen Renntier in der Alten Welt Rind, Kamel, Pferd, Esel, Ziege, Schaf gegenüber, den wollerzeugenden Lamas unser Schaf, Ziege, Kamel, Dromedar. Von Last- und Arbeitstieren besaß die Neue Welt nur das Lama sowie das Renntier und den Bison, wenn die beiden letztern gezähmt worden wären, wir dagegen außer dem Rind und dem Renntier das Kamel, den Esel, das Roß und den Elefanten, vom Hund zu schweigen, den die Eskimo wenigstens als Zugtier benutzt haben (Peschel). Dagegen findet sich in A. die Mehrzahl jener eigentümliche Arten aus der Ordnung der Zahnlücker, so die ganze Familie der Tardigraden oder Faultiere und die sonderbaren Ameisenfresser und Armadille. Auch andre Familien sind hier durch eigentümliche Arten vertreten. So enthalten die tropischen Gegenden Amerikas eine besondere Familie von Beuteltieren, ähnlich den australischen, wiewohl von verschiedenen Gattungen. Ebenso eigentümlich sind die Klammeraffen mit ihrer schlanken Gestalt und ihren Greifschwänzen. Ganz verschieden von der Organisation der Huftiere der Alten Welt ist die ihrer Verwandten in A.; sie macht diese geschickt, Bewohner der steilen Kordilleren zu sein, während die von Afrika den dürren Ebenen angemessen sind. Die Reptilien zeigen eine ungleich bedeutendere Größe und einen kräftigern Bau. Dies ist schon bei den Batrachiern merklich, noch mehr aber bei den Familien der Saurier und Ophidier. Wie die Reptilien, so lassen auch die Arachniden und Insekten keine Vergleichung mit der Alten Welt zu. Zudem hat A. viele eigentümliche Insektengattungen, namentlich Käfer. Vom tiergeographischen Standpunkt läßt sich das