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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Amerika

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Amerika (Bevölkerung).

aus Ureinwohnern, aus eingewanderten Europäern und Negern und aus Mischlingen (Mestizen von Weißen und Indianern, Mulatten von Weißen und Negern, Sambo von Negern und Indianern); in neuester Zeit sind auch Inder (auf den Antillen und in Guayana, ca. 200,000), Japaner und Chinesen (in Nordamerika, besonders in Kalifornien [1880: 106,000] und Westindien) eingewandert. Zu den Ureinwohnern Amerikas gehören die Eskimo und einige verwandte Volksstämme an der Polarküste, namentlich aber die zahlreichen unter dem Gesamtnamen Indianer (s. d.) zusammengefaßten Völker, welche mit ebensoviel Sprachen über den ganzen Erdteil verbreitet sind. Während die erstern, die Eskimo, Alëuten, Koloschen und Vancouverstämme (Fig. 1-5), mit einigen nordostasiatischen Völkern eine eigne Gruppe, die der Beringsvölker, bilden, müssen die Hunderte von indianischen Nationen und Volksstämmen als Angehörige einer und derselben großen Rasse betrachtet werden, die man als die amerikanische bezeichnet. Allenthalben zeigen sie durch eine ihnen gemeinschaftliche Gesichtsbildung und Körperkonstitution, durch gleiche moralische und geistige Eigenschaften und durch den Bau ihrer Sprachen eine unbestreitbare Verwandtschaft. Für diese letztere zeugen ferner ihre Bauwerke und ihre Altertümer, an denen wir überall dasselbe konstruktive Talent, nur in verschiedenen Graden der Ausdehnung und Entwickelung finden. Allerorten trifft das Auge auf Überbleibsel derselben Erfindungen und Künste, die in einzelnen Fällen von einer hohen Stufe von Ausbildung und Kunstfertigkeit zeugen.

Die amerikanische Urbevölkerung zeichnet sich durch langes, straff herabhängendes, im Querschnitt walzenförmiges schwarzes Haar, stark vorstehende Backenknochen und spärlichen Bartwuchs aus. Die Augen sind schmal geschlitzt, liegen tief und stehen oft schräg einwärts. Die Nase ist meist hochrückig und gebogen, der Mund groß, die Lippen sind dick. Die niedrige, stark nach hinten gedrückte Stirn läßt den mittlern und untern Teil des Gesichts stärker hervortreten. Die Hautfarbe schwankt beträchtlich, nämlich von leichter südeuropäischer Bräunung beiden Botokuden bis zum tiefsten Dunkel bei den Aymara und bis zum Kupferrot bei den nordamerikanischen Jägerstämmen. Das Klima hat nur eine sehr untergeordnete Einwirkung auf die Verschiedenheit der Hautfarbe. Die Puelchen und andre patagonische Stämme, welche in einem kühlen Himmelsstrich leben, sind bei weitem dunkler als die Abiponen und Mocobi in den Pampas oder die Botokuden unter dem südlichen Wendekreis oder die Anwohner des Orinoko. Die Charrua, deren Haut beinahe schwarz ist, wohnen in der gemäßigten Zone und die ebenso dunkeln Kalifornier 30-40° nördlich vom Äquator. Diese Züge gelten im großen und allgemeinen, im einzelnen und besondern treten manche Modifikationen ein. Das Hervortreten zahlreicher mongolenähnlicher körperlicher Merkmale nicht allein, sondern auch das Vorhandensein einer Fülle von Erfindungen, Gebräuchen und Mythen, welche die Eingebornen Amerikas mit den nordasiatischen Völkern teilen, hat eine große Anzahl von Ethnographen und Geographen zu der Ansicht geführt, daß beide Völkergruppen einer einzigen Rasse (der der "mongolenähnlichen Völker" O. Peschels) angehören, und daß sich die amerikanische Urbevölkerung erst durch Wanderung aus Asien über die schmale Beringsstraße in ihre neuen Wohnsitze ausgebreitet und zu einem mehr selbständigen Zweige jener großen Rasse ausgebildet habe.

Im allgemeinen lassen sich sechs Hauptgruppen unterscheiden: 1) Die amerikanischen Beringsvölker, unter ihnen namentlich die Eskimo von Grönland, Labrador und dem Arktischen Archipel, ihrem körperlichen Bau nach unmittelbar verwandt mit den Völkern des nordöstlichen Asien, speziell den Tschuktschen, sprachlich aber in engerer Beziehung zu den amerikanischen Indianern stehend. Sie bilden das Übergangsglied zwischen den asiatischen und amerikanischen mongolenartigen Völkern; sie leben fast ausschließlich vom Seefischfang. 2) Die Jägerstämme Nordamerikas, in zahlreiche in beständigem Krieg miteinander lebende Stämme zerfallend (Fig. 6-16). Ruinen großer Bauwerke und Grabstätten beweisen, daß sie sich einst höherer Kultur erfreuten, oder daß sie hier ein altes Kulturvolk vertrieben oder vernichtet haben, ohne dessen Kultur anzunehmen. 3) Die brasilisch-guayanischen Völker (Fig. 18-24) in den Urwäldern des Amazonas und des Orinoko, vorwiegend Jägervölker, in eine beispiellos große Zahl von Stämmen und zum Teil winzigen Sprachgruppen zerfallend. 4) Die Andesvölker, darunter die tapfern Araukaner des südlichen Chile (Fig. 29, 32, 33). 5) Die Pampasvölker, meist Reiterstämme, darunter als südlichster Zweig die Patagonier (Fig. 28, 30, 31). 6) Die amerikanischen Kulturvölker auf den westlichen Gebirgserhebungen des Kontinents. Sie zerfallen in drei Gruppen: die Mayavölker auf der Hochebene von Anahuac bis zum Nicaraguasee, ihnen sich anschließend die von N. einwandernden Tolteken und Azteken; ferner die Muyska auf der Hochebene von Bogotá; endlich die Inkaperuaner um den Titicacasee, dazu die Aymara und die Quichua oder Inka (Fig. 17 u. 25-27). Näheres über die amerikanische Urbevölkerung und ihre Kultur s. unter Amerikanische Altertümer und Indianer.

Ein großer Teil der Eingebornen liegt noch heute nur der Jagd ob; eigentliche Fischervölker finden wir nur im Feuerland und im nordwestlichen Teil von A. Bei manchen Nationen ist die Jagd Hauptbeschäftigung der Männer, während die Weiber Getreide bauen. In den tropischen Tiefländern gewinnen die Indianer den Lebensunterhalt ohne alle Mühe, während auf den meist an Wald und Wild armen Hochebenen die Menschen auf den Ackerbau angewiesen sind. Nördlich vom Wendekreis traf man ackerbautreibende Völker nur in Neumexiko, teilweise am westlichen Colorado und an den Strömen, welche in den Kalifornischen Meerbusen münden. Auf dem rechten Ufer des Mississippi ward im N. von 41° nördl. Br. und im W. von 97° westl. L. wenig oder gar kein Ackerbau getrieben; nur von den Saukie- und Fuchsindianern, einem Algonkinstamm, sowie von den Osagen und andern Stämmen der südlichen Sioux wurde der Boden bestellt. Auch lebten nördlicher, unter 46 und 47° nördl. Br., einige in festen Dörfern seßhafte Stämme am Missouri, nämlich die zu den Pani gehörenden Riccara, die Mandaner und Minetaren. Endlich bauten auch die Indianer am südlichen Red River und jene in Texas bis zum Nueces Mais, nicht aber die an der Küste wohnenden. Alle ackerbautreibenden Indianer kultivierten dieselben Gewächse: Mais, Bohnen (Frijoles) und eine Kürbisart. Die Stämme im W. des Mississippi, mit Einschluß der Pani und der südlichen Sioux, jagten den Büffel. Im NW. leben ganze Stämme von Lachsen und Wurzeln. Die armseligen Yamparica oder Wurzelfresser im O. des Großen Salzsees, die Indianer am Salmon Trout River und