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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Amerika

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Amerika (Bevölkerung).

Das Zeitwort ist der herrschende Redeteil, es nimmt Hauptwort, Fürwort und Beiwort in sich auf. Eigentliche Deklinationen sind in manchen Mundarten nicht vorhanden, dagegen aber die Verba stets regelmäßig, genau und vollständig ausgebildet. Die bei weitem größte Anzahl der Wurzelwörter ist, wenn man sie ihrer Zuthaten entledigt, nur ein- oder zweisilbig. Jede eingeschobene Zuthat wird, nach indianischem Ohr, dem Wohlklang angepaßt; man beseitigt davon, was diesen beeinträchtigt. Wo zwei Selbstlauter oder Mitlauter zusammenkommen, wird der eine weggeworfen. Bei dieser Verkürzung der Silben und dem Einschieben neuer Wurzeln bleibt bei dem Kompositum oft nur ein einziger Buchstabe von dem eingeschobenen Wort, aber dieser eine Buchstabe ist ein ideographisches Zeichen und behält seine volle Bedeutung bei. Naturgemäß sind die Sprachen und Völkerschaften weit weniger zahlreich in den offenen Savannen des Mississippi, wo die Jäger ungehindert umherschweifen konnten, als in den undurchdringlichen Wäldern des Amazonenstroms und Orinoko, in welchen die Horden sich gleichsam verloren und, obgleich räumlich einander nahe, sich dennoch fremd blieben. Die gebildetsten der amerikanischen Sprachen sind die der Azteken oder Mexikaner, die der Peruaner oder die Quichuasprache und die der Araukaner in Chile. Die aztekische und die Quichuasprache haben sich durch die Eroberungen der mexikanischen Fürsten und der Inkas weit verbreitet, jene über die ganze Hochebene von Anahuac und bis nach Guatemala, diese die Andes entlang. Das Araukanische wird in Chile und den patagonischen Andes gesprochen. Die größte Verschiedenheit der Sprachen herrscht in den Gebirgen von Guayana. Weiteres über die amerikanischen Sprachen s. Sprache und Sprachwissenschaft. Im übrigen bedient sich eine nicht geringe Zahl Eingeborner jetzt europäischer Sprachen.

Von den Einwanderern sind zunächst die Neger zu erwähnen. Die Zahl derselben beziffert sich in A. auf etwa 10-12 Millionen, wovon 1880 allein 6½ Millionen auf die Vereinigten Staaten entfielen. Sie sind durch den afrikanischen Sklavenhandel (seit 1510, lebhafter seit 1517 auf den Rat von Las Casas) zur Plantagenwirtschaft in den tropischen und subtropischen Gegenden eingeführt worden und haben hier der Hauptmasse nach bis in die neueste Zeit noch als Sklaven gelebt. Nur ein kleiner Teil von ihnen nährte sich als Freigelassene (Emanzipierte) von Land- und Bergbau oder von Gewerben. Auf Haïti haben sie sich einen eignen Staat gebildet, der später in zwei zerfallen ist. Ein großer Teil der Neger wie auch fast alle Mischlinge sind getauft. Übrigens hat sich diese Rasse in den Vereinigten Staaten von 1789 bis 1860 (also während der Sklaverei) alle zehn Jahre um 28 Proz. (in dem Jahrzehnt von 1870 bis 1880 sogar um 35 Proz.) vermehrt und auf Haïti (also in der Freiheit) von 1793 bis 1868 sogar um etwas mehr, während die Urbevölkerung unter allen Verhältnissen an Zahl stets abgenommen hat. Seit dem Verbot des afrikanischen Sklavenhandels und der Aufhebung der Sklaverei in allen Staaten Amerikas scheint der schwarzen Rasse die Aufgabe vorbehalten zu sein, die Ackerbau treibende und Rohstoff erzeugende freie Bevölkerung des tropischen A. zu bilden.

Die mittelländische, weiße Rasse hat in A. nur die romanische und germanische Völkerfamilie zu Vertretern und zwar die erstere vorzugsweise in Zentral- und Südamerika, die letztere vorwiegend in Nordamerika (mit ca. 48 Mill.). Unter den Germanen sind die Angelsachsen überwiegend vertreten, nämlich mit mehr als 2/3 hinsichtlich der Abstammung und mit über ¾ hinsichtlich der Sprache. Die deutsch redende Bevölkerung schlägt man zu 7-8 Mill. an, sie ist infolge der massenhaften deutschen Einwanderung in stetem Steigen begriffen, obschon immer ein nicht unbedeutender Teil derselben (man rechnet 1/3) von der englisch redenden Bevölkerung absorbiert wird. Von den andern Staaten haben besonders Südbrasilien, die Argentinische Republik, Chile wie auch Kanada deutsche Niederlassungen. Ungünstigere Aussichten hat die romanische Bevölkerung Amerikas, welche sich wohl überall vermehrt, aber nirgends die durchschnittliche europäische Bevölkerungszunahme (1¼ Proz. jährlich) zeigt, sondern weit weniger.

Über die Zusammensetzung der Bevölkerung nach den einzelnen Rassen (in Millionen) gibt folgende Tabelle Auskunft:

Ländergruppen Weiße Amerikaner Mischlinge beider Neger, Mulatten etc.

1) Britisch-Nordamerika u. Vereinigte Staaten 47¾ ½ ? 6 2/3

2) Mexiko und Zentralamerika 1¾ 6 4¼ 1/10

3) Westindien, Venezuela, Guayana, Brasilien 3 1 1/5 1 12½

4) Westküste Südamerikas u. La Plata-Staaten 4¾ 2 1/3 7¼ ½

Zusammen rund: 57 10 12½ 20

Was die Religion betrifft, so ist jetzt (mit Ausnahme etwa des größtenteils noch von heidnischen Eskimo bewohnten Grönland etc.) in allen Ländern Amerikas das Christentum eingeführt. In ganz Nordamerika sowie in allen englischen und holländischen Kolonien ist der Protestantismus vorherrschend, während in Mexiko, in den französischen und spanischen Besitzungen die katholische Kirche vorwiegt, ja bis vor nicht langer Zeit die allein herrschende und allein erlaubte Religionsform war. Durch Einführung der religiösen Toleranz und durch Einwanderung hat sich gegenwärtig auch in diesen Ländern ein nicht unbedeutendes nichtkatholisches Bevölkerungselement gebildet. Die jüdische Bevölkerung beschränkt sich fast allein auf die Vereinigten Staaten und die europäischen Kolonien; sie erreicht in ganz A. kaum 1 Mill. Die Indianer leben noch zum großen Teil in ihren ursprünglichen religiösen Anschauungen. (Vgl. die statistische Übersicht und Karte bei Art. "Bevölkerung".)

Staatliche Einteilung.

Die selbständigen Staaten Amerikas sind bis auf eine einzige Monarchie (Brasilien) sämtlich Republiken. Was die Kolonien europäischer Staaten in A. betrifft, so hat Großbritannien den in jeder Hinsicht bedeutendsten Besitz daselbst. Ihm gehören im N. Ober- und Unterkanada, Neubraunschweig, Neuschottland, die Prinz Edward-Inseln, Neufundland, das Hudsonsbaigebiet, Britisch-Columbia und die Vancouverinsel, ferner die Bermudas, die Bahamainseln; von den Kleinen Antillen: Trinidad, Tobago, Grenada, St. Vincent, Barbados, Santa Lucia, Dominica, Antigua, Barbuda, Anguilla, St. Christoph (St. Kitts), Nevis und Montserrat; von den Jungferninseln: Virgingorda (Spanishtown), Tortola und Anegada; die große Antilleninsel Jamaica, die Caymansinseln, die Turks- und Caicosinseln; Honduras oder Belize auf der Halbinsel Yucatan; ein Teil von Guayana (Demerara und Berbice) und die Falklandinseln. England zunächt ^[richtig: zunächst] steht Spanien, das noch die Inseln Cuba und Puerto Rico besitzt, und