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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Aristippos

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Aristippos.

und Vaterlandsliebe Vertrauen und Einfluß. Im ersten Perserkrieg befand er sich unter den zehn von Athen ernannten Feldherren, die auf seinen Antrag bei Marathon (490) dem Miltiades den alleinigen Oberbefehl überließen; in der Schlacht focht er mit glänzender Tapferkeit. Im J. 489 wurde er erster Archon und erwarb sich auch in dieser Stellung allgemeine Achtung. Als Führer der konservativen Partei trat er dem Themistokles und den Plänen desselben zur Gründung einer Seemacht entgegen, weil er fürchtete, daß hierdurch die festen Grundlagen des Staates erschüttert und der Kern desselben, die grundbesitzende Bevölkerung, durch die besitzlose Menge und Fremde verdrängt werden könne. Der Gegensatz beider Männer drohte das Gemeinwesen in Verwirrung zu bringen; daher wurde beschlossen, durch ein Scherbengericht zu entscheiden, das A. 483 auf zehn Jahre verbannte. Er verließ Athen, flehend zu den Göttern, sie möchten verhüten, daß sein Vaterland die wider ihn verhängte Maßregel je zu bereuen habe. Noch als Verbannter kam A. vor der Schlacht bei Salamis (480) zur Flotte und besetzte während derselben Psyttaleia, wo er die persische Besatzung niedermachte. Gleich darauf wurde das Verbannungsurteil gegen ihn aufgehoben. Neuen Ruhm gewann er 479 als Anführer der Athener bei Platää. Nach Athen zurückgekehrt, bewog A. seine Partei, einzuwilligen, daß als Belohnung für die in den Perserkriegen bewiesene Hingebung und Tapferkeit der Zutritt zu den Staatsämtern allen Bürgern ohne Rücksicht auf ihr Vermögen eingeräumt würde. Im J. 476 ward er mit dem Oberbefehl über die athenische Flotte betraut, erwarb sich durch seine Milde und Unparteilichkeit die Liebe der Griechen, übernahm nach Pausanias' Abberufung den Befehl über die ganze griechische Flotte und bewog die Inseln und Städte des Ägeischen Meers, sich mit Athen zu einem Bündnis gegen die Perser zu vereinigen. Somit ward A. der Gründer der athenischen Hegemonie, die sich über sämtliche nicht zum Peloponnesischen Bund gehörige Seestädte und Inseln erstreckte. Beauftragt, die Bundesverhältnisse zu ordnen, bestimmte er die nötigen Beiträge jedes Staats an Geld und Truppen nach einem so unparteiischen und billigen Anschlag, daß alle Mitglieder sich zufrieden erklärten und in späterer Zeit, als die Athener ihre Macht mißbrauchten, diese Besteuerung als eine Glückszeit priesen. Er starb 467 auf einer in öffentlichen Angelegenheiten unternommenen Fahrt nach dem Schwarzen Meer, nach Verwaltung der höchsten Ämter ärmer, als er sie angetreten hatte. Seine beiden Töchter wurden auf Kosten des Staats ausgestattet, sein Sohn Lysimachos, der aber entartete, erhielt 100 Minen Silbers, Grundstücke und einen täglichen Gehalt von 4 Drachmen. A.' Leben ist von Cornelius Nepos und Plutarch beschrieben worden. Vgl. Vom Berg, Das Leben des A. (Götting. 1871).

2) A. aus Theben, griech. Maler, Schüler des Euxinidas und seines Bruders Nikomachos, Zeitgenosse des Apelles, um 350 v. Chr., war Meister im Ausdruck menschlicher Empfindungen und Leidenschaften. Seine Arbeiten standen sehr hoch im Preis. Genannt werden eine Szene aus der Eroberung einer Stadt (ein Kind nach der Brust der sterbenden Mutter kriechend), ein großes Schlachtenbild von 100 Figuren, mehrere Porträte, darunter das eines tragischen Schauspielers.

3) A. aus Milet, im 2. oder 1. Jahrh. v. Chr., verfaßte erotische Erzählungen sehr lasciven Inhalts, nach ihrem Schauplatz Milet "Milesiaca" (milesische Geschichten) betitelt, die als die ersten Anfänge des griechischen Prosaromans zu betrachten sind. Sie waren im Altertum sehr beliebt, besonders unter den Römern, von denen sie der Historiker Sisenna übersetzte. Die dürftigen Bruchstücke sind gesammelt in Müllers "Fragmenta historicorum graec." (Bd. 4).

4) Publius Älius A., genannt Theodoros, griech. Rhetor, geb. 117 oder 128 n. Chr. zu Adriani in Mysien, hörte die berühmtesten Rhetoren und bereiste darauf Asien, Griechenland, Italien und Ägypten. Als er nach seiner Rückkehr von einer langwierigen Krankheit befallen ward, gehörten ununterbrochene Studien zu der Kur, die ihm in Traumgeschichten vorgeschrieben wurde, und deren Geschichte (das erste uns schriftlich verbürgte Beispiel von Hellseherei) er selbst in seinen sechs "Heiligen Reden" erzählt. Wegen seiner Redekunst genoß er außerordentliches Ansehen bei seinen Zeitgenossen; auch bei den Kaisern stand er in hoher Gunst, besonders bei Mark Aurel, der auf seine Verwendung das 178 durch ein Erdbeben zerstörte Smyrna wiederherstellen ließ. Die Hauptstätten seiner Wirksamkeit waren Athen und Smyrna, wo er um 190 starb. Außer einer rhetorischen Schrift (hrsg. in den "Rhetores graeci" von Walz, Bd. 9, und Spengel, Bd. 2) besitzen wir von A.' Reden, die er mühsam auszuarbeiten pflegte, noch 55, teils Lobreden auf Gottheiten und Städte, wie Rom und Smyrna, teils Deklamationen nach alten Mustern, wie Isokrates (Panathenaikos) und Demosthenes (gegen Leptines), und über geschichtliche Themata aus der Zeit der griechischen Freiheit (hrsg. von Dindorf, Leipz. 1829, 3 Bde.). Sie halten sich frei von dem rhetorischen Wortgepränge der Zeit und sind ausgezeichnet durch Tiefe und Fülle der Gedanken sowie durch kräftige und gedrungene, oft freilich schwierige und dunkle Sprache. Vgl. Baumgart, Älius A. als Repräsentant der sophistischen Rhetorik des 2. Jahrhunderts der Kaiserzeit (Leipz. 1874).

Aristippos, griech. Philosoph, Stifter der Kyrenäischen Schule (s. d.) oder der der Hedoniker, Sohn eines wohlhabenden Kaufmanns aus Kyrene an der Nordküste Afrikas, lernte auf einer Reise nach Athen Sokrates kennen, dessen Schüler er ward, und trat als Lehrer der Philosophie in Athen und Ägina auf, zuerst unter allen Sokratikern Geld für seinen Unterricht nehmend. A. hatte von Sokrates sich nur die ausschließliche Richtung aufs Praktische angeeignet. Das höchste Gut ist nach ihm das Vergnügen, sowohl das sinnliche als das geistige. Beides muß um seiner selbst willen erstrebt werden; jedes Mittel, um dazu zu gelangen, ist erlaubt. Die Tugend hat nur Wert als Weg zum Vergnügen; ebenso Klugheit und Weisheit, indem sie die Lust beherrschen und vor Unlust erzeugendem Übermaß bewahren. Wie das Lustgefühl das höchste praktische Kriterium (des Guten und Bösen), so ist die Sinneswahrnehmung das höchste theoretische des Wahren und Falschen. Seine Anhänger Theodoros, Euemeros u. a. galten als Gottesleugner. Von A.' Schriften hat sich keine erhalten; die ihm zugeschriebenen fünf Briefe in dorischem Dialekt sind unecht. Wieland machte ihn zum Helden seines historisch-philosophischen Romans "Aristipp und einige seiner Zeitgenossen". - Sein Enkel von seiner philosophisch gebildeten Tochter Arete, A. der jüngere, um 360 v. Chr., war von seiner Mutter unterrichtet, daher "Metrodidaktos" (Mutterzögling) genannt, und soll das System seines Großvaters (Hedonismus, Anleitung zum Vergnügen, Genußlehre) geordnet, genauer bestimmt und weiter bekannt gemacht haben.