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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Artemisĭa

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Artemisia - Artemisia.

skythischen Gottheit, die man wegen der in ihrem Kultus üblichen Menschenopfer mit jener identifizierte. Ebensowenig wie diese ist die von den Ioniern Asiens verehrte A. von Ephesos eine griechische Gottheit, sondern, wie schon die ganz ungriechische Besorgung ihres Dienstes durch Verschnittene zeigt, eine asiatische und als Mondgöttin und auf Bergen, in Wäldern und im Feuchten wirkende, das Leben der Vegetation, der Tiere und Menschen nährende Naturkraft von den griechischen Ansiedlern mit ihrer A. identifiziert, zum Unterschied von der sie nicht jungfräulich, sondern, wie es auch die vielen Brüste ihres rohen Bildes ausdrückten, mütterlich und ammenartig gedacht war. Ihr nach asiatischer Art stürmischer und fanatischer Dienst wurde auf die Amazonen zurückgeführt. Außerdem wurde in Asien noch eine Anzahl andrer heimischer Gottheiten von den Griechen unter dem Namen A. verehrt. - Die Römer identifizierten mit der A. die altitalische Mondgöttin Diana (s. d.).

Die bildende Kunst stellte die A., wie ihren Bruder Apollon, je nach den verschiedenen Bedeutungen verschieden dar. Während die ältere Kunst in ihr mehr die licht- und segenspendende Göttin, die Beschützerin von Tier und Menschen wiedergibt, faßt die spätere Zeit sie mehr als die jungfräuliche Jägerin auf Bogen und Fackel waren ihre gewöhnlichen Attribute; ihre Kleidung war im ältern Stil lang herabwallend und faltenreich, später kurz geschürzt und derjenigen der Amazonen verwandt. An den Füßen trägt sie häufig Jägerschuhe. Ihr Gesichtsschnitt zeigt Verwandtschaft mit dem des Apollon, nur sind die Formen zarter und rundlicher. Eigentümlich ist beiden (aber auch der Aphrodite) das Hinaufbinden der Haarflechten auf den Scheitel in einen gewöhnlich Krobylos genannten Knoten. Als Jägerin erscheint A. häufig in lebhaftem Ausschritt, nach dem im Rücken hängenden Bogen greifend, an ihrer Seite ein Reh; so aufgefaßt ist die berühmte A. von Versailles im Louvre, gefunden in der Villa Hadrians bei Tivoli (vgl. Abbildung). Mit Fackel und Bogen ist die hochgeschürzte A. Laphria auf Münzen wiedergegeben. Als Hegerin des Wildes mit langem Gewand und wallendem Mantel zeigt sich die archaisierende Statue von Gabii in München. Mit Symbolen überladen ist das altertümliche Bild der oben erwähnten A. von Ephesos, einer nach oben sich verbreiternden Säule mit Füßen, Kopf, Armen und zahlreichen Brüsten gleichend. Eine elegante Nachahmung eines ältern Kultusbildes ist die Statue einer A. im Museum zu Neapel (1760 in Pompeji in einem kleinen Tempel gefunden), mit langem, zierlichem Gewand bekleidet, den Köcher auf dem Rücken, besonders interessant wegen der deutlich sichtbaren Spuren von Bemalung. Von großer Schönheit ist auch die A. Colonna im Berliner Museum, ebenfalls lang gewandet und vielleicht ursprünglich zwei Fackeln haltend; ferner ein Bronzekopf des Britischen Museums, der wahrscheinlich aus Griechenland stammt. Nicht mehr erhalten sind die im Altertum gefeierten Werke von Skopas, Praxiteles, Timotheos u. a. Vgl. Claus, De Dianae antiquissima apud Graecos natura (Bresl. 1881); Schreiber, A. (in Roschers "Lexikon der Mythologie", Leipz. 1884).

^[Abb.: Artemis (Diana von Versailles; Paris, Louvre).]

Artemisĭa, 1) Tochter des Lygdamis, Herrscherin von Halikarnassos und Kos, folgte dem Perserkönig Xerxes 480 v. Chr. mit fünf Schiffen auf dem Zug nach Griechenland und zeichnete sich bei Salamis durch Klugheit und Entschlossenheit aus Xerxes sagte deshalb nach der Schlacht, seine Männer hätten wie Weiber, die Weiber wie Männer gefochten. Die Athener setzten auf Artemisias Gefangennehmung 10,000 Drachmen. Nach Ptolemäos endete sie durch einen Sprung vom leukadischen Felsen, nachdem sie einem abydenischen Jüngling, der ihre heftige Liebe verschmäht, im Schlaf die Augen ausgestochen hatte.

2) Königin von Karien, Tochter des Hekatomnos, Schwester, Gemahlin und Nachfolgerin des Mausolos, berühmt durch ihre Trauer um den 352 v. Chr. verstorbenen Gemahl. A. mischte nicht bloß, um selbst sein Grab zu sein, die Asche des Toten unter ihr tägliches Getränk, sondern ließ ihm auch durch die ersten Künstler Griechenlands ein Grabmal (Mausoleum) errichten, das zu den sieben Weltwundern gerechnet wurde. Ein andres merkwürdiges Denkmal, später Abaton genannt, setzte sie auf Rhodus zum Gedächtnis eines glücklichen Überfalls, durch welchen die Insel in ihre Gewalt geraten war. A. starb bereits 350.

Artemisĭa L. (Beifuß, Wermut), Gattung aus der Familie der Kompositen, meist grau- oder weißhaarige, aromatisch riechende Kräuter und Halbsträucher mit wechselständigen, einfachen, eingeschnittenen oder ein- bis dreifach fiederteiligen Blättern und kleinen oder sehr kleinen, nickenden, seltener aufrechten, oft geknäuelten und wieder meist rispig angeordneten Trauben oder Ähren bildenden Köpfchen. Die Achänen sind ohne Pappus, doch mit sehr niedrigem, ringförmigem Wulst. Etwa 200 meist der nördlichen Erdhälfte angehörende Arten. A. Abrotanum L. (Stabwurz, Eberraute, Zitronelle, Zitronenkraut), im südlichen Europa einheimisch, bei uns in Gärten kultiviert, ist strauchartig, 60-150 cm hoch und hat vielspaltige, am Grunde des Blattstiels nicht geöhrte Blätter und kleine, gelbliche Blüten in blattwinkelständigen Trauben. Die Blätter und blühenden Stengelspitzen (Abrandkraut, Hartkraut) haben