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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Assyrien

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Assyrien (Geschichte).

dauernd unterjocht, und Ägypten behauptete unter Psammetich seine Unabhängigkeit. Gegen Ende seiner Regierung begannen die gefährlichen Einfälle der Skythen. A. starb 626 (625). Er legte im Palast seines Großvaters Sanherib zu Ninive, wo er sich selbst einen Palast mit besonders schönen Reliefs baute, eine große Bibliothek an, welche aus Tausenden von beschriebenen Thontäfelchen bestand, teilweise Kopien der altchaldäischen Bibliothek des Königs Sargon I. von Babylon; dieselben enthalten in Keilschrift historische, chronologische und geographische Aufzeichnungen, Lieder, Hymnen, mathematische und astronomische Notizen etc., wurden von Layard entdeckt und befinden sich jetzt zum Teil im Britischen Museum zu London. Vgl. G. Smith, History of A. from cuneiform inscriptions (Lond. 1871, enthält 3000 Zeilen in Keilschrift).

Assyrien, im engsten und ursprünglichen Sinn die von dem semitischen Stamm der Assyrer bewohnte Ebene zwischen Tigris und dem Großen Zab um Ninive, welche bei den Eingebornen selbst Assur (s. d.) hieß. Später wurde darunter alles Land zu beiden Seiten des Tigris und am Fuß der Gebirge bis zum Dialas südwärts verstanden, und noch weitere Ausdehnung erhielt der Name, wenigstens bei den Ausländern, durch die großen Eroberungen der assyrischen Könige, welche schon seit dem 13. Jahrh. v. Chr. den Tigris abwärts bis zum Persischen Meerbusen, im 11. den Tigris aufwärts gegen W. bis zum obern Euphrat, im 10. über das östliche Kleinasien und im 8. Jahrh. bis an die östlichen Küsten des Mittelmeers reichten. Die Griechen verstanden unter A. meist das syrische Küsten- und das untere Euphrat-Tigrisland mit, ja beschränkten zuweilen den Namen auf letzteres. Das eigentliche A. ist eine räumlich beschränkte, fruchtbare, durch viele Gebirgsbäche bewässerte Ebene, die indessen an Reichtum sich mit Babylon nicht messen kann und von niedern Höhenzügen vielfach durchschnitten ist. Der Muschelkalk desselben und große Thonlager lieferten gutes Baumaterial, die nahen Gebirge Marmor, Alabaster, Silber, Kupfer, Blei und Eisen, wodurch Baukunst und Skulptur mächtig gefördert wurden. Die wichtigsten Städte waren Assur (bei Xenophon Känä), Kalach, Ninua oder Ninive, sämtlich am Tigris gelegen, und Arbela (das jetzige Erbil), zwischen den beiden Flüssen Zab.

Unsre Kenntnis der assyrischen Geschichte ist durch die Entzifferung der Keilinschriften einigermaßen aufgeklärt. Die Überlieferung der Griechen von der Gründung des assyrischen Reichs und seiner Hauptstadt Ninive durch Ninos (s. d.) und den Eroberungszügen seiner kriegerischen Witwe, der Halbgöttin Semiramis (s. d.), der weichlichen Herrschaft ihres Nachfolgers Ninyas und der Derketaden ist eine Sage medisch-persischen Ursprunges. Die ältesten Bewohner Assyriens gehörten wie die Babylons dem nichtsemitischen Volk der Sumerier (s. d.) oder Akkadier an. Nachdem die Semiten im südlichen Euphrat- und Tigrisland, in Babylon, zur Herrschaft gelangt waren, drangen sie auch nach dem obern Flußgebiet vor. Um 1900 v. Chr. gründeten sie unter Samsi-Bin, Sohn des Ismidagon, auf dem rechten westlichen Ufer des Tigris die Stadt Assur (jetzt Ruinen von Kalat Schirgath), welche sie so nach dem Beinamen des babylonischen Gottes El, "der Gütige", benannten; auch Ninua mit einem Tempel der Göttin Istar wurde schon damals gegründet, aber erst viel später Hauptstadt. An der Spitze des Landes stand ein Statthalter oder Vizekönig (Patis) des babylonischen Herrschers. Um 1500 riß sich A. von Babylon los und machte sich unabhängig, entwickelte sich aber nur langsam zu größerer Macht. Salmanassar I. (um 1300) erbaute eine neue Residenz, Kalach, am Ostufer des Tigris (heute Nimrud), kämpfte mit Glück gegen Babylon und erweiterte das Reich nach Norden. Tiglath Pilesar I. (1130-1100), "der Begünstigte Assurs", eroberte Mesopotamien und das südliche Armenien, bekämpfte erfolgreich Babylon und drang über den Euphrat bis zur syrischen Küste des Mittelmeers vor. Einen großen Aufschwung nahm das Reich unter Assurnasirpal (883-860), der viele Kriegszüge unternahm und bereits den Phönikern Tribute auferlegte, ferner Kalach neu gründete und den Nordwestpalast daselbst erbaute, und seinem Sohn Salmanassar II. (860-825), der 25mal den Euphrat überschritt und zuerst in Medien und Persien einfiel. In seinen Inschriften werden auch die Könige Ahab und Jehu von Israel erwähnt. Die Nachfolger hatten genug zu thun, das Erworbene zu behaupten und das Reich zu befestigen. Tiglath Pilesar II. (745-727), der von den Hebräern in zwei Könige, Phul und Tiglath Pilesar, zerlegt wird, unterwarf nicht nur die unter der schwachen Regierung seiner Vorgänger abgefallenen Völker wieder, sondern erweiterte noch den Umfang des Reichs: er eroberte Babylon, ganz Armenien und einen großem Teil Mediens, nahm 732 Damaskus und zwang die Könige von Israel und Juda, ihm zu huldigen und Tribut zu zahlen. Seine Kriegszüge dehnte er im Süden und Westen bis Arabien und bis zur ägyptischen Grenze, in Kleinasien bis nach Kappadokien, in Iran bis Arachosien aus. Unter ihm ward A. wirklich eine Weltmacht. Unter Salmanassar IV. (727-722) empörten sich, auf die Hilfe Ägyptens vertrauend, die Philister, Phöniker und Hosea von Israel; Salmanassar unterdrückte aber den Aufstand, nahm die Küstenstädte, belagerte Tyros, freilich vergeblich, und schloß Samaria ein, das sich aber erst seinem Nachfolger Sargon (722-705) ergab. Dieser schlug die Ägypter 720 bei Raphia zurück, eroberte Kypros und unterwarf selbst einen Teil Arabiens; auch warf er einen Aufstand der Meder unter Dajauku (Dejokes) nieder und unterjochte von neuem Babylon. Nordnordöstlich von Ninive erbaute er sich eine neue Residenz, Dur-Sarrukin (Chorsabad). Sanherib (705-681) hatte mit einem Aufstand der Babylonier und einer von den Ägyptern unterstützten Erhebung Hiskias' von Juda zu kämpfen. Seine schweren Verluste in der Schlacht bei Altaku (701) gegen Tirhaka von Ägypten zwangen ihn aber, die Belagerung Jerusalems aufzuheben und auf einen Teil der Eroberungen in Syrien zu verzichten. Dagegen vollendete er die Unterwerfung Kilikiens. Auf Sanherib, der von zwei seiner Söhne ermordet wurde, folgte nach deren Besiegung ein dritter Sohn, Asarhaddon (681-668), der nicht nur die Herrschaft über Iran, Babylon, Syrien und Arabien behauptete, sondern auch 672 Ägypten eroberte und es durch 20 Vasallenfürsten verwalten ließ. Als Zeugnis seines Siegeszugs ließ er an einem Felsen bei Beirut sein Bildnis mit Inschrift einmeißeln und begann den Bau des Südwestpalastes in Nimrud, der aber unvollendet blieb. Sein Sohn Assurpanibal (668 bis 626) zwang Lydien zur Huldigung und Zahlung von Tribut, verlor aber während eines Aufstandes seines Bruders Samas sum ukin in Babylon 650 Ägypten. Zwar warf er 633 einen neuen Aufstand der Meder unter Phraortes nieder; aber schon brachen die Skythen und Kimmerier ein, und unter den drei letzten Königen, deren Reihenfolge nicht feststeht,