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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Atmosphäre

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Atmosphäre (Elektrizität, chemische Beschaffenheit).

werden sich auch neue Nebelbläschen bilden, so daß alle Zwischenstufen von einer bestimmten Grenze der Dicke an bis zu den feinsten Bläschen herab gleichzeitig in der Luft schweben und die verschiedenen Farben hervorbringen, die sich zu einer weißlichen Färbung vereinigen und das reine Blau des Himmels trüben. Diese Erklärung stimmt vollkommen mit der Beobachtung überein, daß die blaue Färbung des Himmels im Zenith am stärksten ist und nach dem Horizont zu heller wird, sowie daß der Himmel auf den Gipfeln hoher Berge dunkler als in den Ebenen erscheint. Ebenso ist daraus erklärlich, daß in wärmern Ländern die Farbe des Himmels tiefer blau ist als in solchen, welche den Polen näher liegen, und daß bei gleicher geographischer Breite der Himmel der Binnenländer blauer ist als auf dem Meer oder in den Küstenländern. Saussure, Parrot und Arago haben Instrumente konstruiert, mit denen man das Blau des Himmels messen kann. Über diese Instrumente s. Cyanometer.

[Elektrizität.] Bei jeder Witterung und Temperatur enthält die A. Elektrizität, deren Intensität zunimmt mit der Erhebung in der A. Sämtliche meteorologische Erscheinungen, welche durch die atmosphärische Elektrizität hervorgerufen werden, bezeichnet man mit dem Namen Elektrometeore (s. d.). Bei heiterm, unbewölktem Himmel ist die Luftelektrizität stets positiv. Sehr stark ist die Luftelektrizität bei Nebeln und zwar bis auf wenige Ausnahmen ebenfalls positiv. Im allgemeinen wächst die Stärke der atmosphärischen Elektrizität mit der Dichtigkeit der Nebel. Auch der Niederschlag des Taues ist stets von einer starken Elektrizität begleitet. Fast alle atmosphärischen Niederschläge, wie Regen, Schnee, Hagel, zeigen sich bald mehr, bald weniger elektrisch und zwar meistens stärker als der unbewölkte Himmel. Es zeigt sich hier ungefähr ebenso oft positive wie negative Elektrizität. Am schwächsten ist der Regen elektrisch, wenn er anhaltend und gleichmäßig in kleinen Tröpfchen niederfällt. Der tägliche Gang der Luftelektrizität bei heiterm Wetter ist nach Schübler etwa folgender. Bei Sonnenaufgang ist die atmosphärische Elektrizität schwach und nimmt mit steigender Sonne, während sich gleichzeitig die in den tiefern Luftschichten schwebenden Dünste vermehren, langsam zu, bis sie im Sommer bis gegen 6 und 7 Uhr, im Frühling und Herbst bis gegen 8 und 9 Uhr, im Winter bis gegen 10 und 11 Uhr ihr Maximum zu erreichen pflegt. Gleichzeitig sind die untern Luftschichten oft sehr dunstig, der Taupunkt liegt höher als bei Sonnenaufgang, und in kälterer Jahreszeit tritt oft wirklicher Nebel ein. Auf diesem Maximum bleibt die Elektrizität gewöhnlich nur kurze Zeit und nimmt wieder ab, während die dem Auge sichtbaren Dünste in den untern Luftschichten verschwinden, bis sie einige Stunden vor Sonnenuntergang, im Sommer zwischen 4 und 6 Uhr, im Winter gegen 3 Uhr, ein Minimum erreicht, in welchem sie etwas länger verharrt als im Maximum. Mit Sonnenuntergang nimmt die Luftelektrizität wieder rasch zu, während sich gleichzeitig die Dünste in den untern Schichten der A. wieder vermehren, erreicht 1½-2 Stunden nach Sonnenuntergang ihr zweites Maximum und sinkt dann wieder bis zu einem Minimum kurz vor Sonnenaufgang. In den untern Luftschichten ist die positive Elektrizität um so stärker, in je größerer Menge sich Wasserdünste niederschlagen; am stärksten ist sie in der kalten Jahreszeit, wo Dünste und Nebel oft lange die untern Luftschichten erfüllen, am schwächsten in den heißen Sommermonaten, wo dies seltener der Fall ist, und wo die untern Luftschichten gewöhnlich eine größere Klarheit und Durchsichtigkeit besitzen. Durch lebhafte Winde werden die täglichen Perioden der Luftelektrizität sehr verwischt. Die Elektrizität der Wolken und der aus ihnen erfolgenden Niederschläge zeigt einen merkwürdigen Gegensatz zur Elektrizität der untern Luftschichten, indem der Regen in den Sommermonaten stärker elektrisch ist als in den kältern Jahreszeiten. Über den Ursprung der atmosphärischen Elektrizität wissen wir zur Zeit nichts Bestimmtes. Pouillet nahm an, daß die Luftelektrizität durch die Verdampfung des Wassers und durch das Wachstum der Pflanzen erzeugt werde; doch geht aus den Versuchen von Rieß und Reich hervor, daß diese Annahme nicht experimentell begründet werden kann. Später hat Peltier die Ansicht ausgesprochen, welcher auch Lamont beigetreten ist, daß die Erzeugung der atmosphärischen Elektrizität der Einwirkung einer permanenten negativen Ladung des Erdballs zuzuschreiben sei. Die Verschiedenheiten in der elektrischen Spannung werden bei dieser Annahme durch die Erhöhungen auf der Erdoberfläche und durch den in der A. befindlichen Wasserdampf hervorgerufen. In neuester Zeit ist man wieder mehrfach auf die zuerst von Winkler ausgesprochene Ansicht zurückgekommen, daß die Luftelektrizität eine Folge der bei der Verdunstung des Wassers an der Erdoberfläche entstehenden Reibung sei.

[Chemische Beschaffenheit.] Nach ihrer chemischen Beschaffenheit ist die A. im wesentlichen ein Gemisch von Sauerstoff mit Stickstoff, wenig Kohlensäure und Wasserdampf. Alle Untersuchungen haben ergeben, daß die Luft eine nahezu konstante Zusammensetzung habe, für welche sich aus zahlreichen Analysen folgende Mittelwerte in Volumprozenten ergeben:

^[Liste]

Sauerstoff 20,96 = 23,17 Gewichtsprozent

Stickstoff 79,00 .

Kohlensäure 0,04 .

100,00 .

Die Veränderung in diesen Verhältnissen ist mannigfach. So wird zunächst der Gehalt an Sauerstoff gewissen Schwankungen unterworfen sein, deren Größe aus folgenden Zahlen ersichtlich ist:

^[Liste]

Luft an der Seeküste und auf offenen Heideland 21,00

" auf der Spitze des Montblanc 20,96

" in Chamonix 20,89

" im Schlafzimmer morgens 20,74

" im Parterre eines Theaters (11 Uhr abends) 20,74

" in großen Bergwerksräumen 20,77

" in Schächten 20,42

" im Zimmer einer Elementarschule 20,65

" in einem geschlossenen Stall 20,39

" in demselben Stall, gelüftet 20,71

" in Sümpfen 20,14

" in welcher Kerzen verlöschen 18,59

" in der man für einige Minuten schwer aushalten kann 17,20

Aus den neuesten Untersuchungen von Jolly ergibt sich, daß der Polarstrom, wenn anhaltend, einen höhern, der Äquatorialstrom einen niedrigern Prozentgehalt an Sauerstoff hervorruft. Auch ist bekannt, daß Sauerstoff über faulenden Substanzen absorbiert wird, während ihn Kohlensäure (CO2) ^[(CO_{2})] und andre Gase ersetzen. Die sogen. schlechte Luft beginnt nach Smith ("On the composition of the atmosphere") mit 20,6 Proz. Sauerstoff. Der Einfluß, welchen die atmosphärische Luft auf das Wohlbefinden und die Gesundheit der Menschen ausübt, ist, außer von ihrer Zusammensetzung, auch von ihrem Gehalt an Ozon (einer allotropischen Modifikation des Sauerstoffs) abhängig. Vgl. Ozon.