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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Atmung

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Atmung (Haut-, Darm-, innere A.; A. der Pflanzen).

man aber durch den obern, noch mit dem Gehirn zusammenhängenden Stumpf des Nervs elektrische Reize, so beobachtet man bei mäßiger Reizung eine Beschleunigung der Respirationsbewegungen, bei stärkerer Reizung aber erfolgt Tetanus der Respirationsmuskeln, also Stillstand der A.; speziell beobachtet man hierbei Tetanus an dem inspiratorisch kontrahierten Zwerchfell (Inspirationstetanus). Nach der Durchschneidung beider Vagi nimmt man auf elektrische Reizung der zentralen Stümpfe ganz ähnliche Erscheinungen wahr.

Die Erregung des Zentrums durch den Vagus läßt man vom Ausdehnungszustand der Lungen abhängig sein. Hering und Breuer konnten nämlich durch künstliches Aufblasen der Lungen mit Luft sofort eine Exspirationsbewegung auslösen, während sie durch Ansaugen von Luft aus den Lungen sogleich eine Inspiration erhielten. Nach der Durchschneidung der Vagi kamen diese Erscheinungen in Wegfall, und die Genannten schlossen deshalb, daß jede Inspiration einen Reiz für eine Exspiration, jede Exspiration aber wieder einen Reiz für eine neue Inspiration abgebe, und daß diese beiden Reize durch die Bahnen der Vagi vermittelt würden, die deshalb inspiratorische und exspiratorische Fasern besitzen müßten. Die ganze Erscheinung wird als die Selbststeuerung der A. bezeichnet.

Hautatmung nennt man den durch die Oberhaut vermittelten Gaswechsel. Der Effekt desselben ist bei den Säugetieren im Verhältnis zur Lungenatmung nur sehr gering. Bei der Hautatmung handelt es sich um die Ausscheidung von Kohlensäure und Wasser und um die Aufnahme von Sauerstoff, indessen hat die Ausscheidung ein bedeutendes Übergewicht über die Aufnahme. Die in 24 Stunden durch die Haut des Menschen zur Ausscheidung gebrachte Kohlensäuremenge schwankte bei verschiedenen Beobachtern zwischen 2,23 und 32,08 g. Die Hautatmung, welche man im Gegensatz zur Respiration als Perspiration bezeichnet, übertrifft bei den niedern Tieren, z. B. bei Fröschen, die Lungenatmung an Umfang. Frösche vermögen noch nach Entfernung der Lungen zu leben und nehmen dann ungefähr ebensoviel Sauerstoff auf wie früher. Da überfirnißte Tiere schnell zu Grunde gehen, so hat man der Hautatmung früher eine große Rolle zugeschrieben, und man hat sich gedacht, daß nach Sistierung derselben der Tod durch Zurückhaltung eines schädlichen Auswurfsstoffs bedingt werde. Neuere Untersuchungen haben nachgewiesen, daß es sich hier um eine tödliche Abkühlung handelt, dadurch herbeigeführt, daß die nach dem Firnissen auftretende bedeutende Blutfüllung der Haut die Wärmeabgabe außerordentlich vermehrt.

Darmatmung nennt man den durch die Schleimhaut des Verdauungsapparats bewirkten Gasaustausch. Wir treffen im Verdauungsapparat ein Gemisch von Stickstoff, Kohlensäure und Sauerstoff an, ersteres Gas in der Regel in größter, letzteres in kleinster Menge. Diese Gase sind mehrfachen Ursprungs; Sauerstoff und Stickstoff sind auf verschluckte atmosphärische Luft zurückzuführen, während die Kohlensäure teilweise den Gärungsprozessen innerhalb des Verdauungsapparats, teilweise Diffusionsvorgängen zwischen Blut und Inhalt des Verdauungsapparats ihr Vorhandensein verdankt. Der verschluckte Sauerstoff wird vom Blut absorbiert, für diesen gelangt Kohlensäure in den Verdauungsapparat zurück. Die Darmatmung hat bei den Säugetieren einen noch viel geringern Umfang als die Hautatmung, spielt dagegen bei manchen niedern Tieren und auch bei einigen Fischen, z. B. dem in morastigen Gewässern lebenden Schlammbeißer (Cobitis fossilis), eine große Rolle.

b) Innere A. Hierunter versteht man den Verkehr zwischen den Gasen des Bluts und den Geweben, wodurch die Umwandlung des arteriellen Bluts in venöses erfolgt. Der Vorgang ist noch in Dunkel gehüllt; man kann nämlich entweder den Herd der innern A. in das Blut verlegen und in ihm den Sauerstoff sich verbrauchen und die Kohlensäure sich bilden lassen, oder aber annehmen, daß die Gewebe dem Oxyhämoglobin den Sauerstoff entziehen und die Kohlensäure in das Blut eintreten lassen. Zu gunsten der ersten Anschauung spricht besonders die außerordentliche Schnelligkeit, mit der das Blut seinen Sauerstoff innerhalb des Kapillargebiets verliert, während doch die Absorptionskoeffizienten der Gewebe für Sauerstoff außerordentlich klein sind. Außerdem ist es bekannt, daß nicht allein die in den Geweben als Lymphe vorhandene Flüssigkeit entweder gar keinen oder nur sehr minimale Mengen von Sauerstoff enthält, sondern daß auch die Kohlensäurespannung der Lymphe weit geringer als diejenige des Bluts ist.

Hinsichtlich der A. fremder Gasarten ist ermittelt, daß Wasserstoff, mit der nötigen Menge Sauerstoff gemischt, längere Zeit ohne Nachteil eingeatmet werden kann, während er bei Abwesenheit von Sauerstoff schnell Erstickung herbeiführt. Giftige Gase, die durch ihre Aufnahme in das Blut schädliche oder tödliche Veränderungen erzeugen, sind: Kohlenoxyd, Stickstoffoxyd, Cyanwasserstoff, Schwefelwasserstoff, Phosphorwasserstoff, Arsenwasserstoff u. a. Berauschend und betäubend wirken: Stickoxydul, ölbildendes Gas, Kohlensäure. Von irrespirabeln Gasen, d. h. von solchen, welche Stimmritzenkrampf bewirken, seien genannt: Chlorwasserstoffsäure, Fluorwasserstoffsäure, Untersalpetersäure, schweflige Säure, Chlor, Ammoniak.

[Atmung der Pflanzen.] Bei den Pflanzen findet, wie bei den Tieren, sowohl bei Tag als in der Nacht A. statt; sie besteht in der Wechselwirkung zwischen dem Sauerstoff der Atmosphäre und den organischen Verbindungen des Pflanzenkörpers. Hierbei bilden sich als letzte Produkte der A. Kohlensäure und Wasser. Bei Entziehung der Sauerstoffzufuhr hören zunächst die das Wachstum einleitenden molekularen Bewegungen in den Pflanzenzellen auf, die Strömungen des Protoplasmas, die periodischen Bewegungen der Blätter werden sistiert, und die reizbaren Organe verlieren ihre Empfindlichkeit. Dauert diese Unterbrechung der Lebensthätigkeit längere Zeit, so tritt der Zustand der intramolekularen A. ein, d. h. die Pflanze fährt auf Kosten ihrer eignen Substanz fort, aus Kohlenstoff- und Sauerstoffmolekülen Kohlensäure zu bilden; daneben treten, ähnlich wie bei der Gärung, kleine Mengen von Alkohol aus. Zuletzt sterben die so behandelten Pflanzen aus Mangel an Sauerstoff den Erstickungstod. Die normale A., welche als hauptsächliche Kraftquelle der Lebensbewegungen sowohl für die grünen Pflanzen als die chlorophylllosen Schmarotzer und Pilze jederzeit notwendig ist, tritt bei den Chlorophyllpflanzen insofern versteckt auf, als dieselben behufs ihrer Ernährung unter dem Einfluß des Sonnenlichts Kohlensäure zersetzen und Sauerstoff ausscheiden. Da dieser Assimilationsprozeß energischer verläuft als die A., so verdeckt er bei Tag die trotzdem stattfindende A., welche erst während der Dunkelheit rein hervortritt. Besondere Atmungswerkzeuge fehlen den Pflanzen, vielmehr