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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Aussauern; Ausscheidung; Ausschießen; Ausschiffen; Ausschlag

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Aussauern - Ausschlag.

halten. Die für sie bestimmten Kapellen hatten einen abgesonderten Platz, der nur durch eine kleine Öffnung mit der übrigen Kirche zusammenhing; das Abendmahl wurde denselben am Werkeltag in ihrer "verordneten" Kapelle gereicht. Das Heiraten war den Sondersiechen ganz untersagt, und Pippin schon hatte den A. 757 als Ehescheidungsgrund aufgestellt mit der Erlaubnis zur Wiederverheiratung für den gesunden Teil. Diese letztern Angaben deuten darauf hin, daß man schon vor alters an die Kontagiosität und an die Erblichkeit des Aussatzes glaubte. Während aber letztere nicht bezweifelt werden kann, sieht man gegenwärtig die Krankheit nicht mehr als ansteckend an. Sie wird übrigens häufiger ererbt, als daß sie spontan entsteht. Daniellsen und Boeck nehmen nach Untersuchungen, welche dieselben an 213 Individuen im St. Jürgenhospital zu Bergen angestellt, an, daß die Krankheit bei 185 ererbt und nur bei 28 spontan entstanden sei. Im J. 1882 hat die Untersuchung der Lepraknoten durch Hansen und Neißer stäbchenförmige Bakterien in denselben ergeben, welche mutmaßlich als die nächsten Vermittler des Kontagiums anzusehen sind und dem A. seine Stellung unter den Infektionskrankheiten anweisen. Das Alter, in welchem der A. gewöhnlich zuerst ausbricht, ist das zweite Lebensjahrzehnt; er zeigt sich dann am meisten zwischen 20-30 Jahren. Nach dem 60. Jahr ist die Krankheit von den genannten Forschern niemals beobachtet worden.

Die Behandlung des Aussatzes bezog sich neben den prophylaktischen bereits genannten Maßregeln der Isolierung und Verhinderung der Fortpflanzung und erblichen Übertragung von jeher hauptsächlich auf die Diät, auf Hautpflege durch Bäder, die mit allerlei Zusätzen von aromatischen und andern Stoffen versetzt wurden, auf Einreibungen und Überschläge von erweichenden und zerteilenden Mitteln, auf Verbände der Geschwüre mit balsamischen, reizenden Salben. Innerlich wurden die verschiedensten Mittel gereicht, aber, wie es scheint, mit sehr geringem Erfolg. Der Volksglaube hoffte alles von der Wirkung übernatürlicher Mittel, so namentlich von einem unmittelbaren Eingreifen Gottes, wie zahlreiche Legenden bezeugen, und von dem Blut unschuldiger Kinder: höchste Reinheit sollte höchste Unreinheit heilen. Die bekannteste hierher gehörige Legende ist der "Arme Heinrich" Hartmanns von Aue. Neuere Schriftsteller rühmen als Mittel gegen den A. den Gebrauch von Jodkalium bei guter, kräftiger Nahrung.

Vgl. Hensler, Vom abendländischen A. im Mittelalter (Hamb. 1794); Sprengel, Beiträge zur Geschichte der Medizin, Bd. 1, St. 1, S. 220 (Halle 1795); Häser, Lehrbuch der Geschichte der Medizin und der epidemischen Krankheiten, Bd. 2 (3. Aufl., Jena 1880). Über die norwegische Spedalskhed vgl. Daniellsen und Boeck, Traité de la Spédalskhed ou Elephantiasis des Grecs (mit Atlas, Par. 1847); die historischen Abhandlungen in Virchows "Archiv", Bd. 18-22: "Zur Geschichte des Aussatzes und der Spitäler, besonders in Deutschland", und Virchow, Krankhafte Geschwülste, Bd. 2 (Berl. 1864).

Aussauern, in der Botanik, s. Versauern.

Ausscheidung, in der Botanik, s. Absonderung.

Ausschießen des Windes, das Umgehen des Windes in der Richtung des Laufs der Sonne, also auf der nördlichen Halbkugel von O. nach S., W., N., auf der südlichen von O. nach N., W., S. Beim Vorüberziehen barometrischer Depressionen haben alle Orte, die in den Wirkungskreis derselben fallen und auf der äquatorialen Seite der Bahn des Wirbelzentrums liegen, A., wogegen an der polaren Seite dieser Bahn Krimpen (s. d.) herrscht. Die Zentrumsbahnen der meisten barometrischen Depressionen, welche die Winde Mitteleuropas beeinflussen, verlaufen nördlich davon, weshalb bei uns auch das Ausschießen der Winde viel häufiger als das Krimpen vorkommt. Hierauf gründet sich Doves Drehungsgesetz, welches somit nur beschränkte Gültigkeit hat, jedoch für beide gemäßigte Zonen zutrifft.

Ausschiffen, Personen von Bord an Land schaffen (während Güter gelöscht werden). Der Ausdruck A. wird seit 1866, namentlich 1870 auch dienstlich auf Militäreisenbahnzüge angewendet.

Ausschlag (griech. Exanthema, "Blüte") bezeichnet eigentlich nur die mit Rötung verbundenen Hautkrankheiten, im weitern Sinn aber auch alle andern Formen, selbst die durch Blasenbildung ausgezeichneten, so daß A. hier gleichbedeutend ist mit Hautkrankheit überhaupt. Als akute Exantheme oder als Ausschlagskrankheiten bezeichnet man Masern, Scharlach, Ritteln, Nesselfieber. Der A. beim Unterleibstyphus heißt Roseola, beim Flecktyphus Petechien, bei den Pocken zuerst Papeln, dann Pusteln; mit A. verbunden sind ferner einige Allgemeinkrankheiten, die auf Pilzwucherung beruhen, wie manche Herzklappenentzündungen, Blutfleckenkrankheiten und andre, ihrem Wesen nach noch dunkle Leiden. Vgl. die einzelnen Artikel. - Bei den Tieren steht nur ein kleiner Teil der zum A. gezählten Hautaffektionen mit innern Krankheiten im Kausalnexus (skrofulöse Exantheme). Die wichtigsten Ausschlagskrankheiten der Haustiere werden durch tierische (Räude oder Krätze) oder pflanzliche Parasiten (Flechten) verursacht. Sonst entsteht A. bei Tieren durch mangelhafte Hautpflege oder durch längere Einwirkung einer höhern Temperatur der Atmosphäre. Für die Beurteilung des Ausschlags ist einmal die spezielle Ursache, dann aber besonders der Grad der entzündlichen Veränderungen in der Haut maßgebend. Zur Behandlung ist auf sorgfältige Reinigung der Haut durch Waschen mit ½-1 Proz. Pottaschelösung und Abreibung der Haut mit kaltem Wasser oder Spiritus Gewicht zu legen. Daneben ist das Bestreichen der wunden Hautstellen mit mildem Fett oder Glycerin am Platz. In vielen Fällen kann der Erfolg einer solchen Behandlung durch das Abscheren des Deckhaars wesentlich gefördert werden.

Bei den Pflanzen nennt man Ausschlag krankhafte Erscheinungen, bei welchen auf der Oberfläche, zumeist der Blätter und Stengel, Flecke von rötlicher, gelber, schwarzer oder weißer Farbe in Form von Pusteln, Blasen, Schorf oder Staubmasse erscheinen und daher an die Hautausschläge des menschlichen und tierischen Körpers entfernt erinnern. Von sehr vielen Gewächsen mit grünen Blättern, Kräutern sowohl als Holzpflanzen, sind solche Ausschlagskrankheiten bekannt; eine jede hat ihre besondere Form, manchen Pflanzen sind auch mehrere Formen zugleich eigen. Pflanzenteile, die mit Exanthemen behaftet sind, behalten dieselben dauernd, und wo solche irgend reichlich auftreten, macht sich auch ein allgemeiner Krankheitszustand an ihnen bemerklich, indem die betreffenden Pflanzenteile mehr oder weniger gelb werden, abfallen oder absterben. Alle Ausschläge werden verursacht durch Schmarotzerpilze, welche im Innern der betreffenden Pflanzenteile vegetieren und, indem sie von deren Säften zehren, die Ursache des allgemeinen Krankheitszustandes dieser Teile werden. Die Exantheme selbst aber sind die durch die Oberhaut der Pflanzen hervorwachsenden Fortpflanzungsorgane