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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Australien

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Australien (Kolonisten; Erwerbszweige).

ihm 1770 entdeckte Ostküste Australiens die englische Regierung, hier eine Verbrecherkolonie zu gründen, und 20. Jan. 1788 landete der erste Gouverneur, Kapitän Arthur Phillip, mit 11 Schiffen, 757 Sträflingen und 200 Soldaten in der Botanybai, die aber sogleich für eine Niederlassung als völlig untauglich erkannt und mit dem nahen Port Jackson vertauscht wurde. Dort legte Phillip 26. Jan. den Grund zur Stadt Sydney. In den ersten Jahren hatte die Kolonie, welche selbst für ihren Lebensunterhalt fast ausschließlich aus Zufuhren vom Mutterland angewiesen war, mit vielen Widerwärtigkeiten zu kämpfen. Als sich aber allmählich eine freie Bevölkerung teils durch Freilassung der Sträflinge, teils auch durch Einwanderung bildete, hob sich die Ansiedelung schnell, namentlich nachdem man die Wichtigkeit des Landes für die Viehzucht erkannt hatte. An solche, welche sich in der Kolonie niederzulassen beabsichtigten, wurden große Landstrecken verteilt; auch entlassene Sträflinge wurden mit solchen Schenkungen bedacht. Den freien Ansiedlern ward als Hilfe die billige Sträflingsarbeit zugewiesen. Um die zu große Anhäufung des verbrecherischen Elements zu verhüten, wurden von Sydney aus besondere Sträflingskolonien angelegt: auf der Insel Norfolk, bei Port Macquarie, an der Moretonbai, auf Vandiemensland bei dem jetzigen Hobart, in Westaustralien am King George-Sund. Auf der Insel Melville wurde 1824 Fort Dundas, bei Port Raffles 1827 Fort Wellington, bei Port Essington 1837 Victoria angelegt; diese drei Niederlassungen sind aber nach kurzem Bestehen wieder aufgegeben worden. Größere Kolonisationsversuche wurden im W. und S. gemacht. Zwar konnte die 1829 am Schwanenfluß gegründete Kolonie Westaustralien keine großen Erfolge aufweisen, dafür waren aber Südaustralien und Victoria um so glücklicher. In dem erstern machte 1836 die Südaustralische Kolonisationsgesellschaft in London den Versuch, durch den Verkauf von Land die Mittel zur Überführung von Armen aus England zu gewinnen. Das Problem wurde nach einigen Fehlschlägen im Anfang schließlich sehr befriedigend gelöst. In dem Gebiet von Victoria, welches damals den Namen Port Phillip-Distrikt (zu Neusüdwales gehörig) führte, ließen sich schon 1834 Herdenbesitzer aus Vandiemensland nieder, das 1824 zu einer selbständigen Kolonie erhoben worden war. Die wachsende Wichtigkeit der Ansiedelung führte 1851 zu ihrer Ablösung als Kolonie Victoria. Aus dem nördlichen Teil von Neusüdwales wurde 1859 die Kolonie Queensland gebildet und 1863 das nördlich von Südaustralien bis zum Indischen Ozean gelegene Gebiet, Alexandraland und Nordterritorium, der Kolonie Südaustralien einverleibt, so daß das Gesamtareal des Kontinents jetzt unter fünf Kolonien verteilt ist. (S. die Tabelle, S. 144.) Keine dieser Kolonien nimmt jetzt Deportierte auf. Im Anfang waren in Neusüdwales wie in Tasmania die Sträflinge von großem Nutzen zur Herstellung der ersten Anlagen von Gebäuden, Wegen, Urbarmachung des Landes. Aber mit dem Wachsen der freien Bevölkerung machte sich eine steigende Abneigung gegen eine Fortdauer der Einführung von Verbrechern geltend, zumal die durch freie Ansiedler gegründeten Niederlassungen den Beweis lieferten, daß für das Gedeihen der australischen Kolonien die Existenz von Sträflingen durchaus nicht notwendig sei. In Neusüdwales nahm die Deportation 1848, in Vandiemensland (das seinen Namen 1856 in den von Tasmania umänderte) 1853 ein Ende. Westaustralien, das von freien Einwanderern gegründet war, sich aber 1850 um Sträflinge bewarb, mußte auf Andrängen der übrigen Kolonien die Deportation 1868 einstellen. Die oben erwähnte Sträflingskolonie bei Albany war schon bei der Gründung der Kolonie Westaustralien aufgehoben worden.

Die Nationalität der Kolonisten ist fast ausschließlich die britische: in der Mehrzahl Engländer, dann Irländer, Schotten. Von andern Europäern sind am stärksten die Deutschen vertreten, von denen 1881 als in Deutschland geboren gezählt wurden in Südaustralien 8801, in Queensland 11,638, in Victoria 8571, in Neusüdwales 7521, in Tasmania 782, in Westaustralien 71, in Neuseeland 4819, in allen australischen Kolonien also 42,203 Individuen. Durch die Goldentdeckungen wurden viele Chinesen ins Land gezogen, namentlich nach Victoria und Neusüdwales, in neuester Zeit nach Queensland und nach dem zu Südaustralien gehörigen Nordterritorium; ihre früher viel größere Gesamtzahl in allen sieben australischen Kolonien belief sich 1881 auf 43,706 Seelen, wovon nur 362 Frauen. Südseeinsulaner sind für die Zucker- und Baumwollkultur nach Queensland importiert worden (1881 gab es 6396), oft durch Mittel, welche den schärfsten Tadel verdienen. In den letzten Jahren hat sich nach dem Vorgang der Vereinigten Staaten auch in A. eine starke Bewegung gegen die Einwanderung von Chinesen in Queensland, wo man dieselben mit höhern Abgaben belegt als andre, und auch in Victoria und Neusüdwales geltend gemacht. In Victoria erhob man früher eine Kopfsteuer von jedem das Land betretenden Chinesen. Das Verhältnis der Geschlechter ist noch immer ein sehr ungleiches, indem in allen Kolonien die männliche Bevölkerung bei weitem überwiegt. Von der Gesamtbevölkerung der sieben Kolonien (1881: 2,815,924) waren 1,526,121 männlichen und 1,289,803 weiblichen Geschlechts, es kamen also auf 100 Männer 84,5 Frauen (in Westaustralien sogar nur 71,4). Indes gleicht sich dies Verhältnis mehr und mehr aus. Die früher sehr starke Einwanderung hat in den letzten Jahren bedeutend nachgelassen; 1881 belief sich der Überschuß der Einwanderung über die Auswanderung auf 43,085 Seelen. In sämtlichen sieben australischen Kolonien sind von 1825 bis 1882: 1,437,210 Personen eingewandert. Dazu kommt ein sehr bedeutender Geburtenüberschuß, welcher sich in den letzten neun Jahren auf 91 Proz. (Tasmania) bis 229 Proz. (Neuseeland) bezifferte. Die bedeutendsten Städte sind (1881) Melbourne 282,947, Sydney 224,211, Adelaide 67,954, Dunedin 42,794, Ballaarat 41,087, Sandhurst 38,420, Brisbane 31,109, Auckland 30,952, Christchurch 30,715, Hobart 27,248, Geelong 20,682, Wellington 20,563 Einw. Vgl. auch die Angaben über A. bei unserm "Bevölkerungsstatistischen Kärtchen".

Gewerbe und Handel.

Die Haupterwerbszweige sind ihrer Wichtigkeit nach Viehzucht, Berg- und Ackerbau; die gewerbliche Thätigkeit ist dagegen gering, beginnt aber aufzublühen. Für die Viehzucht bietet A. durch die Beschaffenheit des Bodens, die Natur der Wälder und Ebenen, die Milde des Klimas, das Fehlen aller Raubtiere (mit Ausnahme des Dingo) außerordentlich günstige Bedingungen. Die kleine Zahl von Haustieren, welche Gouverneur Phillip auf den ersten Schiffen mitbrachte, und die später namentlich durch die Einführung von Merinoschafen veredelt wurde, ist in der Folge so gewachsen, daß man 1883 in