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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Australien

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Australien (Entdeckungsgeschichte).

Die Volksvertretung besteht aus einem Oberhaus und einem Unterhaus. Das erstere wird in einigen Kolonien von der Krone aus Lebenszeit ernannt, in andern aus der besitzenden Klasse durch Wähler, welche gleichfalls ein bestimmtes Eigentum haben müssen, auf eine Anzahl von Jahren gewählt; für das Unterhaus haben in einigen Kolonien weder die Kandidaten noch die Wähler eine andre Qualifikation nachzuweisen als die, entweder geborne oder nationalisierte englische Bürger zu sein; in andern Kolonien ist dagegen für beides ein gewisses Eigentum oder Einkommen erforderlich. Die Minister, welche bei dem lebhaften Parteieifer ihre Sitze sehr häufig wechseln, sind, wie in England, dem Parlament verantwortlich; der Gouverneur wird von der Königin von England für eine bestimmte Zeit, in der Regel sieben Jahre, ernannt, empfängt seine Besoldung aber aus der Kolonialkasse. Irgend welche Abgaben entrichten die Kolonien an das Mutterland nicht, das auch, abgesehen von einer Flotte von sechs Schiffen, welche die australische Station (auch für die Südseeinseln) bilden, keine Ausgaben für diese macht. Die Gesetze bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Majoritätsbeschlüsse beider Häuser sowie der Zustimmung des Gouverneurs, in besondern Fällen der Königin von England; doch haben einige Parlamentsbeschlüsse auch ohne die Erfüllung der letzten Bedingung für die betreffenden Kolonien Gesetzeskraft erhalten. Im ganzen und großen sind die Gesetze rein englisch. Wiederholte Konferenzen von Abgeordneten sämtlicher Kolonien, auch der Fidschigruppe, um eine australische Konföderation ins Leben zu rufen, sind bisher resultatlos verlaufen.

Sämtliches Grundeigentum, soweit solches noch nicht an Private oder Korporationen überlassen ist, befindet sich im Besitz der Regierung jeder einzelnen Kolonie. Das im Anfang befolgte System von Landschenkungen, zuweilen in großem Maßstab, hörte seit 1831 auf. Seitdem sind in allen Kolonien Gesetze erlassen worden, welche den spekulierenden Kapitalisten auszuschließen versuchen, um dem Mann, der das Land wirklich anbauen will, Platz zu machen. Der Preis von Ackerland ist je nach Güte und Lage auf 5 Schill. bis zu 1 Pfd. Sterl. pro Acre (0,4 Hektar) festgesetzt; doch kann dieser Preis, da das Meistgebot bei den Verkäufen gilt, beliebig erhöht werden. Anderseits wird der Kaufpreis auf viele Jahre gestundet. Die Bedingung für diese Vergünstigung ist, daß der Käufer auf dem Land selber wohne und dasselbe bebaue. Denjenigen, welche ihre Überfahrt bezahlen, werden Landschenkungen gemacht. Dadurch hat sich der Ackerbau außerordentlich gehoben; von dem Gesamtareal des Festlandes waren 1883 zwar noch über 757 Mill. Hektar unverkauft, man muß aber erwägen, daß ein sehr großer, wohl der größte Teil dieses Areals höchstens für Viehzucht tauglich ist, den Ankauf also nicht lohnen würde.

Die Finanzen der australischen Kolonien befinden sich trotz zeitweiliger Depression in befriedigender Lage. Die Einkünfte fließen namentlich aus zwei Quellen, den Einfuhrzöllen und dem Verkauf der Staatsländereien; doch sind in einigen Kolonien auch schon andre Auflagen, wie Grundsteuer, Einkommensteuer u. a., eingeführt worden. Die Ausgaben überschritten die Einnahmen sehr häufig, und die Kolonien machten bedeutende Aufnahmen in England, um öffentliche Bauten (Eisenbahnen, Hafenanlagen, Wasserversorgung u. a.) auszuführen. Die Finanzverhältnisse aller sieben Kolonien waren 1883 in Pfund Sterling:

Einnahmen Ausgaben Schulden

Neusüdwales 7410737 6347810 18721219

Victoria 5611253 5651885 26132275

Südaustralien 2060140 2330079 13891900

Queensland 2583444 2242971 14385411

Westaustralien 284364 240566 607791

Tasmania 562189 533036 2385600

Neuseeland 3871267 3924005 34385411

Militär gibt es in A. nicht. Die früher in den Hauptstädten der Kolonien stationierten englischen Soldaten sind seit Jahren abberufen worden. Seitdem haben sich in allen Kolonien freiwillige Milizen gebildet mit kleinen permanenten Stämmen, welche von britischen Offizieren im Dienste der Kolonien befehligt werden. Auch sind die Häfen von Sydney, Melbourne, Hobart, Launceston und Adelaide mit Befestigungen versehen worden. Außer der erwähnten, von England in den australischen Gewässern unterhaltenen Flotte mit dem Hauptquartier in Sydney besitzt Victoria elf Kriegsfahrzeuge, darunter ein Torpedoboot, Südaustralien ein Kanonenboot, Queensland ein Kanonen- und Torpedoboot, Neuseeland vier Torpedoboote und Tasmania eins. - Das Wappen der australischen Kolonien ist ein durch ein Kreuz mit fünf Sternen in vier Felder geteilter Schild, auf welchem ein Vlies, Hacke und Schaufel, eine Garbe und ein Schiff die Haupterwerbsquellen der Kolonien andeuten.

Entdeckungsgeschichte.

Der erste Europäer, der die Küste Australiens gesehen hat, war, soviel bekannt ist, der Portugiese Godinho de Eredia, der 1601 die Gegend um Kap Vandiemen besuchte, wie es denn in der Annäherung der Nordküste des Kontinents an die indischen Inseln lag, daß gerade sie zuerst von Europäern besucht wurde. Hierauf entdeckte im März 1606 das holländische Schiff Duyfken die Ostseite des Carpentariagolfs, während einige Monate später der Spanier L. V. de Torres die nach ihm benannte Straße durchfuhr. Nach dem Duyfken haben die Holländer J. ^[Jan] Carstensz 1623 und P. Pietersz 1636 weitere Teile der Nordküste untersucht, während zugleich die Strömungen des Indischen Ozeans andre holländische Schiffe an die Westküste des Landes führten, von der seit Auffindung der Sharksbai durch Dirk Hartog 1616 verschiedene Teile gesehen und benannt worden sind, welchen der berühmte Seefahrer A. Tasman, dem die Bestimmung der südlichsten Ausdehnung dieser Ländermassen übertragen war, in seinem Vandiemensland 1642 die südlichste Spitze der Insel, die jetzt nach ihm benannt wird, hinzufügte. Nach einer Rückkehr erhielt er 1644 den Auftrag, den Zusammenhang zwischen den bisher entdeckten Landesteilen zu erforschen; diese Reise stellte zwar nicht die Inselnatur Neuguineas fest, weil Tasman die Torresstraße für einen Meerbusen hielt, bewies aber, daß alles Land von dieser an bis zu der Mitte der Südküste ein zusammenhängendes Land ist. In dem auf Tasman folgenden Jahrhundert ist überaus wenig geschehen (Vlamings Entdeckung des Schwanenflusses 1696, Dampiers Erforschung der Sharksbai und des nach ihm benannten Archipels 1699). Erst der berühmte Seefahrer J. ^[James] Cook nahm die Erforschung Australiens wieder auf und entdeckte und erforschte die ganze Ostküste (sein Neusüdwales), durchfuhr auch zum zweitenmal die Torresstraße (in der Endeavourstraße). Er und Tasman müssen als die eigentlichen Entdecker des Kontinents betrachtet werden. Nach Cook haben bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts verschiedene europäische Seefahrer