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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Bach

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Bach.

ten ihn zu keiner ruhigen und sichern Existenz gelangen lassen. Seine Zeitgenossen erkannten in ihm aber den größten Orgelspieler und begabtesten Komponisten nach seinem Vater, und sein Bruder Emanuel war der Überzeugung, daß Friedemann allein im stande sei, wenn er wolle, ihren Vater zu ersetzen. Von seinen jetzt fast verschollenen Kompositionen nennen wir: eine Pfingstmusik ("Lasset uns ablegen"), eine Adventsmusik, mehrere Klavierkonzerte, 4 Orgelfugen, 8 Fugetten, 6 Klaviersonaten, 2 Sonaten für zwei konzertierende Klaviere, 12 Polonäsen für Klavier u. a. Außerdem schrieb er ein Werkchen über den harmonischen Dreiklang. E. Brachvogel behandelte sein Leben in einem Roman.

5) Karl Philipp Emanuel, J. S. Bachs dritter Sohn, geb. 14. März 1714 zu Weimar, wurde in Leipzig auf der Thomasschule gebildet, in der Musik von seinem Vater unterrichtet, studierte dann zu Leipzig die Rechte und setzte dieses Studium in Frankfurt a. O. fort. Hier errichtete er eine musikalische Akademie, in welcher seine eignen Kompositionen öfters aufgeführt wurden, und gab Klavierunterricht. Im J. 1738 ging er nach Berlin, von wo ihn der Kronprinz Friedrich nach Neuruppin berief. Nach dessen Thronbesteigung wurde er als Kammermusikus beim König angestellt, wo er nun im Verein mit Männern wie Quantz, Fasch, Franz Benda zur Ausbildung des Geschmacks einflußreich wirkte. Im J. 1767 folgte er einem Ruf als Musikdirektor nach Hamburg, wo er fortan trotz mancher vorteilhaften Anerbietungen blieb. Bei seinem Abgang von Berlin erteilte ihm die Prinzessin Amalie von Preußen den Titel eines Kapellmeisters. Von seinem Aufenthalt in Berlin und Hamburg wird Emanuel der Berliner oder der Hamburger B. genannt. Er starb 14. Dez. 1788 in Hamburg an einer Brustkrankheit. Sein Leben, von ihm selbst beschrieben, findet sich in Burneys "Tagebuch einer musikalischen Reise" (a. d. Engl., Leipz. 1772, 3 Bde.). Emanuel B. hatte sich die kunstvolle Manier seines großen Vaters vollständig zu eigen gemacht, besaß aber nicht entfernt dessen Erhabenheit und Tiefe; er war mehr elegant und gefällig als gewaltig und ergreifend. Dabei konnte er sich in seiner Wirksamkeit dem Einfluß des Zeitgeschmacks und der weitern Ausbildung der überlieferten Tonformen nicht entziehen. Indem er daher die Strenge des alten Stils mit den Forderungen der Anmut und des sinnlichen Wohllauts zu verschmelzen sucht, bildet er das Mittelglied zwischen der polyphonen Kunst des Vaters und dem homophonen Stil der folgenden Haydn-Mozartschen Epoche. Wieviel diese beiden Meister ihm verdankten, haben sie selbst wiederholt ausgesprochen und unter anderm auch dadurch bewiesen, daß sie die von ihm überkommene Sonatenform in ihren cyklischen Werken unverändert beibehielten. Unter seinen zahlreichen Werken sind hervorzuheben: viele Sonaten, Phantasien und andre Stücke für Klavier allein (darunter die sechs Sammlungen "Sonaten für Kenner und Liebhaber") und mit Begleitung andrer Instrumente; dann Trios und Symphonien für Orchester, ein Morgengesang am Schöpfungstag, eine Passionsmusik, das Oratorium "Die Israeliten in der Wüste", das doppelchörige "Heilig", Melodien zu Gellerts geistlichen Liedern, Cramers Psalmen u. a. Eine neue Ausgabe seiner Klavierkompositionen wurde von Baumgart veranstaltet (Leipz., bei Leuckart); eine andre besorgte H. v. Bülow (das., bei Peters). Besonderes Verdienst erwarb sich B. durch sein Unterrichtswerk "Versuch über die wahre Art, das Klavier zu spielen" (Leipz. 1753 u. 1763, 2 Bde.), welches zu seinen Lebzeiten den größten Einfluß ausübte und noch jetzt zur Beschämung vieler Virtuosen zeigen kann, einen wie hohen Grad künstlerischer Durchbildung B. vom Klavierspieler verlangte. Vgl. Bitter, Karl Phil. Emanuel und Wilh. Friedemann B. und deren Brüder (Berl. 1868).

6) Johann Christoph Friedrich, geb. 21. Juni 1732 zu Leipzig, studierte erst Jura, wendete sich jedoch später der Musik zu und wurde Kapellmeister des Grafen von Schaumburg, als welcher er glücklich, zufrieden und geehrt in Bückeburg (daher er auch der Bückeburger B. genannt wird) lebte und 26. Jan. 1795 starb. Er war ein vorzüglicher Klavierspieler und komponierte Instrumental- und Vokalstücke verschiedenster Art. Unter den letztern waren zwei Kantaten: "Ino" (von Ramler) und "Die Amerikanerin" (von Gerstenberg), zu ihrer Zeit besonders beliebt. Ein Sammelwerk von Klavierstücken: "Musikalische Nebenstunden", gab er 1786 heraus. Er folgte der Richtung seines Bruders Emanuel, ohne demselben an Talent gleichzustehen.

7) Johann Christian, jüngster Sohn J. S. Bachs, geb. 1735 zu Leipzig, zur Unterscheidung von seinen Brüdern der Londoner, auch der Mailänder B. genannt, ging nach dem Tod seines Vaters nach Berlin, wo er von seinem Bruder Emanuel erzogen und im Klavierspiel und in der Komposition mit Erfolg unterrichtet wurde. Im J. 1754 ging er nach Mailand und wurde dort Organist am Dom, wandte sich jedoch 1759 nach London, wo er Kapellmeister der Königin wurde. Er komponierte eine Reihe von Instrumentalstücken für Klavier und andre Instrumente, kleinere Gesangsachen und Opern, von denen "Orione, ossia Diana vendicata" (1763) großen Beifall fand; eine andre, "La clemenza di Scipione", wurde noch 1805 aufgeführt. In allen diesen Arbeiten zeigt er sich noch mehr als sein Bruder Emanuel geneigt, dem Zeitgeschmack Zugeständnisse zu machen, wie er auch persönlich dem leichten Lebensgenuß sehr zugethan war. Er starb im Januar 1782 in London. - Seine Frau, eine Italienerin, Cecilia, geborne Grassi, war seit 1767 Primadonna der Londoner Oper.

Der letzte Sprößling der berühmten Familie ist:

8) Wilhelm Friedrich Ernst, Sohn des Bückeburger B., geb. 27. Mai 1759. Erst unter der Leitung seines Vaters, dann seines Oheims Christian in London, machte er in der Musik die glänzendsten Fortschritte und trat in Frankreich und Holland konzertierend mit großem Beifall auf. Später ließ er sich in Minden nieder und komponierte hier zur Bewillkommnung des Königs Friedrich Wilhelm III. eine Kantate: "Die Nymphen der Weser", infolgedessen er 1798 Kapellmeister der Königin Luise und in der Folge Musiklehrer aller königlichen Kinder wurde. Er starb 25. Dez. 1845 in Berlin. Sein Oratorium "Vater unser" (Text von Mahlmann), die Kantate "Kolumbus", seine Symphonien, Lieder, Quartette, Sonaten verschafften ihm großes Ansehen beim Hof; im Druck ist nur einzelnes davon erschienen.

Bach, 1) August Wilhelm, Orgelspieler und Komponist, geb. 4. Okt. 1796 zu Berlin, wo sein Vater Organist an der Dreifaltigkeitskirche war, genoß den Unterricht Zelters und Bergers, wurde 1816 Organist an der Marienkirche, bald darauf auch Lehrer an dem neuerrichteten königlichen Institut für Kirchenmusik und nach Zelters Tod (1832) Direktor desselben. Seit 1833 Mitglied der Berliner Akademie der Künste sowie Mitglied des Senats derselben, starb B. 15. April 1869 in Berlin. Unter seinen