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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Bad

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Bad (moderne Badeanstalten).

mehr als hundert Personen zugleich badeten. Auch wurden in Hospitälern und Klöstern Bäder errichtet (balnea animarum, refrigeria animi), in welchen Arme unentgeltlich baden konnten. Keiner konnte den Ritterschlag erhalten oder in einen Orden aufgenommen werden, bevor er nicht gebadet hatte. Noch häufiger und allgemeiner wurde der Gebrauch der Bäder durch die nähere Bekanntschaft mit den Sitten des Orients infolge der Kreuzzüge. In den Städten wurden eigne Badestuben errichtet, in welchen die Geschlechter getrennt badeten, und wo zugleich geschröpft und zur Ader gelassen wurde. Man badete gewöhnlich des Sonnabends und betrachtete die körperliche Reinigung symbolisch zugleich als eine geistliche Weihung und Vorbereitung zur kirchlichen Feier des Sonntags. Bei der großen nach den Kreuzzügen herrschenden Sittenverderbnis gerieten jedoch die Bäder bald in Verfall. Die liederlichen Dirnen (fahrenden Weiber), welche in Scharen auf Reichstagen, Kirchenversammlungen und Jahrmärkten herumzogen, fehlten auch nicht in den Badestuben und trugen viel zum Verfall derselben bei. Da durch warme Bäder und Badestuben die ansteckenden Krankheiten, namentlich die im 16. Jahrh. so fürchterlich wütende Lustseuche, leichter verbreitet wurden, so beschränkte man den Gebrauch warmer Bäder aus Furcht vor Ansteckung in Deutschland und Italien. Der Gebrauch der Mineralbäder wurde in Deutschland und Frankreich vorzüglich im 15. und 16. Jahrh. allgemeiner und häufiger. Die Bäder, deren sich die Völker des Orients, namentlich die Türken, Ägypter und die Bewohner von Hindostan, bedienen, charakterisiert die raffinierteste Sinnlichkeit. Mit Bädern von Wasserdämpfen, welche mit den feinsten und kostbarsten Parfümen vermischt sind, wird eine durch Sklaven mit großer Sorgfalt verrichtete Manipulation des Körpers verbunden, welche man mit dem Namen Massieren, Kneten oder Schampuen (shampoo) bezeichnet und in mehreren Krankheiten sehr empfiehlt. Vgl. über das Badewesen der Alten außer den Werken über römische Altertumskunde im allgemeinen: Wichelhausen, Über die Bäder des Altertums (Mannh. 1851); Confeld, Das altrömische B. und seine Bedeutung für die Heilkunde (Darmst. 1863); über die Badestuben des Mittelalters: Zappert, Über das mittelalterliche Badewesen, im "Archiv für Kunde österreichischer Geschichtsquellen", Bd. 21 (Wien 1859, Hauptschrift); Joh. Falke, in "Westermanns Monatsheften", Bd. 11 (1861); Kriegk, Deutsches Bürgertum im Mittelalter (neue Folge, Frankfurt 1871); Marggraff, Badewesen der Vergangenheit (Berl. 1881). Die medizinische Litteratur über Heilbäder s. Balneologie.

Einrichtung der modernen Badeanstalten.

In neuerer Zeit hob sich im Abendland das Badewesen zuerst in England. Die englische Regierung erließ 1846 ein Gesetz, durch welches die Stadtgemeinden ermächtigt wurden, nachdem auf Antrag von zehn Gemeindemitgliedern die städtische Verwaltung sich mit Zweidrittelmajorität für eine derartige Anlage entschlossen hat, die Ausführung derselben unter Verwendung von geeigneten Steuern in Angriff zu nehmen, worauf sie unter Aufsicht des Staatsministeriums steht. An allen Orten Englands und Schottlands finden sich jetzt auf Grund dieses Gesetzes angelegte große Schwimmanstalten für Männer und Frauen und in allen größern Städten auch auf Aktien gegründete Privat-, sogen. Klubbäder, welche nur den Aktionären zugänglich sind und außer der großen Schwimmhalle und den gewöhnlichen Wannenbädern unter anderm noch römische und Dampfbäder, Billardzimmer, Turnhalle, Lesezimmer und Rauchzimmer enthalten. Bei den öffentlichen Bädern Englands und Belgiens ist in erster Linie auf die Schwimmhallen, erst in zweiter Linie auf warme Bäder Rücksicht genommen, von Dampf- und Schwitzbädern dagegen abgesehen worden. In der That scheinen diese letztern, in Rußland, Dänemark, Norwegen und Schweden noch vielfach im Gebrauch befindlichen Bäder auch in Deutschland minder nötig zu sein. Seit 25 Jahren sind auch in Deutschland Badeanstalten errichtet worden, zunächst die nach englischem Vorbild, jedoch ohne Schwimmbad gegründete Wasch- und Badeanstalt in Hamburg und nach ähnlichen Prinzipien die mit Schwimmbädern, Wannenbädern und Waschständen versehenen Aktienunternehmungen in Berlin.

Eine weitere Förderung haben die öffentlichen Badeanstalten in größern deutschen Städten durch die Anlage der städtischen Wasserwerke erfahren, welche das zum Badebetrieb erforderliche reine Wasser zu liefern im stande sind. Auf diese Weise sind unter andern die mit Hilfe der Sparkasse und des Staats gebaute Badeanstalt in Bremen, wo auch Bäder zweiter Klasse zu sehr billigen Preisen verabfolgt werden, und die große bedeckte Schwimmhalle in Dortmund entstanden, welche der Stadt gehört und gleich den vorhergehenden das ganze Jahr hindurch betrieben wird.

Neben diesen größern, besonders mit Rücksicht auf die Unbemittelten errichteten Badeanstalten haben Aktiengesellschaften und Privatunternehmer Anstalten mit Schwimm-, Wannen- und andern Bädern eingerichtet und dieselben durch nicht zu hoch gehaltene Preise möglichst vielen zugänglich gemacht, worunter die mit getrennten Korridoren und Treppen für Be- und Entkleidete versehene Schwimmanstalt in Aachen hervorzuheben ist. Als die meist entwickelten erscheinen die mit den Einrichtungen der römischen Thermen ausgestatteten Badeanstalten, welche, wie das römische B. am Praterstern in Wien, Räume und Bassins von verschiedenen Temperaturen zum Schwitzen und Abkühlen, Douchen, Ruhebetten u. dgl. enthalten. Die öffentlichen Bäder werden zu den wirksamsten Mitteln für den physischen und moralischen Fortschritt der Bevölkerung, da jeder, der die Wohlthaten des Badens an sich selbst empfunden hat, allmählich auch seinen Angehörigen dieselben nicht vorenthalten wird. Auch läßt sich erfahrungsmäßig durch sorgfältige Reinhaltung des Bassins, der Umgänge und Badezellen, durch besondere Reinigungsbäder und Douchen bei hinreichendem Zufluß von frischem Wasser und bei wöchentlich mindestens zweimaliger Entleerung, Scheuerung und Füllung das Schwimmbad in einem Zustand der größten Reinheit erhalten und durch die genügende Heizung des Wassers und der Luft während der kältern Jahreszeiten ein Aufenthalt schaffen, welcher ebenso gesund wie angenehm ist und zum wirksamsten Erholungsort wird.

Die Einrichtung der Badeanstalten, welche dem mit dem Baden beabsichtigten Erfolg zu entsprechen hat, ist verschieden, je nachdem sie der Erhaltung der Gesundheit, der Wiederherstellung derselben oder beidem entsprechen sollen. Dem ersten Zweck entsprechen vorzugsweise die kalten und warmen Wannenbäder, die Reinigungsbäder, die Douchebäder und die Schwimmbäder, dem letztern die Dampf-^[folgende Seite]