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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Bayern

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Bayern (Geschichte: 1866).

burg diesen für eine preußenfreundliche Neutralität zu gewinnen, indem er ihm für B. im Fall des preußischen Siegs besondere Vorteile und eine herrschende Stellung in Süddeutschland zusicherte, Anträge, die 1866 wiederholt wurden. Jedoch Pfordten lehnte sie ab, teils wohl, weil die Mißstimmung gegen Preußen, wo der Verfassungskonflikt immer schärfer wurde, bei Klerikalen und Liberalen in B. allgemein und lebhaft war, teils, weil er gleich andern die militärische Kraft und Energie Preußens unterschätzte. Gleich den meisten andern deutschen Staaten schloß sich B. 1866 der österreichischen Sache an und erklärte mit jenen 8. März, daß sie zwar neutral bleiben wollten, wenn Österreich und Preußen ihren Streit mit Umgehung des Bundes ausfechten würden, daß aber kein Bundesglied zurückbleiben dürfe, wenn eine der Mächte die Hilfe des Bundes anrufe. Als daher Österreich dies im Juni that, stimmte B. 14. Juni seinem Antrag gemäß für die Mobilmachung der Bundesarmee gegen Preußen; an demselben Tag schloß v. d. Tann in Olmütz mit dem österreichischen Oberfeldherrn eine Konvention über die gemeinschaftlichen Kriegsoperationen. Die Kammern bewilligten 18. Juni den geforderten Militärkredit von 31½ Mill. Fl., und die bayrische Armee (das 7. Bundeskorps) konzentrierte sich in Bamberg unter dem Oberbefehl des Prinzen Karl, dem auch das 8. Bundeskorps (Württemberger, Badener, Hessen unter Prinz Alexander von Hessen) unterstellt wurde.

Aber in B. hatte man keine rechte Vorstellung von dem Ernste des Kriegs und von der Entschiedenheit und Schnelligkeit des Gegners. Zunächst wurde versäumt, durch einen raschen Vormarsch nach Thüringen den Hannoveranern die Hand zu reichen und diese vor der Kapitulation zu bewahren. Erst Ende Juni rückten die Bayern bis Suhl und Schmalkalden vor und wandten sich auf die Kunde von den Ereignissen in Langensalza nach Nordwest, um über Fulda eine Vereinigung mit dem 8. Bundeskorps zu bewerkstelligen. Auf diesem Marsch wurden sie 4. Juli bei Dermbach von der preußischen Mainarmee angegriffen, wehrten sich zwar tapfer, traten aber doch 5. Juli den Rückzug nach Süden über die Rhön an, während die Reiterei sich infolge eines unglücklichen Kanonenschusses bei Hünfeld in wilde Flucht stürzte. Noch ehe die bayrische Armee sich hinter der Fränkischen Saale gesammelt und die Verbindung mit dem 8. Korps hergestellt hatte, wurde sie 10. Juli von den eiligst nachrückenden Preußen zu gleicher Zeit bei Hausen, Kissingen und Hammelburg angegriffen und trotz hartnäckigen Widerstandes, besonders bei Kissingen, gezwungen, sich auf Schweinfurt und Würzburg zurückzuziehen. Während Pfordten vergeblich in Nikolsburg Waffenstillstand und Frieden von Bismarck zu erlangen suchte und Frankreichs Intervention anrief, rückte eine preußische Reservearmee von Hof aus in Ober- und Mittelfranken ein. Es kam nun zwar, nachdem sich endlich das 8. Korps auf die Bayern bei Würzburg zurückgezogen hatte, 25. und 26. Juli bei Helmstadt, Üttingen und Roßbrunn noch zu einigen Gefechten. Indes hätten dieselben, da die Entscheidung des Kriegs längst bei Königgrätz gefallen war, an dem Ausgang desselben, selbst wenn sie für B. siegreich ausgefallen wären, nichts ändern können. B. lag wehrlos den seitlichen Truppen offen. Sein Geschick hing nicht mehr von den Waffen, sondern von den politischen Konstellationen ab, und diese waren für B. günstig. Die drohende Haltung des augenblicklich allerdings noch ohnmächtigen Frankreich bewog Preußen, auf eine größere Annexion, etwa der alten hohenzollernschen Fürstentümer Ansbach und Baireuth, sowie auf seine Hegemonie in Süddeutschland zu verzichten und sich lieber die Bundesgenossenschaft der süddeutschen Staaten für den Entscheidungskampf mit Frankreich zu sichern. Der Friede vom 22. Aug. legte daher B. verhältnismäßig unerhebliche Opfer auf: 30 Mill. Fl. Kriegsentschädigung und die Abtretung von Gersfeld, Orb und Kaulsdorf. Dagegen schloß B. auf die Mitteilung, daß Frankreich auch einen Teil der Pfalz als Kompensation gefordert habe, ein geheimes Schutz- und Trutzbündnis mit Preußen ab.

Der Eindruck, den der klägliche Verlauf des Kriegs und die Großmut des Siegers in B. hervorbrachten, war ein gewaltiger. Die Ultramontanen machten ihrem Ärger in Schimpfereien und Anschuldigungen des Verrats gegen die Generale Luft. Die übrige Bevölkerung aber war völlig ernüchtert, ließ die romantische Vorliebe für Österreich und die verblendete Abneigung gegen den "slawischen Soldatenstaat" Preußen fallen und erkannte die Unvernunft des bisherigen partikularistischen Schlendrians. An vielen Orten sprachen sich öffentliche Versammlungen für den sofortigen Anschluß an den Norddeutschen Bund aus. Die Kammer genehmigte nicht nur den Friedensvertrag und die Anleihe für die Kriegsentschädigung, sondern faßte auch den Beschluß, die Regierung zu ersuchen, daß sie "die Einigung Deutschlands unter Mitwirkung eines frei gewählten und mit den erforderlichen Befugnissen ausgestatteten Parlaments erstreben möge". Pfordten konnte unter diesen Umständen nicht mehr an der Spitze des Ministeriums bleiben und erhielt daher 29. Dez. seine Entlassung. Sein Nachfolger wurde der deutsch-national gesinnte Fürst von Hohenlohe-Schillingsfürst. Derselbe legte 19. und 23. Jan. 1867 der Abgeordnetenkammer sein Programm vor und erklärte, daß B. nicht isoliert bleiben könne, daß es für die Tage der Gefahr eines Schutzes und daher des Anschlusses an eine benachbarte Großmacht bedürfe. Diese Großmacht aber könne weder Frankreich noch Österreich, sondern allein Preußen und der Norddeutsche Bund sein, auf den B. durch alle materiellen und ideellen Rücksichten hingewiesen werde, und mit dem es sich, unter gleichzeitiger Allianz zwischen Deutschland und Österreich, zu einem Staatenbund vereinigen müsse; einen sofortigen bedingungslosen Eintritt Bayerns in den Norddeutschen Bund bezeichnete er allerdings als der Würde Bayerns ebensowenig angemessen wie von seiten der preußischen Regierung annehmbar. Denn diese war durch die Rücksicht auf Frankreich genötigt, zunächst auf die Ausdehnung des Norddeutschen Bundes auf Süddeutschland zu verzichten und sich mit dem durch die Schutz- und Trutzbündnisse gesicherten militärischen Oberbefehl zu begnügen. Die Verhandlungen über die Errichtung eines süddeutschen Bundes, welchen der Prager Friede in Aussicht gestellt hatte, wurden zwar eingeleitet, konnten aber, selbst wenn B. ihn ernstlich gewünscht hätte, kein Ergebnis haben, da Baden demselben entschieden widerstrebte. Nur einige Verabredungen über die Festungen kamen zu stande.

Währenddessen war aber die ultramontane Partei zur Besinnung und zur Einsicht davon gekommen, welche Niederlage sie 1866 erlitten, und wie sehr dieselbe die Erreichung ihrer Ziele gefährde. Sie sammelte daher alle ihre Kräfte und bot jedes ihr zu Gebote stehende Mittel auf, um der preußenfreundlichen, unitarischen Strömung in B. entgegenzutreten.