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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Berlicke-Berlocke; Berlin

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Berlicke-Berlocke - Berlin.

riet er durch den Franz von Sickingen geleisteten Beistand wieder in Feindseligkeiten mit dem Stift Mainz, überfiel sodann auf hessischem Gebiet den auf einer Reise begriffenen Grafen Philipp von Waldeck, nahm ihn gefangen und entließ ihn erst nach Erlegung eines Lösegeldes von 8900 Dukaten; deswegen ward er 1518 zum zweitenmal geächtet. Im Krieg des Schwäbischen Bundes 1519 mit Herzog Ulrich von Württemberg focht er auf des letztern Seite. Als Verteidiger der Stadt Möckmühl schlug er alle Angriffe der Verbündeten ab, bis Mangel an Munition und Lebensmitteln ihn 11. Mai zur Übergabe gegen freien Abzug zwang. Letzterer Artikel der Kapitulation wurde jedoch nicht gehalten und B. der Stadt Heilbronn als Gefangener überliefert. Erst 1522 bewirkten Franz von Sickingen und Georg von Frundsberg seine Befreiung, doch mußte er 2000 Fl. Lösegeld zahlen und Urfehde schwören. Er zog sich nun auf sein Schloß Hornberg zurück, bis der Bauernkrieg (s. d.) 1525 ihn zu neuer Kriegsthätigkeit nötigte. Von den Bauern gezwungen, übernahm B. auf vier Wochen die Führung des sogen. Odenwalder Haufens und belagerte mit demselben den Frauenberg bei Würzburg, benutzte aber seine Entsendung gegen das schwäbische Bundesheer, um sich im Mai wieder auf seine Burg zu begeben. Obgleich er erklärte, die Führung nur gezwungen und mit der Absicht, Übel zu verhüten, übernommen zu haben, und 1526 auch vom Kammergericht für schuldlos erklärt wurde, ward er doch 1528 auf Antrieb seiner Feinde im Schwäbischen Bund überfallen, in Augsburg gefangen gehalten und erst 1530 gegen das Versprechen, sich weder aus dem Umkreis seines Schlosses zu entfernen, noch auf irgend eine Art an den Bundesgliedern Rache auszuüben, freigelassen. Nachdem er 1540 seiner Haft entledigt worden, machte er mit dem Kaiser 1542 Feldzüge nach Ungarn gegen die Türken und 1544 gegen Frankreich mit. Er starb 23. Juli 1562 auf seiner Burg Hornberg am Neckar und ward im Kloster Schönthal beigesetzt. Aus seiner von ihm selbst verfaßten Lebensbeschreibung (hrsg. von Pistorius, Nürnb. 1731, Bresl. 1813, und von Gessert, Pforzh. 1843; zuletzt von Schönhuth, 2. Aufl., Heilbronn 1859), die trotz ihrer unbeholfenen Darstellung und mancher Unzuverlässigkeiten ein getreues Gemälde der Sitten jener Zeit, besonders des Adels, gibt, entnahm Goethe den Stoff zu seinem berühmten Schauspiel "Götz von B.", in welchem aber die historische Treue keineswegs gewahrt ist. Götz von Berlichingens eiserne Hand, 1505 nach Götz' eignen Angaben angefertigt, ist eins der ältesten Beispiele künstlicher Gliedmaßen. Die Hand war durch eine hohle, mit Schnallen befestigte Schiene an dem Vorderarm befestigt, konnte durch Druck an einem Knopf etwas gebogen werden und war vollkommen aus Stahl gefertigt. Mittels der andern Hand bogen sich die einzelnen Fingerglieder, wobei ein Stahlzapfen in das am Gelenk befindliche gezahnte Rad einsprang und das Glied in der gegebenen Stellung festhielt. Durch Druck an einem andern Knopf streckten sich die Finger vermittelst einer Feder. Ähnlich war die Bewegung des Daumens, so daß Götz vollkommen sicher das Schwert halten konnte. Sie wird noch jetzt in Jagstfeld gezeigt.

Von Götz selbst stammt die eine der jetzt noch bestehenden zwei Linien des Hauses ab, die Linie Berlichingen-Rossach; die andre, Berlichingen-Jagsthausen, von Götz' Bruder Hans von B. Friedrich Wolfgang von Berlichingen-Rossach, geb. 1826, Major und Mitglied der Ersten badischen Kammer, 1859 in den württembergischen Grafenstand erhoben, schrieb die "Geschichte des Ritters Götz von B. und seiner Familie" (Leipz. 1861).

Berlicke-Berlocke (franz. brelique-breloque, "über Hals über Kopf"), im alten Puppenspiel und bei Taschenspielern Zauberformel zur Hervorbringung einer blitzschnellen Wirkung.

Berlin (hierzu der Stadtplan, die "Karte der Umgebung von B." und die Tafel "Berliner Bauten"), die Hauptstadt des Deutschen Reichs und des Königreichs Preußen, zugleich erste Residenz des deutschen Kaisers und Königs von Preußen, ist der Sitz des deutschen Reichskanzlers und der preußischen Ministerien sowie der übrigen höchsten Behörden des Reichs, des Staats und der allgemeinen Reichs- und Landesvertretung. Von zentralen Reichs- und Landesbehörden befinden sich nur wenige nicht in B. und zwar das Reichsgericht in Leipzig, die Reichs- und Staatsoberrechnungskammer in Potsdam und ein Teil der obersten Marineverwaltung in Kiel. B. ist nach London und Paris die größte Stadt Europas. Es liegt unter 52° 30' 17'' nördl. Br. und 13° 23' 47'' östl. L. v. Gr. (Meereshöhe am Oberbaum, im O., 31,38 m, am Unterbaum, im W., 30,13 m über dem Spiegel der Ostsee), an beiden Ufern der Spree, welche die Stadt von SO. nach NW. durchfließt, sich gabelt und die Panke, welche bei Bernau entspringt, in sich aufnimmt. Links von der Spree geht oberhalb B. der neue Schiffahrtskanal ab, welcher, 10,54 km lang, durch den 20,34 km langen Luisenstädtischen Kanal mit der Spree innerhalb der Stadt verbunden ist; rechts der Spree geht unterhalb der Stadt der Spandauer Schiffahrtskanal in einer Länge von 12,05 km zu dem Ausgang des Tegeler Sees in die Havel. Die alten Festungsgräben sowie der Königsgraben sind zugeschüttet worden. Das Weichbild der Stadt umfaßt 60,61 qkm (1,068 QM.), wovon 1,81 qkm mit Wasser bedeckt ist. Der Durchmesser des städtischen Terrains von N. nach S. ist 9,3 km, von O. nach W. 10 km, der Umfang 47 km. Die mittlere Temperatur beträgt (1882) 9,8° C., die Niederschläge 761,6 mm.

Stadtteile. Öffentliche Anlagen. Monumente.

Die historischen Stadtteile sind durch die natürlichen Wasserläufe, welche jetzt aber zum Teil zugeschüttet sind, voneinander geschieden und zwar: Alt-Kölln, als Zentrum der Stadt mit dem königlichen Schloß auf der Spreeinsel, Alt-B., von gleichem Alter, mit dem Rathaus, nördlich davon gelegen Friedrichswerder und Neu-Kölln mit dem Zeughaus und der Reichsbank, ferner die Dorotheenstadt und Friedrichsstadt, die sich in der Behrenstraße scheiden, zusammen aber von der Friedrichsstraße durchzogen werden. Nördlich an die Dorotheenstadt am rechten Spreeufer stößt die Friedrich-Wilhelmstadt, welche durch die Verlängerung der Friedrichsstraße von dem Spandauer Viertel getrennt wird. Die Fortsetzung des letztern nach O. bilden die Königsstadt und das Stralauer Viertel, welches mit der Friedrichsstadt durch die Luisenstadt am linken Spreeufer verbunden ist. Diese letzten sieben Stadtteile bilden einen zweiten konzentrischen Kreis um die drei vorher genannten, welche in unmittelbarem Anschluß an den Mittelpunkt den

^[Abb.: Wappen der Stadt Berlin.]