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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Bestūshewsche Nerventinktur; Besuki; Beta; Bēta; Betaïn; Betanzos; Betäubende Mittel

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Bestushewsche Nerventinktur - Betäubende Mittel.

und ist seit 1865 Professor an der Petersburger Universität. Er schrieb: "Über die russischen Chroniken bis zum 14. Jahrhundert" (1869); die gediegene, auf drei Bände angelegte "Geschichte Rußlands" (1872, Bd. 1; deutsch von Schiemann, Mitau 1873-75), welche insbesondere durch eine Übersicht der Quellen zur Geschichte Rußlands Beachtung verdient, sowie zahlreiche populärhistorische Schriften und Abhandlungen. Ihm verdanken die sogen. "Frauenkurse" in Petersburg ihre Entstehung.

Bestūshewsche Nerventinktur (Tinctura ferri chlorati aetherea, Spiritus ferri chlorati aethereus, Tinctura tonico-nervina Bestuscheffii, s. Liquor anodynus martiatus, Lamottes Goldtropfen), vom Grafen Bestushew-Rjumin (s. d.) 1725 erfundene, in Frankreich von Lamotte als eigne Erfindung ausgegebene Eisenauflösung. Das Geheimnis ihrer Bereitung wurde von der Kaiserin Katharina II. mit 3000 Rubel erkauft und veröffentlicht, dann die Vorschrift von Chemikern, vorzüglich von Klaproth, vereinfacht. Zu ihrer Bereitung wird 1 Teil Eisenchloridlösung (Liquor ferri sesquichlorati) mit 14 Teilen Ätherweingeist (Spiritus aethereus) in verschlossenen Flaschen der Sonne ausgesetzt, bis die Flüssigkeit farblos geworden ist, und dann unter zeitweiliger Öffnung der Flaschen in den Schatten gestellt, damit sie wieder gelblich werde. Das Eisenchlorid wird im Sonnenlicht zu Eisenchlorür reduziert, indem gleichzeitig gechlorte Substitutionsprodukte des Alkohols und Äthers entstehen; im Dunkeln findet wieder teilweise Oxydation statt. Sie wirkt nervenreizend und stärkend, zeigt sich daher am heilsamsten bei Nervenleiden, wenn diese auf Schwäche beruhen, namentlich bei Frauenkrankheiten, Krämpfen, Bleichsucht, häufigem Kopfschmerz.

Besuki, niederländ. Residentschaft auf Java, im äußersten Osten der Insel, hat mit Banjuwangi 8728 qkm (158,7 QM.) Areal und zählt (1881) 538,940 Einw. (651 Europäer, 1299 Chinesen, 1108 Araber). Das Land ist im O. und W. von vulkanischen Gebirgsmassen (im O. Rawun 3390 m, im W. Argopuro 3007 m) erfüllt; die Mitte nimmt das von beiden getrennte System des Ajang ein; der nördliche und südliche Teil sind größtenteils eben. Die Produkte der nur im Nordteil gut angebauten Provinz sind Reis, Kaffee, Zucker, Indigo etc. Die gleichnamige Hauptstadt liegt am Golf von Madura. Die Einwohner des Landes sind überwiegend Nachkommen eingewanderter Maduresen.

Bēta (griech.), s. "B".

Beta Tourn. (Mangold), Gattung aus der Familie der Chenopodiaceen, ein- oder mehrjährige, kahle Kräuter mit häufig rübenförmig verdickten, fleischigen Wurzeln, gefurchten Stengeln, gestielten, ganzen oder fast ganzen Blättern und zwitterigen Blüten in zwei- bis dreiblütigen Knäulchen. Etwa zehn Arten. B. vulgaris L., ein- oder zweijährige Pflanze mit spindel- oder rübenförmiger, oft fast kugelförmig verdickter Wurzel und herzeiförmigen, welligen, ganzrandigen, stumpfen Wurzelblättern, treibt im zweiten Jahr einen 0,6-1,5 m hohen Stengel, findet sich an den Küsten Südeuropas, Mittelasiens etc. und wird teils auf das Blatt, teils auf die Wurzel kultiviert, wodurch zwei ganz verschiedene Varietäten entstanden sind. Die eine, B. vulgaris var. Cicla (B. cicla L., Mangold, Beißkohl, römischer Spinat oder Kohl), mit dünner, holziger, in der Erde bleibender Wurzel und flachen oder krausen, grün-, weiß-, gelb- oder rotrippigen Blättern, wird in mehreren Formen gebaut. Die gelbblätterigen mit weißen Rippen und die gelbroten und rotrippigen Varietäten sind zarter, eignen sich aber trefflich zu Blattzierpflanzen. Man benutzt die Blätter als Kohl oder Grünfutter, die Mittelrippen und Stiele der weißrippigen Art wie Spargel. Als Schnittkohl ist diese Pflanze den Schnittkohlarten von Brassica vorzuziehen, da sie nicht durch Erdflöhe leidet. Die zweite Varietät ist B. vulgaris var. Rapa Dumort., die Runkelrübe (s. d.).

Beta (eigentlich Bettziech), Heinrich, Schriftsteller, geb. 23. März 1813 zu Werden bei Delitzsch, studierte in Halle Philosophie und Naturwissenschaften, war hier Mitarbeiter an Ruges "Halleschen Jahrbüchern" und widmete sich seit 1838 in Berlin ganz der journalistischen Thätigkeit, zog sich aber durch verschiedene politische Broschüren während der 48er Unruhen die Anklage der Aufreizung zum Hochverrat zu und flüchtete nach London, von wo er erst bei der Amnestie 1861 nach Berlin zurückkehrte. Er starb daselbst 31. März 1876. In seinen Werken: "Deutsche Früchte aus England" (Leipz. 1864, 2 Bde.) und "Aus dem Herzen der Welt" (das. 1866, 2 Bde.) gab er treffende Schilderungen englischer Zustände; von seinen volkswirtschaftlichen Schriften ist "Die Bewirtschaftung des Wassers" (das. 1868, Nachtrag 1870) zu nennen.

Betaïn (Oxyneurin, Lycin) C5H11NO2 ^[C_{5}H_{11}NO_{2}], Alkaloid, findet sich in den Runkelrüben (0,25 Proz. des Saftes) und in der Melasse (3 Proz.) sowie (Oxyneurin) unter den Spaltungsprodukten des Lecithins und entsteht bei Einwirkung von Trimethylamin auf Monochloressigsäure, bildet farblose, zerfließliche Kristalle, riecht moschusartig, schmeckt süßlich kühlend, ist leicht löslich, wird beim Kochen mit Alkalien unter Bildung von Trimethylamin zersetzt und wirkt auf Tiere nicht schädlich.

Betanzos, Bezirksstadt in der span. Provinz Coruña, südlich vom Strandsee (Ria) von B. an der Eisenbahn Lugo-Coruña gelegen, mit Gerberei, Getreide- und Fischhandel und (1878) 8122 Einw. B. ist das Flavium Brigantium der Römer.

Betäubende Mittel (anästhetische, narkotische, besänftigende, schmerzstillende Mittel), Heilmittel, welche lähmend auf die Empfindungsnerven und das Bewußtsein wirken. Mit Ausnahme der Kälte, welche zur Betäubung örtlicher Schmerzen (Narkose) vorzügliche Dienste leistet, sind alle andern betäubenden Mittel Arzneien und gehören größtenteils den Pflanzengiften an, z. B. Opium und das aus demselben gewonnene Morphium und Codein u. a.; der indische Hanf, Giftlattich, Tollkirsche, Calabarbohne, Stechapfel, Bilsenkraut, Schierling, Bittersüß, Sturmhut, Nieswurz, Mandelbaum, Herbstzeitlose. Nur wenige, freilich recht wichtige Vertreter dieser Gruppe (welche überhaupt die Krone unsers Arzneischatzes bildet) sind chemische Produkte, wie Schwefeläther, Chloroform, Chloralhydrat, Äthylidenchlorid, Stickstoffoxydul. Alle diese Arzneien haben die Eigenschaft, wenn sie entweder direkt in die Blutbahn oder unter die Haut eingespritzt werden, oder wenn ihre Aufnahme indirekt durch den Darmkanal, durch Einatmung oder durch Einreibung geschieht, die Nerventhätigkeit herabzusetzen. Zuerst, d. h. bei Darreichung geringer Mengen, beschränkt sich die Wirkung auf eine Herabminderung der Empfindlichkeit; besonders unterliegen krankhaft gereizte Nervengebiete dieser leicht betäubenden Kraft, und hierauf beruht der hohe Wert aller dieser Mittel zur Stillung eines schon vorhandenen Schmerzes. Bei größern Gaben erstreckt sich der lähmende Einfluß auch auf solche Nerven, welche die willkürlichen, später auch die un-^[folgende Seite]