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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Bleichen

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Bleichen.

Schmutz zu entfernen; man läßt die Schlichte durch einen Gärungsprozeß sich zersetzen und kocht dann die Gewebe mit Kalkwasser, bisweilen unter Zusatz von Soda, Pottasche, kohlensaurem Ammoniak, auch mit Zuckerkalk, gewöhnlich in geschlossenen Kesseln mit gespanntem Wasserdampf (Bäuchen, Büken). Die alkalischen Flüssigkeiten verseifen die der Faser anhaftenden Fette, lösen Pektinkörper etc., welche durch Waschen entfernt werden. Man bäucht dann mit Natronlauge oder Harzseife, wäscht und bringt die Gewebe nun in eine klare Chlorkalklösung vom spez. Gew. 1,0025-1,025 (zarte Stoffe in eine Chlormagnesialösung), welche durch einströmenden Wasserdampf erhitzt wird, und darauf in verdünnte Schwefelsäure oder Salzsäure. Hierbei entwickelt sich Chlor, welches die färbenden Stoffe zerstört. Die gebleichten Stoffe kocht man wieder mit Soda oder Ätznatronlösung, wäscht mit Wasser, läßt ein sehr schwaches Säurebad folgen und wäscht abermals. Bisweilen gibt man auch auf das alkalische Bad zunächst ein Chlorkalkbad. Unter allen Umständen muß zuletzt das der Faser anhaftende Chlor vollständig entfernt werden, und wenn man dies nicht durch wiederholte alkalische Bäder und erschöpfendes Waschen erreichen kann, bindet man das Chlor durch ein Ammoniakbad, wäscht dann wieder aus und entwässert die Gewebe auf Zentrifugalmaschinen, zwischen Walzen etc.

Beim B. von Baumwolle werden etwa 5 Proz. vom Gewicht des Gewebes fortgeschafft, beim B. von Flachs und Hanf aber bis 36 Proz.; man hat daher hier viel zahlreichere Bäder anzuwenden und erreicht in 18-20, selbst 60 Tagen, was bei Baumwolle in 2-3 Tagen erreicht wird. Dieser größere Zeitaufwand erklärt sich auch durch Anwendung der Rasenbleiche (Naturbleiche), neben welcher indes häufig Chlorbleiche (Kunst-, Schnell-, chemische Bleiche) benutzt wird. Die Ausführung der Lein- und Hanfbleicherei gestaltet sich sehr verschieden, in der Regel aber läßt man alkalische, saure und bleichende Bäder oder Rasenbleiche wiederholt miteinander wechseln, bis zuletzt eine gründliche Reinigung durch anhaltendes Waschen die Operationen beschließt. Sehr günstige Resultate hat man durch Verbindung der Rasenbleiche mit der Kunstbleiche erreicht, und jedenfalls weiß man gegenwärtig die Chlorbleiche in solcher Weise anzuwenden, daß sie die Festigkeit der Faser durchaus nicht stärker beeinträchtigt als Rasenbleiche und sogar einen geringern Gewichtsverlust bedingt als jene.

In ähnlicher Weise wie die Garne und Gewebe kann man auch andre vegetabilische Substanzen bleichen, wendet dann aber nicht selten auch gasförmiges Chlor oder Chlorwasser an. Dies geschieht namentlich in der Papierfabrikation, wo man entweder schon die Lumpen oder häufiger den Halbstoff bleicht. Letztern breitet man in geeigneten Kammern auf übereinander liegenden durchlöcherten Etagen aus und leitet Chlor hinein, welches aus der ersten noch in eine zweite Kammer tritt und in dieser den Halbstoff für das B. vorbereitet. Der hinreichend gebleichte Stoff wird ausgewaschen und mit Soda und Antichlor behandelt, um das Chlor vollständig zu beseitigen. Oft digeriert man auch den Halbstoff mit Chlorkalklösung und macht durch Zusatz von Säuren (Chlorzink oder Zinkvitriol) das Chlor frei. Bei Anwendung von Chlorzink mischt sich dem Halbstoff Zinkoxyd, bei Anwendung von Zinkvitriol Zinkoxyd und schwefelsaure Kalk bei.

Zum B. von Pflanzenfasern wird auch übermangansaures Natron angewandt. Man bringt das gereinigte Gewebe in eine Lösung von mangansaurem Natron und setzt schwefelsaure Magnesia oder Chlormagnesium zu. Es entsteht dann übermangansaures Natron, welches durch Abgabe von Sauerstoff bleichend wirkt, während sich braune Manganoxyde auf die Faser niederschlagen. Zur Entfernung dieser Oxyde bringt man das Gewebe in ein Bad von schwefliger Säure, um leicht auswaschbares schwefelsaures Manganoxydul zu bilden. Man behandelt die gebräunten Gewebe auch mit alkalischer Lauge, in allen Fällen aber müssen die Operationen mehrfach wiederholt werden, bis vollständige Bleichung eingetreten ist. Hanf- und Flachsgarn soll sich nach diesem Verfahren in einem, Hanf- und Flachsgewebe in drei Tagen bleichen lassen, ohne daß die Faser stärker angegriffen wird als bei der Chlorbleiche. Auch auf Wolle und Seide ist das Verfahren anwendbar, man darf hier indessen die Manganoxyde nur durch schweflige Säure lösen. Wenn gebrauchte Wäsche vergilbt ist und nach dem gewöhnlichen Waschverfahren nicht hinreichend weiß wird, kann man sie mit Eau de Javelle oder Chlorkalk bleichen. Ohne jegliche Gefahr darf man auf einen Eimer Wasser 4-8 g Chlorkalk nehmen und in der klaren abgegossenen Flüssigkeit die Wäsche 24 Stunden liegen lassen. Ebenso kann man ohne Gefahr das Eau de Javelle, wie man es in den Apotheken erhält, mit sehr viel Wasser verdünnen, darin die Wäsche einweichen und sie nachher durch ein Säurebad ziehen, welches nur so viel Schwefelsäure enthält, daß es wie scharfe Limonade schmeckt. Hat die Wäsche einige Stunden darin gelegen, so wäscht man sie recht sorgfältig aus und wird seinen Zweck vollständig erreicht haben. Sehr empfehlenswert ist die Anwendung von Ammoniak mit Terpentinöl, weil mit diesem Bleichmittel auch bei ungeschickter Ausführung niemals Schade angerichtet werden kann. Man gießt eine stark zusammengeschüttelte Mischung von Ammoniak und Terpentinöl in Wasser (etwa je 100 g auf einen Eimer Wasser), bringt sofort die gewaschene und sorgfältig gespülte Wäsche hinein, arbeitet sie gut durch, ringt sie aus und trocknet wenn möglich an einem sonnigen Tag im Freien. Die Wirkung des Terpentinöls beruht offenbar auf Ozonbildung, die trockne Wäsche zeigt keine Spur von Terpentingeruch.

Wolle und Seide unterscheiden sich durch ihren Stickstoffgehalt wesentlich von den vegetabilischen Fasern; sie vertragen nicht die Einwirkung alkalischer Laugen und des Chlors und werden deshalb mit Seife, Soda, Ammoniak gereinigt und mit schwefliger Säure gebleicht. Diese bildet mit manchen Farbstoffen farblose Verbindungen, aus welchen aber der Farbstoff durch verdünnte Schwefelsäure, Dämpfe von Salzsäure, Chlor und durch Erwärmen unverändert wieder abgeschieden werden kann. Andre Farbstoffe werden durch schweflige Säure nicht gebleicht; manche, wie der gelbe Farbstoff der Seide, werden nur deshalb zerstört, weil unter dem Einfluß des Lichts der neben der schwefligen Säure vorhandene Luftsauerstoff die Zersetzung der Farbstoffe vermittelt. Aus diesen Verhältnissen erklärt sich, daß mit schwefliger Säure gebleichte Stoffe oft wieder vergilben. Häufig macht die schweflige Säure auch nur die färbenden Substanzen löslich, so daß sie durch die folgenden Reinigungsbäder entfernt werden können. Wolle ist in dem Zustand, wie sie im Handel vorkommt, mit dem Wollschweiß verunreinigt, welchen man durch Behandeln mit faulem