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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Boden

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Boden (Hauptbestandteile).

nische und chemische Kräfte sind unablässig thätig, zu zertrümmern, zu lösen, zu trennen und das Vorhandene in andre Verbindungen überzuführen, neues Bodenmaterial zu bilden. Unter dem Einfluß der Sonnenstrahlen werden die einzelnen Bestandteile des Gesteins in ungleichem Grad ausgedehnt; zahllose Risse und Sprünge entstehen, in welchen sich der wässerige Niederschlag ansammeln kann; die ausdehnende Gewalt des frierenden Wassers erweitert die Ritzen. Zarte Moose und Flechten haften an jedem noch so geringen Vorsprung, in der kleinsten Spalte; sie bilden die Vorläufer für höher organisierte Pflanzen, an deren Wurzeln Wasser und Luft in die Spaltungsräume geleitet werden, während diese selbst eindringend erweitern helfen und durch Ausscheidung von Kohlensäure zersetzend und umwandelnd wirken. Regengüsse und Stürme, im Hochgebirge die Lawinen, am Meeresstrand die Sturmfluten, Vulkane und Erdbeben sind die sichtbarer wirkenden Zerstörungsmittel der Natur; grober und kleiner Trümmerschutt kennzeichnet ihr Walten, welches, so wie die Werkzeuge des Landmannes, den chemischen Kräften vorarbeiten und diesen die Einwirkung durch Vergrößerung der Berührungsflächen erleichtern muß. Sauerstoff, Kohlensäure, Ammoniak und die Salpetersäure der Atmosphäre vollenden den Verwitterungsprozeß, sie verbinden sich mit einzelnen Bestandteilen des Gesteins zu löslichen Salzen und hinterlassen ein loses Haufwerk pulverig-erdiger Substanz, welches entweder auf der ursprünglichen Bildungsstätte liegen bleibt (primitiver, angestammter B., Grundschutt), oder durch das Wasser anderwärts abgelagert wird (angeschwemmter, sekundärer B., Flutschutt).

Auch im zertrümmerten Gestein, dem rohen oder Verwitterungsboden, siedeln sich anfangs nur solche Pflanzen an, welche mit nur wenigen Wurzeln im B. haften und ihre Nahrung vorzugsweise der Atmosphäre und dem Wasser entnehmen (Algen, Moose, Flechten etc.). Absterbend bilden sie die ersten Pflanzenreste, welche dem B. die Fähigkeit geben, höher organisierte Pflanzen zu tragen; auch diese sterben wieder ab, und so bildet sich im jahrhundertelangen Wechsel zwischen Leben und Sterben die fruchtbare Walderde als der Träger der großartigen Urwaldvegetation, in der Thalsohle die Wiese, im Sumpfboden der Bruch, Moor oder Torf, während überall da, wo die Trümmergebilde nur Sand, Kies oder groben Schutt enthalten, die Flora zurückbleibt oder höchstens bis zur Heide sich erheben kann. Zahllose Tiere leben vom Ertrag des Bodens oder durchwühlen denselben; ihre Exkremente und ihre Kadaver vollenden den Bildungsprozeß, in ihren Zersetzungsprodukten den Pflanzen Nahrung bietend und die Umwandlung des Bodenmaterials in Pflanzennahrung beschleunigend. Dies geschieht auch durch mikroskopische Organismen einfachster Art, welche fermentartig wirken und z. B. die Bildung von Salpetersäuresalzen im B. veranlassen. Der Mensch endlich sucht den irgendwo vorgefundenen B. (Naturboden) zu verbessern, für seine Zwecke nutzbarer zu machen und durch Bearbeitung, Düngung und geeignete Art des Anbaues mit Pflanzen (Fruchtwechsel) seine Tragkraft zu erhalten und zu steigern, ihn zu Kulturboden, Ackererde umzugestalten. Bodenkunde ist die Lehre von der Beschaffenheit der äußersten Erdoberfläche, im engern Sinn die Lehre von der Erforschung der Beziehungen dieses Erdabschnittes zur Vegetation unter dem Einfluß der klimatischen Einwirkungen. Zweck derselben ist im allgemeinen die Bereicherung unsrer wissenschaftlichen Erkenntnis, im besondern deren Verwertung im Dienste des Waldbaues, der Landwirtschaft und der Gärtnerei.

Hauptbestandteile des Bodens.

In jedem B. sind als Hauptbestandteile folgende zu unterscheiden:

1) Luft erfüllt alle Hohlräume und stellt das belebende Agens dar, ohne welches weder ein Pflanzenwachstum noch ein fortschreitender Verwitterungs- und Verwesungsprozeß gedacht werden kann; die Schicht, bis zu welcher der Einfluß der Luft in wirksamer Weise gehen kann, heißt Krume im Gegensatz zum darunterliegenden Untergrund. Die Luft im B. ist reicher an Kohlensäure als die über dem B., nach frischer Düngung und in Gegenwart von vielen Pflanzenresten bis 36mal reicher; sie ist in ihrer lösenden und umwandelnden Kraft demnach auch stärker.

2) Wasser findet sich im B. fließend oder stehend, kapillarisch und hygroskopisch. Ersteres ist nur im nassen B. der Fall und zwar dann, wenn im Untergrund solche Schichten sind, welche den Abfluß des Wassers verhindern, und wenn von höher liegenden Schichten Wasser niederfließt und im lockern B. zu Tage treten kann. Man unterscheidet Schichtwasser, Quellwasser, Grundwasser. Sein Vorhandensein deutet immer aus undurchlassenden B.; seine Entfernung wird ermöglicht durch Durchbrechung dieser Schichten (Ackerfontanelle, s. d.), durch Abfuhrkanäle (Drainage oder offene Gräben) oder durch Ableitung des von oberhalb kommenden Wassers. Das kapillarische Wasser ist dasjenige, welches die feinen Zwischenräume des Bodens vermöge der sogen. Haarröhrchenkraft zurückhalten, ohne es tropfbarflüssig abgießen zu lassen. Es bildet sich aus atmosphärischen Niederschlagen oder durch Kondensation von Wasserdampf bei Temperaturdifferenzen. Die Fähigkeit des Bodens, aus dem Grundwasser kapillarisch die Feuchtigkeit abzuziehen und nach auswärts zu führen, ist abhängig von dessen Zusammensetzung. Die bisherigen Untersuchungen ergaben z. B. für thonigen Lehmboden 0,627 m, für Streusand 0,209 m, für Thonboden 0,47 m, für Torf 0,8 m sogen. Erhebungszone, d. h. die Höhe, bis zu welcher das Wasser kapillarisch über einen Wasserspiegel zu steigen vermag. Hygroskopisches Wasser ist dasjenige, welches die einzelnen Erdpartikelchen als feine Schicht von Wasserdampf umhüllt, angezogen aus der Luft, aus dem Untergrund oder aus der Verdunstung der Wurzeln. Es unterhält das Wachstum bei trocknem Wetter, da B. und Luft das Bestreben haben, ihre Feuchtigkeitszustände auszugleichen. Bei Tage findet Verdunstung mit Wärmeverlust, bei Nacht Verdichtung von Wasserdampf mit Freiwerden von Wärme statt. Die dadurch bewirkten Temperaturdifferenzen können sehr beträchtliche sein, 5-10° R. betragen. Das Wasser muß die im Boden vorhandenen Nährstoffe lösen und den Pflanzen zuführen; die äußersten Wurzelenden nehmen durch Diffusion die Lösungen auf, an den Blättern verdunstet das Wasser wieder. Auf 1 Hektar Land entfallen in Deutschland im Durchschnitt 5-7,5 Mill. kg meteorisches Wasser, am meisten zur Zeit des Stillstandes der Vegetation. Während dieser selbst verdunsten durch die Blätter 5-12 Mill. kg Wasser, mehr also, als der Gesamtniederfall beträgt. Die Differenz repräsentiert den der Atmosphäre entzogenen Wasserdampf. Trockne Luft entzieht dem B. das Wasser und begünstigt das Aufsteigen aus der Tiefe, feuchte Luft gibt Wasser ab