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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Boule oder Boulle; Boulevard; Bouleversieren; Boulingrin; Boullée; Boullier; Boullion; Boulogne

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Boule oder Boulle - Boulogne.

zweiten Restauration ward er nach Nancy verbannt, dort verhaftet und nach Deutschland gebracht, wo man ihm Halberstadt, dann Frankfurt a. M. als Aufenthalt anwies. 1819 nach Frankreich zurückgekehrt, starb er 2. Febr. 1840. Unter seinen vielen politischen Schriften ist die wichtigste: "Tableau des règnes de Charles II et de Jacques II" (Brüss. 1818, 2 Bde.). Außerdem schrieb er: "Bourrienne et ses erreurs volontaires et involontaires" (Par. 1830, 2 Bde.; deutsch, Leipz. 1830), nicht unwichtig für die Geschichte Napoleons I.

2) Henri, franz. Staatsmann, Sohn des vorigen, geb. 15. Juli 1797 zu Paris, widmete sich dem Rechtsfach, war 1837-48 Mitglied der Deputiertenkammer, wo er stets mit der Linken stimmte, lange Zeit auch Munizipalrat von Paris, Mitglied des Generalkonseils im Departement Seine und Kommandant der 11. Legion der Pariser Nationalgarde. Er beschäftigte sich besonders mit der gesellschaftlichen Ökonomie und dem öffentlichen Unterricht. Die Gründung der Zufluchtshäuser (salles d'asyle), die Erweiterung des Elementarunterrichts, manche Verbesserung in der Lage der arbeitenden Klassen veranlaßte oder unterstützte er. In der Nationalversammlung von 1848 hielt er sich zu den gemäßigten Republikanern. Am 20. Jan. 1849 ward er zum Vizepräsidenten erwählt. Nach dem Staatsstreich vom 2. Dez. 1851 wurde er Senator. Er starb 24. Nov. 1858 in Paris. - Auch sein jüngerer Bruder, François Joseph (geb. 1799), war ein eifriger Anhänger des zweiten Kaiserreichs.

Boule oder Boulle (eigentlich Buhl), Charles André, Kunsttischler, geb. 11. Nov. 1642 zu Paris, gest. 29. Febr. 1732 daselbst, brachte das nach ihm benannte Verfahren (Boulearbeit) auf, die aus kostbaren Hölzern (meist Ebenholz) verfertigten Möbel durch eingelegte Ornamente aus Schildkrot, graviertem Metall und Elfenbein zu verzieren. Er war seit 1672 im Dienst Ludwigs XIV. thätig und hat ganze Zimmer mit Marketeriearbeiten versehen. Er war auch Architekt, Maler und Siegelarbeiter. Die Boulearbeiten, welche später auch von seinen Söhnen angefertigt wurden, stehen hoch im Preis.

Boulevard (franz., spr. buhl'war), Wall, Bollwerk; dann die auf dem Wall einer Stadt angelegten Spaziergänge; besonders die auf den abgetragenen Wällen zu Paris entstandenen, mit Alleen bepflanzten Straßen (s. Paris).

Bouleversieren (franz., spr. buhlwerss-), umstürzen, zerstören, zerrütten; Bouleversement (spr. buhlwerssmang), Umstürzung, Zerstörung.

Boulingrin (franz., spr. bulänggrang), korrumpiert aus dem englischen Bowlinggreen (s. d.).

Boullée (spr. boule), Aimé Auguste, franz. Historiker, geb. 4. Nov. 1795 zu Bourg (Ain), studierte die Rechtswissenschaft und widmete sich dann dem Staatsdienst. 1821 erhielt er die höchste richterliche Stelle in seiner Vaterstadt, wurde zwei Jahre später zum königlichen Prokurator in Bergerac, dann (1826) zu Mâcon ernannt, erhielt infolge des Regierungswechsels 1830 seinen Abschied und widmete sich fortan in Lyon, seit 1850 in Paris geschichtlichen Studien. Er starb 1. Juni 1870 in Passy bei Paris. Es erschienen von ihm: "Histoire de Démosthène" (Par. 1834, 2. Aufl. 1868); "Histoire de la vie et des ouvrages du chancelier d'Aguesseau" (1835, 2. Aufl. 1849); "Histoire de la France pendant la dernière année de la Restauration" (1839, 2 Tle.); "Histoire complète des États généraux et des autres assemblées de la France 1302-1626" (1845, 2 Tle.); "Études biographiques sur Louis-Philippe" (1849); "Essai sur la vie et les ouvrages de M. Portalis" (1859); "Biographies contemporaines" (1863, 2 Bde.). Außerdem veröffentlichte B. kleinere Abhandlungen, zahlreiche Artikel in der "Biographie universelle" u. a. Seine Schriften sind geschätzt wegen ihrer Gründlichkeit.

Boullier (spr. bujeh), Auguste, franz. Geschichtsforscher, geb. 22. Febr. 1833 zu Roanne, widmete sich dem Studium der Litteratur und Geschichte und machte Reisen nach Italien, Deutschland, England, Asien und Afrika, über welche er viel in Journalen schrieb. 1869 wurde er als liberaler Kandidat in den Gesetzgebenden Körper gewählt und gehörte 1871-1875 der Nationalversammlung an, in welcher er sich dem rechten Zentrum anschloß. Er schrieb: "Essai sur l'histoire de la civilisation en Italie: Les barbares" (1861); "Origine et formation de l'État de l'Église"; "L'île de Sardaigne; dialecte et chants populaires, description, histoire, statistique" (1865); "Études de politique et d'histoire étrangères: Allemagne, Turquie, Italie" (1870); "L'art vénitien" (1870).

Boullion (spr. buljen), in England und Nordamerika das ungemünzte Gold und Silber in Gestalt dicker Stäbe und Barren.

Boulogne (B. sur Mer, spr. bulonnj ssür mähr), alte, durch Forts verteidigte Seestadt im franz. Departement Pas de Calais, Hauptort eines Arrondissements und Station der Französischen Nordbahn, liegt an der Mündung der Liane in den Pas de Calais und besteht aus der engen und unregelmäßigen, von Mauern umgebenen Oberstadt, mit schöner Aussicht auf das Meer bis Dover, und der neuern und volkreichern Unterstadt, die sich am Strand längs der Liane hinzieht, dem Sitz des Handels, mit den schönsten Straßen, Hotels und Kaufläden. Beide Teile sind durch die abschüssige Rue grande miteinander verbunden. Über die Liane führen drei Brücken zur Vorstadt Capécure, welche das Hafenbassin und die Bahngebäude enthält. Merkwürdige Gebäude sind: das Stadthaus (angeblich an Stelle des Schlosses erbaut, in welchem Gottfried von Bouillon 1061 geboren ward) mit hohem Glockenturm; die Citadelle, in welcher Ludwig Napoleon 1840 gefangen saß; die Kirche Notre Dame de B., 1827-66 an Stelle der alten Kathedrale erbaut, mit kostbarem Hochaltar und dem vielverehrten Gnadenbild der Patronin. Die Stadt zählt (1881) 44,842 Einw. Der Hafen, von Napoleon sehr vergrößert und vertieft, später mit zwei neuen Molen sowie mit Leuchttürmen ausgestattet, neuerdings noch weitern Verbesserungen unterworfen, ist für Handelsschiffe trefflich geeignet, obschon bei der Ebbe die Schiffe auf dem Trocknen liegen. Handel und Schiffahrt von B. sind bedeutend und der Hafen von B. für den Verkehr mit England und die Verschiffungen von Edelmetallen der wichtigste Frankreichs. 1882 liefen (meist unter englischer Flagge) 2302 Schiffe mit 558,481 Ton. ein und 2319 Schiffe mit 560,283 T. aus. Der gesamte Warenverkehr im Hafen von B. belief sich 1882 auf 556,865 T. im Wert von etwa 500 Mill. Frank, wovon der Hauptteil (401,293 T.) auf die Einfuhr vom Ausland (vornehmlich England) entfiel. Die Einfuhr besteht namentlich in Schafwolle, Schafwoll- und Baumwollwaren, Seide, Garnen aller Art und Seidenwaren; die Ausfuhr gleichfalls in Schafwollwaren, Seide und Baumwollwaren, dann in Leder, Lederwaren und Wein. Regen Verkehr hat B. ferner als Hauptstation der französischen Nordseefischerei (Heringe, Makrelen, Austern) und als stark frequen-^[folgende Seite]