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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Bronze

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Bronze (Verarbeitung zu Kunstgegenständen).

Bewegung in Österreich von vornherein klar und deutlich die Wege vorgezeichnet waren, so auch der Bronzewarenindustrie: sie hatte sich an die Formen der italienischen Früh- und deutschen Renaissance des 16. Jahrh. zu halten. Auch hier suchten zunächst das Kaiserhaus, Staat und Stadt durch reichliche und umfangreiche Bestellungen dem jungen Handwerk unter die Arme zu greifen. An ihnen hat sich eine große Anzahl Künstler und Handwerker gebildet. Die Wiener Bronzewarenindustrie erzeugt im wesentlichen kleinere Gebrauchsgeräte aller Art, vorwiegend Schreibgarnituren, Leuchter, Kassetten etc. Ein Haupterzeugnis der Wiener Industrie sind Kronleuchter, deren vortreffliche Konstruktion, Gestaltung, verständige Ornamentation, überhaupt richtige Durchbildung schnell allgemeine Anerkennung und weiteste Verbreitung gefunden und sich gesichert haben. Der mit dem Österreichischen Museum verbundenen chemisch-technischen Versuchsanstalt ist es gelungen, eine Anzahl Verfahren zu erfinden, welche die alten kostspieligen Prozesse der farbigen Metalldekoration auf ungleich billigerm Weg herzustellen ermöglichen. Namentlich Arbeiten mit nachgeahmten Tauschierungen bilden heute einen Hauptexportartikel der Wiener Industrie. Gleiche Sorgfalt wandte man dem Email, namentlich dem gemalten und sogen. Venezianer, zu; ferner ward das kalte Email, welches sich besonders für die unechten Schmucksachen eignet, aber auch für zahlreiche andre Gegenstände seiner Billigkeit und einfachen Herstellung wegen brauchbar ist, wieder in ausgedehnter Weise zur Anwendung gebracht. Die bedeutendsten Fabriken sind in Wien Dziedzinski u. Hanusch, Hollenbach, Klein u. Kellermann.

Deutschland begann erst spät mit einigen schwachen Versuchen in der Bronzewarenindustrie, welche kaum über die Grenze ihres Entstehungsorts hinaus bekannt wurden. Das deutsche Publikum nahm mit den seiner Zeit enthusiastisch begrüßten Eisengußwaren der Harzer und andrer Hütten vorlieb, begnügte sich dann mit angeblich bronzierten Zinkgüssen und stand den Bronzewaren anfangs ziemlich fremd gegenüber. Ein eigentliches Verständnis für den Wert der Bronzewaren hat sich eben erst in den obern Klassen Bahn gebrochen, was in dem für die frühern deutschen Verhältnisse und gegen die Zinkgüsse relativ hohen Preis echter Bronzewaren seine Ursache hat. Fördernd für die Hebung der deutschen Bronzewarenindustrie wirkt dagegen der Umstand, daß die Kleingeräte etc. der französischen Fabrikanten durchaus nicht dem deutschen Geschmack entsprechen. Vollends ablehnend verhielt man sich gegen die französischen Bronzen, als sich in Deutschland durch die Anknüpfung und Wiederaufnahme der Formen der deutschen Renaissance ein eigner Stil zu entwickeln begann. Die Leistungen auf diesem Gebiet in Deutschland sind um so mehr anzuerkennen, als es sich hier um eine ganz neue Industrie handelt, die, aller Tradition bar, unter äußerst schwierigen Verhältnissen eine Stellung hat erkämpfen müssen. Die Bronzewarenindustrie hat die Wandlungen der gesamten kunstgewerblichen Entwickelung durchgemacht. Anfangs fast ausschließlich der Renaissance zugeneigt, hat sie jetzt auch die Formen des Barock- und Rokokostils adoptiert. Während die Pariser Bronzewaren, namentlich die Modewaren, in Form und raffinierter Durchbildung sich ebensowohl in Silber herstellen lassen, hat man sich in Deutschland wesentlich auf die breiten Formen der alten Bronzen beschränkt. Mit der Würdigung gerade der alten deutschen, speziell Nürnberger, Bronzen und ihrer Benutzung wurde zugleich dem zu engen Anschließen an die italienischen Arbeiten vorgebeugt. So hat im Gegensatz zur französischen Bronzewarenindustrie die deutsche den umgekehrten Gang der Entwickelung genommen. Nur fehlt ihr noch zu reicherer Ausbildung die Förderung der Staatsregierungen, um mit Frankreich erfolgreicher wetteifern zu können. Die Bronzewarenfabriken verteilen sich ziemlich ungleichmäßig in Deutschland. Der bedeutendste Betrieb findet in Berlin statt; namentlich werden hier Beleuchtungskörper und kleines Gebrauchsgerät gefertigt. Hervorragende Fabriken sind: Aktiengesellschaft für Bronzewarenindustrie, vormals Spinn u. Sohn; Kramme (s. Tafel, Fig. 4, 15), Otto Schulz (s. Tafel, Fig. 2, 6, 7, 12, 13), Arndt u. Marcus, Schäfer u. Hauschner. In Dresden hat sich die Herstellung von Entwürfen für Bronzewaren schnell gehoben, namentlich durch die eifrige Förderung des dortigen Kunstgewerbemuseums; doch werden die meisten in Lauchhammer ausgeführt. Dagegen ist München auf diesem Gebiet zurückgeblieben, obgleich von einzelnen Künstlern (nicht Fabrikanten) Hervorragendes geleistet wird. Sehr bedeutend ist die Fabrik von A. Stotz in Stuttgart, deren Arbeiten zu den hervorragendsten in Deutschland zählen (s. Tafel, Fig. 3, 9, 11). Die Fabrik liefert bereits Luxuswaren, wie Uhren, Ofenschirme u. a., in vorzüglicher Durchbildung, zum Teil mit Verwendung andrer Materialien. Das in Deutschland verarbeitete Material ist eine durch reichlichen Zinn- und Zinkgehalt ausgezeichnete weiche, daher billiger zu bearbeitende B., welche dem Messing nahesteht, bekannt unter der Bezeichnung cuivre poli. Neben der Gußware hat sich neuerlich die Herstellung gestanzter Arbeiten ziemlich ausgedehnt, indem verzierte Gebrauchsgeräte, als Theekessel, Kaffeemaschinen etc., auch Ziergeräte, wie Schüsseln, in großen Mengen und reichen Mustern produziert werden, hauptsächlich in Berlin durch Th. Guiremand. Während sich die Nachfrage nach Bronzewaren in Deutschland selbst langsam steigert, hat sich die Industrie bereits ein nicht unbedeutendes Exportgebiet erobert, namentlich Amerika und Rußland. Gegenüber den großen Anstrengungen, überhaupt erst festen Fuß zu fassen, sind natürlich auf Neuerungen in Bezug auf Färbung, Schmuck etc. der Bronzewaren ausgehende Versuche nur wenig angestellt worden. Der verstorbene Geheime Kommerzienrat Ravené in Berlin ließ aus Japan zwei Emailarbeiter kommen, welche die Lehrmeister der neu zu schulenden Arbeiter wurden. Man beschränkte sich auf die Herstellung von Grubenschmelz (émail champlevé) auf B.; die Exzipienten (Bronzeteile zur Aufnahme des Schmelzes) werden gegossen und dadurch eine relativ billige Ware erzielt. In England hat sich der allgemeine Umschwung auf dem kunstgewerblichen Gebiet auch auf die Bronzewaren erstreckt, ohne daß dadurch eine wesentliche Steigerung der Produktion und Nachfrage eingetreten wäre. Man zieht es hier vor, alte Arbeiten in Gebrauch zu nehmen, namentlich französische Bronzen im Stile Ludwigs XVI. Italien zeichnet sich vor allem durch die massenhafte Reproduktion antiker Bronzen, sowohl Figuren als Geräte, aus. Dabei kommt es mehr darauf an, den Charakter des "Alten" zu erzielen, als die Stücke künstlerisch durchzubilden; es werden die meist ganz roh gegossenen Bronzewaren künstlich patiniert oder sogar gefärbt, so daß von Feinheiten der Form wenig zu sehen ist. In den letzten Jahren wendet man sich auch eifrig der Reproduktion guter Renaissancebronzen zu, nicht immer in der Absicht, sie wirklich als Nachbildungen an den Mann zu bringen; namentlich blüht diese In-^[folgende Seite]