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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Bruno

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Bruno.

richs I. und Bruder Kaiser Ottos I., geb. 925, ein gewandter Staatsmann und einflußreicher Beförderer wissenschaftlicher Studien unter der Geistlichkeit, ward in Utrecht für den geistlichen Stand erzogen und schon 940 von Otto I. zum Reichskanzler und später zum Erzkaplan ernannt. Er brachte die Kanzlei in Ordnung und bemühte sich eifrig um die höhere Bildung der Geistlichkeit; er unterrichtete junge Kleriker selbst, während er gleichzeitig sich in den Wissenschaften fortbildete. 951 begleitete er seinen Bruder nach Italien und stand ihm im Kampf mit seinen Söhnen treu zur Seite. 953 wurde er zum Erzbischof von Köln und 954 nach Absetzung Konrads, des aufrührerischen Schwiegersohns des Kaisers, zum Herzog von Lothringen ernannt. Doch hatte er lange zu kämpfen, um die unruhigen Großen Lothringens zu unterwerfen, und wurde auch wiederholt zur bewaffneten Einmischung in die französischen Thronstreitigkeiten genötigt. Gleichzeitig unterstützte er Otto in der Reichsregierung und übte namentlich auf die Besetzung der Bistümer maßgebenden Einfluß aus. Auf einem neuen Besuch in Frankreich, um seine hadernden Neffen zu vergleichen, starb er 11. Okt. 965 in Reims. Sein Leben beschrieb Ruotger in der "Vita Brunonis" (abgedruckt in Pertz' "Monumenta Germaniae historica, Scriptores", Bd. 4; deutsch von Jasmund, Berl. 1851). Vgl. E. Meyer, De Brunone I. (Berl. 1867); Pfeiffer, Historisch-kritische Beiträge zur Geschichte Bruns I. (Köln 1870).

2) B., der Heilige, der Apostel der Preußen, aus dem Geschlecht der Herren von Querfurt, geboren um 970, wurde Kanonikus zu Magdeburg, trat dann in den Benediktinerorden. Schwärmerisch angeregt vom heil. Romuald, dem Stifter der Kamaldulenser, widmete er sich der Mission unter den heidnischen Slawen, war seit 1004 in Polen, Ungarn und Rußland als Missionär thätig und wurde 14. Febr. 1009 mit 18 Begleitern von den Preußen erschlagen. Herzog Boleslaw I. erkaufte lange nachher ihre noch unbeerdigten Leichname. Später wurde B. unter die Heiligen versetzt. Tag: der 15. Oktober. Vgl. Heine, Der heil. Brun ^[richtig: Bruno] von Querfurt (Querf. 1877).

3) Geschichtschreiber des 11. Jahrh., Geistlicher in Magdeburg und in der Kanzlei des Erzbischofs Werner, eines Bruders Annos von Köln und erbitterten Gegners von Heinrich IV., beschäftigt, nach dessen Tod in Diensten des Bischofs Werner von Merseburg, zuletzt Kanzler des Gegenkönigs Hermann, schrieb 1082 eine "Historia belli saxonici" von 1073 bis 1081, die er dem Bischof von Merseburg widmete, eine gehässige Parteischrift, vom klerikalen und sächsischen Standpunkt aus Heinrich IV. verleumdend, dabei oberflächlich und unzuverlässig, dennoch aber wegen mehrerer wichtiger Nachrichten und Briefe wertvoll. Sie ist herausgegeben von Pertz in den "Monumenta Germaniae historica, Scriptores", Bd. 5 (deutsch von Wattenbach, Berl. 1853).

4) B. von Köln, der Heilige, Stifter des Kartäuserordens, geboren um 1040 zu Köln aus edlem Geschlecht, studierte in Reims, wurde Kanonikus an St. Kunibert zu Köln, dann Rektor der Domschule in Reims. Seit 1086 lebte er mit sechs Genossen in der wilden Gebirgskluft Chartreuse bei Grenoble in kleinen, um ein Bethaus gebauten Hütten in streng asketischer Gemeinschaft, aus welcher nachmals der Kartäuserorden hervorging. Das ihm angetragene Erzbistum von Reggio schlug er aus und baute 1094 eine neue Kartause bei Della Torre in Kalabrien, wo er 1101 starb. B. wurde 1628 kanonisiert. Tag: der 6. Oktober. Seine Schriften, die meist unecht sind, erschienen zu Paris (1524) u. Köln (1611). Vgl. Tappert, Der heil. B. (Luxemb. 1872).

5) Heiliger, aus dem Geschlecht der Herren von Soleria in Piemont, wurde Kanonikus in Asti und 1077 Kardinal und Bischof zu Segni, ging 1104 als Mönch in das Kloster zu Monte Cassino, ward hier 1107 Abt, übernahm aber später wieder sein Bistum und starb 1123. Er wurde 1183 kanonisiert. Tag: der 18. Juli. Seine Werke wurden herausgegeben von Bruno Bruni (Rom 1789-91).

Bruno, Giordano (Jordanus Brunus), berühmter Philosoph, geboren um 1550 zu Nola im Neapolitanischen (daher B. Nolanus), trat seiner freimütigen Ansichten wegen 1580 aus dem Dominikanerorden, dem er seit Jahren angehörte, aus und entfloh nach Genf; da er dort gleiche Unduldsamkeit und starre Orthodoxie antraf, weiter nach Lyon, Toulouse und endlich 1582 nach Paris, wo er mit Beifall philosophische Vorträge hielt, aber bald mit den Anhängern des Aristoteles in heftigen Streit geriet. Hier gab er auch seine an mutwilligen Einfällen und komischen, oft cynischen Zügen reiche Komödie "Candelajo" ("Der Lichtzieher") heraus sowie einige philosophische Schriften, größtenteils Bearbeitungen der Logik und Mnemonik des Lullus. Bedrängt von den Aristotelikern, begab er sich 1583 nach London, wo er von dem französischen Gesandten Michel de Castelnau, Herrn de la Mauvisière, wohlwollend aufgenommen wurde. Dort schrieb er seinen "Spaccio della bestia trionfante" (Par. 1584; engl. von Toland, 1713; franz. Auszug u. d. T.: "Le ciel réformé" vom Abbé Louis Valentin de Vaugny, 1750), drei Gespräche, in welchen die Tugenden durch die Laster, beide als himmlische Konstellationen dargestellt, vom Firmament verjagt werden, mit satirischen Anspielungen auf die Hierarchie; "La cena delle ceneri", in welcher er als Verteidiger des kopernikanischen Weltsystems und mit der Behauptung von der Mehrheit bewohnter Weltkörper auftrat, und seine wichtigsten Werke: "Della causa, principio ed uno" (Vened. 1584; deutsch von Lasson, Berl. 1873) und "Del infinito universo e mondi" (Vened. 1584). Seine Neigung zum unsteten Leben trieb ihn 1585 abermals nach Paris, 1586 nach Wittenberg, 1588 nach Prag, wo er seine "Articuli centum et sexaginta contra mathematicos et philosophos" und seine Schrift "De specierum scrutinio et lauripode combinatoria Raym. Lulli" herausgab, hierauf nach Helmstedt, wo er eine Professur mit Gehalt erhielt, die er aber schon im nächsten Jahr wieder aufgab, weiter nach Frankfurt a. M. (1590), Padua (1592) und endlich nach Venedig, wo er 1598 von der Inquisition ergriffen und nach Rom ausgeliefert ward. Wegen Abfalls von der katholischen Kirche und Bruches der Ordensgelübde zum Tod verurteilt, ward er 17. Febr. 1600 in Rom auf dem Campo dei Fiori lebendig verbrannt. Seinen Richtern rief er zu, sie fällten mit größerer Furcht das Urteil, als er es empfange. Das befreite Italien errichtete ihm als Märtyrer der freien Überzeugung eine Statue zu Neapel, vor welcher Studenten 7. Jan. 1865 die päpstliche Encyklika vom 8. Dez. 1864 verbrannten.

Brunos Philosophie ist in ihrem logischen Teil eine Wiedererweckung der "großen Kunst" des Lullus, die er als unfehlbare Methode sowohl zum Finden als zum Behalten der Wahrheit pries; in ihrem metaphysischen Teil eine Verschmelzung der Theorie des Nikolaus von Cusa (s. d.) von der Entstehung des Endlichen durch Selbsteinschränkung des Unendlichen mit dem kopernikanischen Weltsystem, die er zu einer