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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Budapest

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Budapest (Promenaden, Vergnügungsorte, Umgebung; Geschichte).

(darunter auch eines deutschen Berufskonsulats). Die Munizipalverfassung von B. ist durch Gesetz von 1872 neu geregelt worden. An der Spitze der Verwaltung stehen ein von der Regierung ernannter Oberbürgermeister, ein gewählter Bürgermeister, die Stadtrepräsentanz und der Magistrat. Chef der hauptstädtischen Polizei ist der Oberstadthauptmann. Vorzüglich organisiert ist das Feuerlöschwesen.

Promenaden, Vergnügungsorte, Umgebung.

An Promenaden bestehen die schon erwähnten Squares am Franz-Josephskai, der Museumgarten, die Elisabeth-, Joseph- und Széchényi-Promenade, dann der Burggarten am Abhang der Ofener Festung mit der angrenzenden Ellipse. An der äußern Peripherie der Stadt liegen zwei große Parkanlagen: das Stadtwäldchen, der besuchteste und ausgedehnteste Spaziergang von B., mit zahlreichen Restaurations- und Vergnügungslokalen, einem Tiergarten, großem Teich mit mehreren Inseln, dem neuen artesischen Bad und der anläßlich der Landesausstellung 1885 daselbst erbauten großen Industriehalle, dem Königs- und Kunstpavillon; dann der Orczygarten am Ende der Üllöer Straße. Unweit von dem großen Exerzierplatz (Generalswiese) in der Christinenstadt befindet sich der Stadtmeierhof mit Alleen und Grasplätzen.

Unter den Vergnügungsorten ist der schönste die mit einem Kostenaufwand von mehreren Millionen Gulden in einen großartigen Park umgewandelte, 2½ km lange Margareteninsel, welche zur Zeit der Arpaden ein Wildgehege war und nach der Tochter Belas IV., welche in dem hier von ihrem Vater erbauten Kloster ihr Leben beschloß, den jetzigen Namen erhielt. Die Insel, eine der Hauptsehenswürdigkeiten von B., ist Eigentum des Erzherzogs Joseph und enthält außer Restaurationen und Hotels einen artesischen Brunnen mit einer warmen Schwefelquelle (44° C.), das in edlem Renaissancestil (von Ybl) errichtete Margaretentheater, ein erzherzogliches Palais, eine ganze Villenkolonie etc. und eine Straßenbahn. Reich an landschaftlich schöner Umgebung ist die Ofener Seite, um welche sich ein Kranz von Bergen im Halbkreis lagert. Derselbe beginnt südlich mit dem Blocksberg (St. Gerhardsberg, s. d.). An ihn schließen sich an: der zweigipfelige Adlersberg (Sashegy), 264 m hoch, an dessen Lehnen der beste Ofener Rotwein wächst, dann nördlich der villenbedeckte Rücken des Großen Schwabenbergs (Széchényiberg), auf welchen von Ofen her eine 3 km lange Zahnradbahn (System Rigi) führt, 380 m hoch; nordöstlich schließt sich der 259 m hohe Kleine Schwabenberg an, an welchen weiter die schönen Thäler des Auwinkels (früher Sauwinkel, Wildpark des Königs Matthias), des besuchtesten Erholungsorts der Hauptstadt (Fasan, Saukopf, Schöne Schäferin etc.), der 523 m hohe Johannis-, Linden-, Dreihotter- (491 m) und Gaisberg und das Leopoldifeld angrenzen. Geringeres Interesse bietet die flache Umgebung der Hauptstadt auf der Pester Seite. Östlich von der Stadt liegt das Feld Rákos (s. d.), darin (35 km entfernt) das königliche Schloß Gödöllö (s. d.); nördlich von der Stadt an der Donau Neupest (Ujpest), eine jüngst ausgeblühte Kolonie von B., welche vor 30 Jahren in einer dem Grafen Stephan Károlyi gehörigen Sandwüste gegründet wurde und 1881 bereits 11,668 Einw. zählte, mit vielen Industrie-Etablissements, einem Winterhafen für Dampfschiffe und dem großen Wasserleitungswerk. 17 km nordöstlich von B. befindet sich endlich das Dorf Föth mit (1881) 2278 Einw., einem Schloß, ausgedehntem Park und schöner Kirche im romanischen Stil, welche Gras Stephan Károlyi 1845 bis 1856 mit einem Kostenaufwand von gegen 2 Mill. Guld. erbauen ließ (an der Fassade die Bronzefigur der Maria Immaculata von Fernkorn, im Innern Fresken von Karl Blaas und Marmorstatuen von Tenerani).

Geschichte von Pest.

Der Ursprung Pests, dessen Name im Magyarischen s. v. w. Osten bedeutet, ist dunkel. Schon die Römer hatten in dieser Gegend eine Kolonie (Trans- und Contra-Acincum, s. Ofen), und unter Geisa II. wird zuerst des Pester Zolles gedacht. Im 13. Jahrh. gab es schon eine ansehnliche, von deutschen Einwohnern besetzte Stadt, Pest oder "Alt-Ofen", im Gegensatz zur jüngern, mit Alt- und Neu-Buda verwachsenden "Schwaben"-Kolonie "Neu-Ofen" so zu nennen, von welcher sie im 14. Jahrh. weit überflügelt ward und bis ins 15. Jahrh. abhängig blieb. Als minder geschätzte Stadt ward sie 1241 von den Mongolen zerstört, erholte sich aber bald wieder und teilte nun alle Drangsale, welche nach dem Erlöschen des Arpadschen Mannesstammes 1307 das Reich durch die ausländischen Kronprätendenten, die Streifzüge der Hussiten und später durch das Kreuzheer des Georg Dosa traf. Gleichwohl gewann sie an Flor, namentlich durch die inzwischen gegenüber sich erhebende nachmalige Residenz Ofen und durch die Reichsversammlungen, welche aus der nahen Rákosebene gehalten wurden. Nach der Niederlage von Mohács 1526 sank die Stadt unter der Herrschaft der Türken und infolge der vielen Belagerungen der Festung Ofen zum Schutthaufen herab. Erst nach der Vertreibung der Türken 1686 hob sie sich bald durch neue Ansiedler, meist Deutsche und Raizen, durch ihre günstige merkantile Lage, durch die Erneuerung des Privilegiums einer königlichen Frei- und Tavernikalstadt (1703) sowie dadurch, daß sie 1723 der Sitz der höchsten Instizbehörden des Reichs wurde. Karl VI. erbaute 1727 die prächtige Invalidenkaserne, und Joseph II. verlegte 1784 die Universität von Ofen hierher, erbaute das Generalseminar und das große Lagerspital. Seit Beendigung der Türkenkriege 1789 blühte Pest noch mehr auf. Wiederholt den Überschwemmungen der Donau ausgesetzt, ward die Stadt von einer der furchtbarsten im Frühjahr 1838 heimgesucht, wo an 3000 Häuser zerstört wurden und mehrere Hunderte von Menschen das Leben verloren. 1848 ward der Sitz der revolutionären Regierung und des Reichstags Ungarns von Preßburg hierher verlegt. Am 4. Jan. 1849 verließ Kossuth mit der Armee die Stadt, am 5. zogen Windischgrätz und Jellachich ein, und am 7. Jan. ward Pest in Belagerungszustand erklärt. Am 23. April räumten die Österreicher die Stadt wieder, und Dembinski besetzte dieselbe, worauf sie 4. Mai von Ofen aus durch die Österreicher bombardiert wurde. Nach der Kapitulation von Világos (August 1849) besetzten die Österreicher die Stadt wieder. Nach dem Ausgleich (1867) erlangte Pest als Hauptstadt der Länder der ungarischen Krone eine größere politische Bedeutung und einen gleichen Rang mit Wien, indem die Delegationen abwechselnd hier tagten und der König öfters seine Residenz daselbst nahm. Seit 1872 mit Ofen zu der Stadt B. vereinigt, blühte sie infolge ihrer glücklichen Lage, überdies von der ungarischen Regierung begünstigt, außerordentlich aus. Der ungarische Adel verlegte seinen Sitz von Wien nach B. Zugleich wurde von seiten der Behörden die völlige Magyarisierung der Hauptstadt nach Kräften betrieben. Über die Geschichte Ofens s. d. Vgl. Hevesi, B. und seine Umgebungen (Budap. 1873); Sturm, Kulturbilder aus