Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Chenika; Chenille; Chenonceaux

992

Chenika - Chenonceaux.

Auffassung und dem ernsten Streben des Dichters. Seine bukolischen Gedichte sind zarte, graziöse Genremalereien, meist im Spiegel antiken Lebens; die Elegien schildern die Freuden und Leiden des Poeten, sein Bedürfnis nach Freundschaft und Liebe, seine Sehnsucht nach der Natur und seine Befriedigung im Studium; in den Episteln spricht er von dem hohen Flug, den sein Genius zu nehmen gedachte. Die schönsten Blüten seiner Poesie finden sich in seinen Oden ("À Fanny", "À Charlotte Corday", "La jeune captive", "Versailles") und in den Iamben ("Comme un dernier rayon"); hier ist Harmonie und Präzision der Form mit Innigkeit und Wahrheit des Gefühls aufs glücklichste verbunden. So tritt C. in scharfen Gegensatz zu der trocknen Verstandespoesie des 18. Jahrh., wird aber doch mit Unrecht von den Romantikern zu den Ihrigen gerechnet. Mit größerm Recht nennt ihn Sainte-Beuve "notre plus grand classique en vers depuis Racine et Boileau". Zu seinen Lebzeiten sind nur zwei seiner Gedichte gedruckt worden: das "Jeu de paume" und der Hymnus auf die revoltierenden Schweizer. Seine hinterlassenen Gedichte, meist Fragmente, wurden teilweise 1819 von Latouche veröffentlicht und mit Begeisterung aufgenommen. Jede neue Ausgabe brachte mehr Material; allein vollständig liegen die Poesien erst vor seit der Ausgabe Gabriel de Chéniers (1874), eines Neffen von André C. Am meisten zum Verständnis des Dichters beigetragen haben die geistvollen Studien Sainte-Beuves (in der "Revue des Deux Mondes" 1839, 1851) und die kritischen Ausgaben von Becq de Fouquières (1862, 1872, 1882); dieser hat auch die prosaischen Schriften Chéniers von neuem herausgegeben (1872). Die neuesten Pariser Ausgaben (von Joubert 1883, Moland 1883, Manuel 1884) bieten nichts Neues; doch ist die erste empfehlenswert. Vgl. Becq de Fouquières, Lettres critiques sur la vie, les oeuvres, les manuscrits d'André C. (Par. 1881).

2) Marie Joseph de, franz. Dichter, der Hauptdramatiker der französischen Revolution, geb. 11. Febr. 1764 zu Konstantinopel, Bruder des vorigen, kam mit diesem sehr jung nach Paris und trat als Dragoneroffizier in das Heer, schied jedoch bald wieder aus, um sich ungestört der Dichtkunst zu widmen. Mit seinen ersten Tragödien fiel er gänzlich durch; dagegen fand "Charles IX" (1789) rauschenden Beifall, mehr jedoch wegen des revolutionären Inhalts und des Appells an die Leidenschaften des Volkes als wegen seines poetischen Werts. Mit der Titelrolle dieses Stücks begründete Talma seinen Ruhm. Es folgten darauf die Tragödien: "Henri VIII", "Calas", "Cajus Gracchus", "Fénelon", "Timoléon", die indessen weniger Beifall fanden; ja "Gracchus" und "Timoléon" wurden streng unterdrückt, weil man in ihnen mißbilligende Anspielungen auf Robespierre argwöhnte. Nachdem C. schon Mitglied des Konvents gewesen, trat er auch in den Rat der Fünfhundert und in das Tribunal; auf seinen Antrag wurde 1792 die Einrichtung der Primärschulen beschlossen. Er war einer der ersten Mitglieder des Instituts, das er hatte errichten helfen, und übernahm 1803 das Amt eines Generalinspektors des Unterrichts. Sein zur Krönung Napoleons aufgeführtes Drama "Cyrus" gefiel weder dem Publikum noch dem Kaiser und erlebte nur eine Aufführung; gar nicht aufgeführt wurden die Tragödien: "Philippe II", "Brutus et Cassius, ou les derniers Romains", "Tibère", "Oedipe roi", "Oedipea Colone", "Nathan le Sage" etc., deren Titel zumeist schon zeigen, woher sie genommen sind. Durch den "Tibère" und vollends durch die "Épître à Voltaire" machte C. sich den Kaiser direkt zum Feind; er mußte sein Amt als Generalinspektor niederlegen, hielt 1806-1807 am Athenäum Vorlesungen über die französischen Litteraturgeschichte und starb 10. Jan. 1811. Seine Tragödien enthalten mehr hohle Phrasen als Handlung, mehr Rhetorik als Poesie; die Charaktere sind mehr skizziert als ausgeführt, es fehlte seiner eiteln, selbstgefälligen Natur die Energie der Arbeit. Derselben Art sind seine Oden und Gesänge, welche er zur Verherrlichung der Revolution dichtete, wie die "Hymne à la Raison", "Hymne à l'Être suprème" etc.; dagegen ist der "Chant du départ" nächst der Marseillaise das berühmteste Volkslied geworden. Am glänzendsten zeigt sich Chéniers Talenten den Episteln und satirischen Gedichten; seine "Épître sur la calomnie" (1795), die Antwort auf den Vorwurf seiner Gegner, er habe die Hinrichtung seines Bruders mit herbeiführen helfen, ist unbestritten sein bestes Werk. Gut sind auch: "Le docteur Pancrace", "Les nouveaux saints" (1801), zum Teil gegen Chateaubriand gerichtet, "La petite épître à Jacques Delille", "L'épître à Voltaire" u. a. Unter seinen prosaischen Werken ist das wichtigste das "Tableau de la litterature française depuis 1789 jusqu' à 1808", eine ziemlich oberflächliche Zusammenstellung, welche jedoch neben manchen Ungerechtigkeiten (z. B. gegen Chateaubriand) auch viele treffende Urteile enthält. Sein "Théâtre complet" ist herausgegeben von Daunou (Par. 1818, 3 Bde.); seine "OEuvres complètes" von Arnault (1823-26, 8 Bde.), mit Einleitung und Untersuchungen von Daunou und Lemercier.

Chenika, pers. Getreidemaß, s. Artaba.

Chenille (franz. spr. sch'uihj, verdeutscht: schenillje, "Raupe"), schnurförmiges, rauhes, behaarten Raupen ähnliches seidenes Fabrikat, welches auf folgende Weise dargestellt wird. Man webt taftartige, 9-15 cm breite Bänder, in deren Kette durchgehends 4-6 einfache Seidenfäden mit 2-12 Leinenzwirnfaden wechseln, und deren Einschuß ganz aus mehrfädiger Seide besteht. Diese Bänder zerschneidet man (mitten zwischen den Zwirnfäden durch) mit einer Schere oder einer besondern Maschine in schmale Streifchen und zieht den Zwirn heraus, so daß die Schußfäden an beiden Seiten einen Bart bilden. Die Streifchen erhalten nun im gespannten Zustand eine Drehung gleich den Seilerwaren, so daß sich die Seidenkette bleibend schraubenförmig windet, die Querfädchen aber dichter zusammenrücken und sich nach allen Seiten hin gleichförmig verteilen. Man benutzt C. zu Zierbesatz, Stickereien, künstlichen Blumen, Quasten etc., dann in der Weberei von Shawls, Tüchern, als Einschlag (Wien, Annaberg), wobei man bestimmte Muster erhält, wenn vorher die Bandweberei nach Mustern erfolgte (Chenillestoffe). Blonden und Spitzen mit Figuren aus C. kommen als Chenillespitzen in den Handel. Man fertigt auch C. mit baumwollener Kette und selbst ganz aus Baumwolle. Einen vollständigen Umschwung in der Chenillefabrikation haben die Maschinen von Thiolier und Beysson hervorgebracht, bei denen die C. aus nur zwei Seiden- oder Garnfäden und einem in dichten Schraubenwindungen dazwischengelegte Seidenfaden gebildet wird, wobei dann der letztere sofort durchschnitten und das Ganze gedreht wird.

Chenonceaux (spr. sch'uougssoh), berühmtes Schloß im franz. Departement Indre-et-Loire, an der Eisenbahn von Tours nach Vierzon gelegen, mitten im Flußbett des Cher erbaut und von einem großen

^[Artikel, die unter C vermißt werden, sind unter K oder Z nachzuschlagen.]