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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Corpus juris.

alteten frei zu erhalten. Auch finden sich viele Stellen am ungehörigen Ort (leges fugitivae, erraticae), oder sie wiederholen sich (geminationes). Die Pandekten zerfallen in 50 Bücher, welche, ausgenommen die von 30-32, in einzelne Titel geteilt werden, und diese letztern bestehen wieder in einzelnen Fragmenten oder Leges, deren jedes als ein vom Kaiser ausgegangenes Gesetz betrachtet werden soll. Die Leges sind mit Inskriptionen versehen, um die Schrift des Juristen zu bezeichnen, aus der sie entlehnt sind, und zerfallen meist wieder in ein Principium und Paragraphen. Mit besonderer Rücksicht auf den Unterricht in den Rechtsschulen zerlegte Justinian die Digesten in sieben Teile: der erste Teil, Buch 1-4, enthält die allgemeinen Lehren von Recht, Personen und Sachen; der zweite, Buch 5-11, handelt von dinglichen Klagen; der dritte, Buch 12-19, von persönlichen Klagen; der vierte, Buch 20-27, vom Pfandrecht, der Lehre von den Beweismitteln, der Ehe und Vormundschaft; der fünfte, Buch 28-36, und der sechste Teil, Buch 37-44, vom Erbrecht; der siebente Teil, Buch 45-50, von verschiedenen Materien, im 46. und 47. Buch aber namentlich von Verbrechen und Strafen (libri terribiles). Was die Methode anbelangt, welche die Gesetzgebungskommission bei der Anfertigung, Anordnung und Stellung der einzelnen Titel befolgt hat, so wurden alle dabei zu benutzenden juristischen Werke in drei Hauptklassen oder Massen eingeteilt, von welchen die eine besonders aus den Kommentaren zu den Schriften des Sabinus, die zweite aus Schriften über das prätorische Edikt und die dritte aus Werken von Papinian bestand, die sogen. Sabinus-, Edikts- und Papiniansmasse. Gleichzeitig mit den Digesten entstanden ferner die Institutionen, welche Justinian durch Tribonian und die beiden Rechtslehrer Theophilus und Dorotheus als ein bei den Rechtsschulen zu gebrauchendes Lehrbuch fertigen ließ. Sie beruhen auf dem gleichnamigen ältern Werk des Gajus (s. d.). Diese Institutionen wurden 21. Nov. 533 bekannt gemacht und erhielten gleichzeitig mit den Digesten 30. Dez. d. J. gesetzliche Kraft. Sie zerfallen in vier Bücher, diese in Titel und letztere wieder in ein Principium und Paragraphen. Das erste Buch behandelt die Lehre von den Personen als Subjekten des Rechts, das zweite und dritte die eigentlichen Vermögensrechte und das vierte die Lehre von den Klagen und einiges Prozessualische. Endlich publizierte Justinian noch eine revidierte und verbesserte Ausgabe seines Kodex, welche unter dem Namen Codex repetitae praelectionis bekannt ist und 29. Dez. 534 mit Gesetzeskraft bekleidet wurde. Der neue Kodex zerfällt in zwölf Bücher, im übrigen befolgt er im wesentlichen die Ordnung der Digesten nach den sieben Partes; nur enthält, abweichend hiervon, das erste Buch religiöse Bestimmungen und das neunte bis zum zwölften Buch das öffentliche und das Staatsrecht der spätern Kaiserzeit. Nach dem Abschluß der geltenden Entscheidungsquellen in jenen drei Sammlungen erließ Justinian noch viele Verordnungen, sogen. Novellae, von denen jedoch keine offizielle Sammlung, sondern nur Privatsammlungen existieren. Namentlich wurden von den Novellen, deren Zahl sich auf 168 beläuft, und welche größtenteils ursprünglich in griechischer Sprache verabfaßt waren, 134 an der Zahl in Italien in einer lateinischen Übersetzung gesammelt, die von den Glossatoren unter dem Namen Authenticum oder Liber Authenticorum als gesetzlicher Text anerkannt und in die brauchbaren (ordinariae, neun Kollationen) und die unbrauchbaren (extravagantes, extraordinariae) geteilt wurden. Die genannten vier Sammlungen bilden das in Deutschland rezipierte römische Recht; doch ist dem C. j. civilis noch manches andre angehängt, so 13 Edikte Justinians, Verordnungen späterer Kaiser, die Canones apostolorum und die Libri feudorum. Letztere, aus Arbeiten verschiedener Verfasser zusammengesetzt und in den 80er Jahren des 12. Jahrh. äußerlich aneinder gereiht, enthalten das langobardische Lehnrecht. Sie wurden als zehnte Kollation den Novellen angehängt und erlangten in Deutschland gesetzliche Gültigkeit. Die Verbindung der einzelnen Teile des C. zu einem geschlossenen Ganzen erfolgte durch die Rechtsschule der Glossatoren zu Bologna, deren Unterricht vorzugsweise in einer Exegese des C. bestand. Die daraus hervorgegangenen Glossen, in Gestalt der von Accursius besorgten Glossa ordinaria, bilden einen Bestandteil der glossierten Ausgaben des C. Unter den glossierten Ausgaben sind zu nennen die von Contius (Par. 1576, 5 Bde.), Dionysius Gothofredus (Lyon 1589, 6 Bde.; mit gemeinschaftlichem Titel 1604; vermehrt und verbessert 1612), Fehius (das. 1627, 6 Bde.) und wegen ihrer Handlichkeit die von Baudoza (das. 1593 und mit neuem Titelblatt 1600, 4 Bde.) Von den unglossierten Ausgaben verdient Erwähnung die in kritischer Beziehung wichtige des Haloander (Nürnb. 1529-1531, 6 Bde.). Durch kritische oder exegetische Noten sind ausgezeichnet die von Dionysius und Jacobus Gothofredus (Genf 1624, 2 Bde.), Simon van Leeuwen (Amsterdam 1663), Gebauer und Spangenberg (Götting. 1776-97, 2 Bde.), Beck (Leipz. 1825-36, 5 Bde.), Schrader (unvollendet und nur die Institutionen enthaltend, Berl. 1832, Bd. 1). Die beliebteste Handausgabe mit kurzen kritischen Noten lieferten die Gebrüder Kriegel im Verein mit Emil Herrmann und Osenbrüggen (Leipz. 1828-37; 16. Aufl. 1880, 3 Bde.), die neueste und beste kritische Ausgabe Th. Mommsen und P. Krüger (Berl. 1868 ff., 3 Bde.; 3. Ausg. 1882 ff.). Spezialausgaben der einzelnen Stücke des C. haben wir zu verzeichnen für die Institutionen von Biener (Berl. 1814), Schrader (das. 1836, neueste Aufl. 1874), P. Krüger (das. 1867), Huschke (Leipz. 1868); für die Pandekten von Mommsen und Krüger (Berl. 1866-68, 2 Bde.); für den Kodex von Krüger (das. 1873-77) nebst "Codicis Justiniani fragmenta Veronensia" von demselben (1874); für die Novellen von C. E. Zachariä v. Lingenthal (Leipz. 1881-84, 2 Bde. mit Anhang). Eine deutsche Übersetzung des gesamten C. veranstalteten Otto, Schilling und Sintenis (Leipz. 1830-33, 7 Bde.).

Ähnlich wie das C. j. civilis wurde im spätern Mittelalter das Corpus juris canonici zusammengestellt. Dasselbe Umfaßt zunächst das um 1145 verabfaßte Dekret des Gratian, eines Benediktiners, welches alle frühern Sammlungen, worin die päpstliche Gewalt, die Rechte des Klerus, die Kirchenzucht, die heiligen Gnadenhandlungen abgehandelt waren, Echtes wie Falsches, in ein Ganzes vereinigte. Es enthält drei Teile, von denen der erste und dritte in Distinktionen und Canones zerfallen, der zweite aus Causae (Rechtsfällen) besteht. Hieran reihte sich eine Sammlung der päpstlichen Dekretalen und Konzilienbeschlüsse in fünf Büchern, welche auf Befehl Gregors IX. 1234 durch Raimund von Pennaforte zusammengestellt wurde. Die Sammlung Bonifacius' VIII. von 1298, welche ebenfalls aus fünf Büchern besteht und im Anschluß an die vorige Sammlung der Liber sextus genannt wird, begreift die seit Gregor erlassenen Dekretalen und die Beschlüsse

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