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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Dampfkesselspeiseapparate

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Dampfkesselspeiseapparate.

Jedenfalls muß ein solcher Kessel, bevor er wieder in Betrieb gesetzt wird, sorgfältig untersucht und, wenn das Glühen dem Blech geschadet hat, repariert werden.

Nach Boutigny tritt bei der Wasserbenetzung der erglühten Kesselwandungen zunächst der sogen. sphäroidale Zustand (Leidenfrosts Phänomen) ein, d. h. das Wasser bleibt über den glühenden Stellen, ohne diese zu berühren, in Form von kugelförmigen Tropfen stehen, welche zuerst langsam zu verdampfen beginnen und erst dann, wenn die Eisenfläche sich bis auf einen gewissen Grad abgekühlt hat, fast momentan in Dampf verwandelt werden. Die Anschauung, daß durch glühend gewordenes Kesselblech das Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff zerlegt und diese Gasmischung (Knallgas) entweder durch die glühenden Wände selbst oder durch zufällig im Kessel durch Reibung des Dampfes entstehende elektrische Funken zur Explosion gebracht werde und dadurch auch die D. herbeiführe, wird vielfach bestritten.

Außer dem Erglühen der Kesselwände wird von vielen (nach Dufour) auch der Siedeverzug als eine Ursache plötzlicher starker Dampfentwickelung angesehen. Es hängt nämlich die Temperatur, bei welcher das Wasser zu sieden beginnt (Siedepunkt), von dem auf seiner Oberfläche lastenden Druck ab. Das Sieden kann frühstens dann eintreten, wenn der aus dem Wasser sich entwickelnde Dampf diesen Druck eben zu überwinden im stande ist. Doch kann das Wasser bedeutend über seinen Siedepunkt erhitzt werden, ohne sich in Dampf zu verwandeln (Siedeverzug, Überhitzung), wenn es völlig luftfrei ist und Erschütterungen fern gehalten werden. Wenn sich aber nach Überschreitung des normalen Siedepunktes infolge einer Erschütterung Dämpfe bilden, so entwickeln sie sich sogleich massenhaft und tumultuarisch. Der Siedeverzug kann auch durch Druckverminderung über dem Wasser herbeigeführt werden. Auf diese Thatsache gestützt, erklärt Dufour die während der Ruhezeit oder unmittelbar darauf folgende D. in nachstehender Weise. Sobald bei einem in Betrieb stehenden Kessel die Feuerung eingestellt wird, tritt im Dampfraum eine Druckverminderung ein, so daß die Verhältnisse gegeben sind, unter welchen das Wasser leicht in den überhitzten Zustand treten kann. Ist das einmal geschehen, so wird durch eine beim Wiederbeginn des Betriebes fast unvermeidliche Erschütterung des Kessels eine rapide Dampfentwickelung entstehen, welcher die Festigkeit der Kesselwände nicht gewachsen ist. Doch hat diese Anschauung auch ihre Gegner, welche meinen, daß die Explosionen nach den Betriebspausen dadurch entstehen, daß durch das von neuem angefachte Feuer die Kesselplatten ziemlich schnell und stark, die darüberliegende Kesselsteinschicht viel langsamer erhitzt wird und so durch die verschiedene Ausdehnung ein Reißen und Abspringen des Kesselsteins herbeigeführt und die glühende Kesselwand der Wasserberührung ausgesetzt wird, wodurch dann eine heftige Dampfentwickelung und die D. verursacht wird.

Die Vorsichtsmaßregeln, welche einem Kesselbesitzer zur Vermeidung von Dampfkesselexplosionen zu empfehlen sind, bestehen vor allem darin, daß er die Dampfkessel nur von den besten und renommiertesten Firmen bauen läßt, von welchen die Wahl einer zweckmäßigen Konstruktion und guten Materials zu gewärtigen ist, daß er schon gebrauchte Kessel nie ohne vorherige Untersuchung durch einen zuverlässigen Sachverständigen kauft und in Betrieb setzt, und daß er seinen Kessel tüchtigen und gewissenhaften Wärtern anvertraut, welche ihrerseits dafür zu sorgen haben, daß die Sicherheitsventile, Wasserstandszeiger, Speiseapparate etc. in gutem Zustand bleiben, daß die Feuerung regelmäßig geschieht, daß alle Stöße und Erschütterungen der Kessel vermieden und die Dampf- und Sicherheitsventile nur langsam geöffnet werden, daß alle schlechten Stellen, Sprünge und Risse rechtzeitig repariert werden, daß stets hinreichender Wasservorrat im Kessel ist, und daß eine oftmalige und sorgfältige Reinigung vom Schlamm und Kesselstein vorgenommen wird.

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die von 1877 bis 1882 in Deutschland stattgehabten Dampfkesselexplosionen u. die dabei verunglückten Personen:

Anzahl der Dampfkesselexplosionen, mutmaßlich verursacht durch

Jahr mangelhafte Konstruktion u. schlechtes Material mangelhafte Wartung Erglühen infolge von Wassermangel oder Kesselstein Abnutzung, Beschädigung, Alter Zusammen Hierbei verunglückte Personen

1877 6 4 5 5 20 58

1878 10 1 3 7 21 32

1879 5 2 6 5 18 78

1880 3 4 8 5 20 28

1881 3 1 6 1 11 27

1882 2 2 2 5 11 48

Vgl. Fischer, Zur Geschichte der Dampfkesselexplosionen ("Dinglers Journal" 1874, Bd. 213, S. 296); Flimmer, Dampfkesselzerstörungen und deren Verhütung (Leipz. 1884), und die Litteratur bei Artikel "Dampfkessel".

Dampfkesselspeiseapparate (Dampfkesselspeisevorrichtungen) dienen zum Einpressen von Wasser in die Dampfkessel durch das Speiserohr (ein in das Kesselinnere führendes, unter dem Wasserspiegel, jedoch nicht zu nahe an der Kesselwand ausmündendes Rohr), wobei der im Kessel herrschende Dampfdruck zu überwinden ist. Die gewöhnlichsten D. sind einfach wirkende Druckpumpen, die entweder mit der zum Dampfkessel gehörigen Dampfmaschine verbunden sind, oder teils von der Hand eines Arbeiters (Handpumpen), teils von einer besondern kleinen Dampfmaschine betrieben werden (Dampfspeisepumpen, Dampfpumpen). Über die Konstruktion der Pumpen s. Pumpen. Eine zweite seit den letzten Dezennien ebenfalls sehr gebräuchliche Art der D. sind die Injektoren (Dampfstrahlpumpen, s. Injektor). Bei Kesseln, durch welche Heizungsanlagen u. Kochapparate mit Dampf gespeist werden, findet häufig der Retour d'eau (Wasserrücklauf) Verwendung (Fig. 1). A ist ein cylindrisches

^[Abb.: Fig. 1. Retour d'eau (Wasserrücklauf).]