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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Delphĭca; Delphin; Delphināt; Delphine

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Delphica - Delphine.

eine religiös-politische und selbst sittlich-wirksame Macht, von der die größten Dichter, namentlich Pindar, Äschylos und Sophokles, mit hoher Ehrfurcht sprechen, und an welche von allen Seiten feierliche Gesandtschaften abgingen, Rat, Aufklärung und Verhaltungsmaßregeln begehrend. Schon die Alten sammelten die Sprüche des Orakels, und noch jetzt besitzen wir deren genug, um die vielseitige Wirksamkeit des Instituts zu erkennen. Aber auch im Ausland war das delphische Heiligtum ein mächtiges Organ für die Verbreitung des Hellenismus, teils durch die zahlreichen Kolonien, welche auf des Gottes Befehl die Griechen nach Kleinasien, Italien, Sizilien, Afrika etc. sandten, teils durch die Verbindung, in welche fremde Völker und Herrscher (Gyges, Krösos, Tarquinius Superbus) mit dem Orakel traten. Die Oberherrschaft Krisas über die Stadt und das Heiligtum dauerte noch lange nach der dorischen Wanderung fort, bis der Mißbrauch derselben zu einem Kriege gegen die Krisäer führte, der 586 mit der Zerstörung der Stadt endigte. Das Gebiet derselben ward eingezogen und dem Gott als Eigentum gegeben, die Einwohnerschaft zu Tempelsklaven gemacht. D. wurde dadurch selbständiger; der dortige Rat bestand aus den Mitgliedern der delphischen Adelsfamilien. Doch hatte D. öfters mit den Phokern Streitigkeiten, so 447, wo Perikles die Phoker unterstützte, während D. von Sparta Hilfe erhielt. Hatte noch zur Zeit der Perserkriege das Orakel den wohlthätigsten Einfluß auf das Zusammenhalten der Griechen gegen den Nationalfeind geübt, so begann mit dem Peloponnesischen Krieg, mit der wachsenden Aufklärung und dem religiösen Indifferentismus sein Verfall. Die Delphier selbst übervorteilten die zuströmenden Fremden und dienten in den politischen Wirren der die meisten Vorteile versprechenden Partei, meist die Zerwürfnisse fördernd, statt zu versöhnen und zu vereinigen. Im Peloponnesischen Krieg finden wir den pythischen Apollon auf der Seite der Peloponnesier als der Kontinentalmacht, weshalb Perikles die Athener gegen ihn einzunehmen suchte. Später war aus einem ähnlichen Grund Epaminondas des Gottes Gegner. Die Eingriffe der Phoker in die Rechte der Stadt und des Heiligtums, die darauf folgenden Heiligen Kriege mit der Plünderung des Tempels durch die phokischen Feldherren Philomelos, Onomarchos und Phaläkos (355-346) beschleunigten das Sinken Delphis und boten zugleich dem König Philipp von Makedonien eine willkommene Veranlassung, sich in die Amphiktyonie einzudrängen und das Patronat des Orakels an sich zu reißen. Ein neuer Glücksstern schien für D. aufzugehen, nachdem 279 wie durch ein Wunder die Macht der Gallier unter Brennus in der unmittelbaren Nähe des Heiligtums (wie 480 die der Perser) zurückgescheucht worden war. Sulla und Nero durften jedoch später ungestraft die damals noch vorhandenen delphischen Kunstschätze wegschleppen. Erst seit Hadrian begann mit der neubelebten Achtung vor Griechenlands Kunst, Religion und Litteratur auch wieder eine bessere Zeit für D., eine zweite und letzte Blüte, deren beredter Zeuge Plutarch ist. Mit dem Untergang des hellenischen Heidentums schließt dann auch die Geschichte Delphis. Von den Kirchenvätern angegriffen, von den Neuplatonikern verteidigt, von Konstantin d. Gr. für sein Konstantinopel geplündert, zuletzt noch von Julianus vor seinem Zug nach Persien befragt, wurde das Orakel von Theodosius d. Gr. gegen Ende des 4. Jahrh. für erloschen erklärt und geschlossen. An der Stelle des alten D. liegt jetzt ein ärmliches, von Albanesen bewohntes Dorf, Kastri. Von dem prachtvollen, oftmals geplünderten Apollontempel sind noch Reste des Unterbaues vorhanden, auch sonst zahlreiche Trümmer: Mosaikfußboden, Säulenreste, Sarkophage etc.; am besten erhalten ist eine halb in Felsen gehauene Rennbahn. Die Kastalische Quelle sprudelt noch immer in ihr altes Bassin. Vgl. Hüllmann, Würdigung des delphischen Orakels (Bonn 1837); Götte, Das delphische Orakel in seinem politisch-religiösen und sittlichen Einfluß auf die Alte Welt (Leipz. 1839); Döhler, Die Orakel (Berl. 1862); A. Mommsen, Delphika (Leipz. 1878).

Delphĭca (sc. mensa, lat.), ein bei den Römern sehr gebräuchlicher Tisch, der die Form eines griechischen Dreifußes hatte, auf dem eine runde Marmorplatte lag.

Delphin, im Militärwesen die früher in Delphinform gestalteten Henkel bronzener Geschützrohre; dann ein Kriegswerkzeug der Alten: ein eiserner Kolben, unten spitz und mit Widerhaken versehen, den man an Segelstangen hoch am Mast aufhing und mittels eines auf Rollen gehenden Taues auf feindliche Schiffe herabfallen ließ, um diese zu zerschmettern oder durch Einbohren des Delphins in das Verdeck festzuhalten, z. B. bei Verteidigung von Hafeneinfahrten.

Delphin, Sternbild am nördlichen Himmel, zwischen Adler und Pegasus an der Milchstraße, bei 308° Rektaszension und 15° nördlicher Deklination, zählt 31 mit bloßem Auge sichtbare Sterne, darunter 5 dritter Größe, von denen 4 einen kleinen Rhombus bilden. Es stellt den D. vor, welcher den Arion wohlbehalten durchs Meer trug.

Delphināt (Delphinatus), die Dauphiné.

Delphine (Delphinida Duv.), Familie der Wale, mittelgroße oder kleine Wale (Cete) mit schlankem Leib, kleinem, nicht vom Rumpf abgesetztem Kopf, zahlreichen nahezu gleichen, konischen Zähnen im ganzen Verlauf oder in einem Teil der beiden bisweilen schnabelartig verlängerten Kiefer, einem einzigen quer stehenden, halbmondförmigen Spritzloch, kleiner Schwanz- und Brustflosse und bisweilen fehlender Rückenflosse. Sie bewohnen alle Meere vom hohen Norden bis zum Äquator, finden sich aber auch in Flüssen und Seen, wandern oft in starken Scharen, schwimmen sehr gewandt und schnell, sind wenig scheu, gefräßig, raubgierig und grausam, fressen Weich-, Krusten- und Strahltiere und bewältigen selbst den Walfisch; einige sollen aber auch von Vegetabilien leben. Sie zeigen unter sich große Anhänglichkeit; sobald aber einer von ihnen getötet ist, fressen sie den Leichnam mit großer Gier. Die Weibchen werfen nach einer Tragzeit von etwa zehn Monaten ein oder zwei Junge, säugen diese lange, behandeln sie mit großer Sorgfalt und beschützen sie in der Gefahr. Die D. sollen langsam wachsen, aber ein sehr hohes Alter erreichen; ihre schlimmsten Feinde sind ihre eignen Familienglieder, die meisten aber gehen zu Grunde, indem sie bei blinder Verfolgung ihrer Beute auf den Strand geraten; im Todeskampf stöhnen und ächzen sie und vergießen dabei reichliche Thränen. Zur Unterfamilie der Butzköpfe (Phocaenina Gray), deren Angehörige einen vorn abgerundeten Kopf ohne eigentlichen Schnabel und ganz seitlich, ziemlich hoch stehende Brustflossen haben, gehört der Weißfisch (Beluga, Beluga leucas Gray), welcher 4-6 m lang wird, keine Rückenflosse besitzt, in der Jugend bräunlich oder bläulichgrau, dann gescheckt, im Alter fast milchweiß ist und die Meere nördlich vom 56.° bewohnt; er lebt gesellig, macht große Wanderungen, hält sich aber in der Nähe der Küste, nährt sich von kleinen Fischen,