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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Deutschland

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Deutschland (Geschichte 1024-1075. Fränkische Kaiser).

Zuruf. Konrad II. (1024-1039), der erste Kaiser aus dem fränkischen oder salischen Haus, glich dem ersten Sachsen, Heinrich I., in nüchterner Besonnenheit, Ausdauer und weiser Beschränkung. Die Nord- und Ostgrenze des Reichs sicherte er, indem er mit dem mächtigen Beherrscher von Dänemark, Knut d. Gr., Frieden und Freundschaft schloß und durch Abtretung der nördlich der Eider gelegenen Teile der Mark Schleswig sich dessen Beistand gegen die Slawen verschaffte. Das Polenreich zerfiel nach Boleslaws Tod ebenso schnell wieder, wie es aufgebaut war, und geriet von neuem in Abhängigkeit von D. 1032 erwarb er nach dem Tode des Königs Rudolf III. auf Grund alter Verträge, die dieser schon mit Heinrich II. geschlossen, das Königreich Burgund, das, ohne mit D. verschmolzen zu werden, das dritte Königreich des Kaiserreichs bildete. Auf seinem ersten Römerzug erwarb er 1027 die Kaiserkrone. Mehrere Empörungen von Großen, worunter die seines Stiefsohns Ernst von Schwaben vom Volk in Lied und Sage gefeiert wurde, unterdrückte er mit Kraft und Strenge. Die Erblichkeit der Fürstentümer konnte er allerdings ebensowenig beseitigen, wie die Unbeschränktheit der kaiserlichen Gewalt erreichen. Der aufstrebenden Selbständigkeit der Herzogtümer brach er aber dadurch die Spitze ab, daß er die Mehrzahl derselben an seinen Sohn Heinrich (so Bayern und Schwaben) oder an nahe Verwandte brachte. Auch setzte er, oft ohne Rücksicht auf ihre kirchliche Befähigung, Anverwandte und Freunde in die höchsten geistlichen Reichsfürstentümer ein. Die kleinern Vasallen (Ministerialen) suchte er von ihren fürstlichen Lehnsherren unabhängig zu machen, indem er auch ihre Lehen für erblich erklärte. In Oberitalien geschah dies 1037 durch ein besonderes Gesetz. Die Erblichkeit der Krone selbst konnte Konrad aber nicht durchsetzen, er mußte sich begnügen, daß sein Sohn schon früh gewählt und gekrönt wurde u. ihm nach seinem Tod als Heinrich III. (1039-1056) ohne weiteres auf dem Thron folgte.

Heinrich III. führte das Werk seines Vaters mit Energie und Erfolg fort. Dänemark, Polen und Böhmen wurden in Gehorsam erhalten, selbst Ungarn durch mehrere Kriegszüge 1044 zur Anerkennung der deutschen Oberhoheit gezwungen. Rücksichtslos und streng verfuhr er gegen die Fürsten; wiederholt entsetzte er Herzöge ihres Amtes, und Bayern verlieh er sogar, um es nicht wieder aus der Hand zu lassen, seiner eignen Gemahlin Agnes. Freilich reizte diese Strenge zu immer neuen Empörungen, und nur die Hand am Schwert vermochte der Kaiser die erbitterten Fürsten niederzuhalten. Eine kluge Beschränkung auf dies Ziel, die ausschließliche und andauernde Verwendung aller Machtmittel des neuerstarkten Kaisertums auf die Unterdrückung der Aristokratie, endlich wohlwollende Förderung der niedern Stände hätten die Begründung einer starken erblichen Monarchie in D. zur Folge haben können. Aber wie 100 Jahre früher Otto I., so setzte auch Heinrich III. die neugewonnene Macht für die Erreichung eines universellern Ziels ein, nämlich für die Regeneration der entarteten Kirche im Sinn der Cluniacenser, welche durch Erweckung streng religiösen Sinnes die Herrschaft der Kirche über die Gemüter verstärken und durch Errettung des Papsttums aus seinem Verfall die bedrohte Einheit der abendländischen Christenheit fester begründen wollten. Selbst streng asketisch gesinnt, setzte Heinrich nur kirchlich eifrige Bischöfe ein, und 1046 auf der Synode zu Sutri zum Schiedsrichter zwischen drei um die Tiara streitenden Päpsten aufgerufen, beseitigte er alle drei, um in einem frommen deutschen Bischof dem Stuhl Petri wieder einen würdigen Inhaber zu geben und das Ansehen des Papsttums wiederherzustellen. Seine Oberhoheit über die Kirche benutzte er nur, um sie von Mißbräuchen zu befreien, sittlich zu heben und sie zur erhabensten Institution auf Erden zu machen. Die von ihm eingesetzten Päpste unterstützte er eifrigst in dem Bestreben, ihre hierarchische Gewalt über die Kirche zu verstärken; selbst den Vertrag des Papstes mit den Normannen, durch welchen deren Reich in Unteritalien in ein päpstliches Lehen umgewandelt wurde, hinderte er nicht. So verhalf er selbst der Macht zur Herrschaft, welche seinem Nachfolger so verderblich wurde.

Die Gärung unter den unzufriedenen Fürsten, namentlich in Sachsen, war auf das höchste gestiegen und wurde nur durch die Furcht vor Heinrichs eiserner Strenge im Zaum gehalten, als dieser plötzlich in Bodfeld im Harz, noch nicht 40 Jahre alt, starb und das Reich einem sechsjährigen Kind, Heinrich IV. (1056-1106), unter Vormundschaft einer Frau, der Kaiserin Agnes, hinterließ. Je empfindlicher die Fürsten den gewaltigen Arm des verstorbenen Kaisers gefühlt hatten, desto mehr beeilten sie sich, die Schwäche der neuen Regierung zur Vermehrung ihrer Macht und Selbständigkeit zu benutzen. Ein sächsischer Großer, Otto von Nordheim, zwang die Kaiserin, ihm das Herzogtum Bayern, ein burgundischer Fürst, Rudolf von Rheinfelden, ihm mit der Hand ihrer Tochter Schwaben, endlich der Zähringer Berthold, ihm Kärnten zu übertragen. Durch den Raub in Kaiserswerth (1062) bemächtigte sich der ehrgeizige, finstere Erzbischof Anno von Köln des königlichen Knaben, dessen Erziehung er fortan leitete, und für den er in Gemeinschaft mit den übrigen Großen die Regierung führte. Unter dieser konnte, wer wollte, seine Habgier an dem Königsgut befriedigen; weder in Italien noch in Ungarn vermochte Anno das Ansehen des Reichs zu behaupten; durch eine Empörung der Wenden östlich der Elbe (1066) ging die deutsche Kultur in jenen Gegenden für lange Zeit verloren. Mit Hilfe Adalberts von Bremen befreite sich Heinrich von den verhaßten Fürsten, und sowie er zum Mann herangereift war, strebte er, die verlorne Macht seiner Väter wiederzugewinnen. Die habsüchtigen, trotzigen Großen verfolgte er mit leidenschaftlicher Rachsucht. Otto von Nordheim beraubte er 1070 Bayerns, das er Welf verlieh; die Billunger wurden geächtet und durch Anlage von Burgen die Unterjochung der Sachsen, welche der Herrschaft der Franken hartnäckig widerstrebten, begonnen. 1073 kam es infolge von Gewaltthätigkeiten der Anhänger des Königs zu einem allgemeinen Aufstand der Sachsen, welcher den König in große Gefahr stürzte, da die deutschen Fürsten sich wankelmütig und treulos zeigten. Durch den glänzenden Sieg Heinrichs bei Hohenburg a. d. Unstrut 1075 wurde jedoch die Empörung unterdrückt, und die sächsischen Großen wurden streng bestraft.

Wäre es Heinrich, dessen glänzende Herrschereigenschaften sich jetzt zeigten, nun vergönnt gewesen, seine Gewalt ungestört zu befestigen, so würde er das während seiner Minderjährigkeit Verlorne wieder haben einbringen können. Da aber verwickelten ihn die Ansprüche auf die höchste Autorität in der Christenheit, welche ihm von seinen Vorfahren überkommen waren, in einen neuen, weit gefährlichern Kampf mit einem Gegner, dem er weder an Macht noch an Charakterstärke ebenbürtig war, mit Papst Gregor VII. Schon als Kardinal Hildebrand hatte dieser die mönchisch-strenge