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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Deutschland

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Deutschland (Geschichte 1566-1617. Gegenreformation, Maximilian II., Rudolf II.).

den spanischen und auf den polnischen Thron, ihn bewogen, an dem alten Bekenntnis festzuhalten. Wie die evangelischen Stände in D. die Sache ihrer Religion durch ihre verblendete Uneinigkeit schädigten, so sahen sie auch dem verzweifelten Ringen ihrer Glaubensgenossen in Frankreich und in den Niederlanden gegen die Jesuiten und den spanischen Despotismus fast gleichgültig und unthätig zu. Nur geringfügige Geldunterstützungen und einige freiwillige Glaubenskämpfer kamen den Hugenotten und Geusen aus D. zu Hilfe.

Inzwischen hatten aber schon die Jesuiten die Gegenreformation im stillen begonnen. Ihr letztes Ziel war die Ausrottung der Ketzerei in D., aber sie hüteten sich wohl, es voreilig kundzuthun, um keinen Verdacht zu erwecken. Langsam und allmählich setzten sie sich in D. fest, als Professoren an den katholischen Universitäten, als Beichtväter und politische Räte der katholischen Fürsten. Ihre zahlreichen Gymnasien leisteten in einer gewissen vornehmen Erziehung und formalen Gelehrtenbildung so Bedeutendes, daß die vornehmern Stände, auch unter den Protestanten, ihre Kinder mit Vorliebe den Jesuiten anvertrauten. Als 1576 nach Maximilians Tode dessen ältester, in Spanien erzogener Sohn, Rudolf II. (1576 bis 1612), den Kaiserthron bestieg, erlangten die Jesuiten auch am habsburgischen Hof den herrschenden Einfluß und trieben nun den Kaiser und die katholischen Reichsstände, an deren Spitze die bayrischen Wittelsbacher standen, an, auf Grund des Augsburger Religionsfriedens den Protestanten entgegenzutreten. Vor allem schien es wichtig, den "geistlichen Vorbehalt" wieder zur Geltung zu bringen und weiterer Säkularisation geistlicher Fürstentümer vorzubeugen. Der Neid und Eigennutz der evangelischen Fürstenhäuser unterstützten die katholische Reaktion. Den evangelischen Inhabern von Stiftern wurde zuerst Sitz und Stimme auf den Reichstagen verweigert. Als wieder ein Kurfürst von Köln, Gebhard Truchseß von Waldburg, nachdem er selbst zur reformierten Konfession übergetreten war und sich vermählt hatte, nun auch in seinem Erzstift die neue Lehre erfolgreich einführte, wurde er vom Papst abgesetzt, durch spanische Truppen, die der Kaiser aus den Niederlanden zu Hilfe rief, vertrieben (1583) und an seine Stelle ein den Jesuiten ganz ergebener bayrischer Prinz, Ernst, zum Erzbischof erhoben, welcher, auch zum Bischof von Münster und Hildesheim ernannt, hier wie in Köln die Ketzerei ausrottete; auf Grund eines kaiserlichen Mandats unterwarf er auch die freie Reichsstadt Aachen der katholischen Kirche. Sachsen und Brandenburg ließen das ruhig geschehen und begnügten sich mit Protesten; war Gebhard doch calvinistisch, nicht lutherisch gewesen. Dieser Erfolg ermutigte zu weiterm Vorgehen. Der 1592 von der Majorität des Straßburger Domkapitels als Bischof postulierte Markgraf Johann Georg von Brandenburg mußte schließlich, da er von seinen fürstlichen Glaubensgenossen gar keine Unterstützung erhielt, seinem katholischen Nebenbuhler, dem Kardinal Karl von Lothringen, weichen. Zwei Zöglinge der Jesuiten, Erzherzog Ferdinand von Steiermark und Herzog Maximilian von Bayern, rotteten kraft des Grundsatzes "Cujus regio, ejus religio" die evangelische Lehre in ihren Gebieten mit Feuer und Schwert aus, und letzterer wußte 1607 einen Streit in der freien Reichsstadt Donauwörth zwischen dem protestantischen Rat und der katholischen Minorität über das Verbot öffentlicher Prozessionen dazu zu benutzen, um einen kaiserlichen Achtspruch gegen die Stadt zu erwirken und sie als Vollstrecker desselben nicht bloß dem Katholizismus wieder zu unterwerfen, sondern sie auch zu einer bayrischen Landstadt zu machen.

Diese Gewaltthat öffnete endlich einem Teil der evangelischen Reichsstände die Augen über die drohende Gefahr. Unter Führung des Kurfürsten Friedrich IV. von der Pfalz schlossen der Pfalzgraf von Neuburg, die Markgrafen von Baden-Durlach, von Kulmbach und von Ansbach und der Herzog von Württemberg 4. Mai 1608 die Union von Ahausen zur Abwehr weiterer Verletzungen der Reichsverfassung. Doch hielten sich die mächtigsten protestantischen Fürsten des Nordens, Sachsen, Brandenburg, Hessen, aus Eifersucht gegen Kurpfalz von der Union fern, und diese selbst ließ es bei der bloßen Vereinigung, die nicht einmal eng und dauernd war, bewenden, ohne für die Mittel zu der wirksamen Durchführung ihrer Absichten, die Aufstellung einer bewaffneten Macht und die Sammlung eines Kriegsschatzes, Sorge zu tragen. Von ganz andrer Bedeutung war daher die unter Führung Maximilians von Bayern gestiftete katholische Liga (10. Juli 1609) zum Schutz der Reichsgesetze und der katholischen Religion, die durch Errichtung einer Bundeskasse und Aufstellung eines vortrefflichen, von bayrischen Feldherren befehligten Heers sich zur Aufnahme des Kampfes in dem für sie günstigsten Augenblick bereit machte. Die Spannung zwischen den beiden Religionsparteien war jetzt so weit gediehen, daß es aus einem geringfügigen Anlaß zum offenen Kampf kommen konnte. Heinrich IV. von Frankreich und Spanien standen bereit, dieses für die Liga, jener für die Union, in denselben einzutreten. Der jülich-klevesche Erbfolgestreit (1609-1614, s. Jülich) schien das Signal zum Ausbruch geben zu wollen, da es sich darum handelte, ob die reiche Erbschaft, die das ganze Gebiet des Niederrheins umfaßte, der katholischen oder der protestantischen Partei zufallen würde. Die Ermordung Heinrichs IV. (1610) und die Wirren im österreichischen Kaiserhaus bewirkten, daß sich die streitenden Parteien ohne offenen Kampf verständigten. Der erste feindliche Zusammenstoß erfolgte indes nicht lange darauf an einer andern Stelle.

Rudolfs II. Regierung hatte in seinen Erblanden ebensoviel Verwirrung und Zwist angestiftet wie in D. Trübsinnig, mißtrauisch und gewaltthätig, reizte er die Stände seiner Reiche und seine eignen Verwandten, die Mitglieder des habsburgischen Erzhauses, zur Empörung. Sein Bruder Matthias wurde dem Kaiser 1606 zum Vormund bestellt und setzte sich 1608 in den Besitz von Österreich, Ungarn und Mähren. Böhmen rettete sich Rudolf dadurch, daß er den Ständen durch den "Majestätsbrief" (1609) Religionsfreiheit in derselben Weise gewährte, wie sie den deutschen Ständen im Augsburger Religionsfrieden bewilligt war: nur die Stände hatten das Jus reformandi, nicht die einzelnen Individuen. Auch Böhmen entriß Matthias 1611 dem alten Kaiser, der 1612 starb. Indessen hatte nun Matthias (1612-19) mit der Unbotmäßigkeit der Stände der Erblande und seiner Verwandten, der Erzherzöge, ebenso zu kämpfen wie Rudolf und stand ihr ebenso machtlos gegenüber. Um den habsburgischen Besitz zu retten, drängten ihm die Erzherzöge den streng katholischen Ferdinand von Steiermark 1617 zum Mitregenten auf; derselbe wurde auch in Böhmen zum König gewählt und gekrönt. Unter seinem Einfluß zog die kaiserliche Regierung die Zügel gegen die protestantischen Stände schärfer an. Eine Beschwerde der Böhmen über vermeintliche Verletzungen des Majestätsbriefs (der Abt von Braunau hatte eine neue evan-^[folgende Seite]