Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Disziplinarhof - Dithmarschen.

ten Strafen die Einstellung in eine Arbeiterabteilung. Die D. steht nur solchen Offizieren zu, denen der Befehl über eine Truppenabteilung, über ein abgesondertes Kommando, über eine Militärbehörde oder über eine militärische Anstalt, mit Verantwortlichkeit für die Disziplin, übertragen ist, und erstreckt sich auf die Untergebenen dieses Befehlsbereichs. Unteroffiziere haben keine Disziplinarstrafgewalt.

Zu beachten ist übrigens, daß man nicht selten die sog. Ordnungsstrafen den Disziplinarstrafen beizählt, wie z. B. die gegen Geschworne und Schöffen wegen Verweigerung der Dienstpflicht, gegen Zeugen wegen unbefugter Verweigerung des Zeugnisses und gegen Sachverständige, welche die Abgabe eines Gutachtens unberechtigterweise ablehnen, ausgesprochenen Strafen. Ebenso werden zuweilen, allerdings unrichtigerweise, die sogen. Zwangsstrafen als Disziplinarstrafen bezeichnet, d. h. diejenigen Strafen, welche von einer zuständigen Behörde angedroht und in Vollzug gesetzt werden, um die Erfüllung einer amtlichen Auflage zu erzwingen. Vgl. Thilo, Die preußische Disziplinargesetzgebung (Berl. 1864); Seydel, Das preußische Disziplinargesetz vom 21. Juli 1852 (das. 1883).

Disziplinarhof, in Preußen eine zur Entscheidung von Disziplinarsachen der vom König oder von den Ministern angestellten Beamten eingesetzte Behörde in Berlin. Für das Deutsche Reich tritt zur zweitinstanzlichen Entscheidung in Disziplinarstrafsachen gegen Reichsbeamte ein D. in Leipzig zusammen, bestehend aus Mitgliedern des Reichsgerichts und des Bundesrats (s. Disziplinargewalt).

Disziplinarkammer, s. Reichsbehörden.

Disziplinarstrafen, s. Disziplinargewalt.

Disziplinarvergehen, diejenigen Vergehen der Beamten, welche nicht im gerichtlichen Strafverfahren, sondern im Disziplinarweg verfolgt und geahndet werden (s. Disziplinargewalt).

Disziplinieren (lat.), in Zucht halten, zur Manns- und Kriegszucht anhalten.

Dit (franz., spr. di), Spruch, Diktum; auch Name einer im 13. und 14. Jahrh. beliebten Gedichtgattung moralischen oder satirischen Inhalts. Bemerkenswerte Dits sind die von Baudoin und Rutebeuf.

Ditetragonale Prismen und Pyramiden, acht, resp. sechzehnflächige Kristallgestalten des quadratischen Systems; vgl. Kristall.

Ditfurt, Flecken im preuß. Regierungsbezirk Magdeburg, Kreis Aschersleben, an der Bode und der Magdeburg-Thaler Eisenbahn, mit vortrefflichem Ackerbau und (1880) 2130 evang. Einwohnern.

Dithecisch (griech.), zweifächerig, Bezeichnung für Staubblätter mit zwei Beutelhälften und vier Pollenfächern (antherae biloculares).

Ditheïsmus (griech.), Glaube an zwei Götter; Ditheist, einer, der an zwei Götter glaubt.

Dithionige Säure, s. v. w. unterschweflige Säure.

Dithmarschen (Ditmarsen, "deutsche Marschen"), eine der vier Landschaften des ehemaligen Herzogtums Holstein, zwischen Elbe, Nordsee, Eider und Gieselau, ein Areal von 1375 qkm (25 QM.) mit (1880) 79,486 Einw. Sie muß durch Deiche vor Überschwemmungen geschützt werden und besteht etwa zur Hälfte aus fruchtbarem Marschland, das sich mehr zur Viehzucht als zum Ackerbau eignet. Die ehemalige Teilung in das königliche Süder- und das herzogliche Norderdithmarschen besteht administrativ noch fort. Jede der beiden Landschaften bildet gegenwärtig einen Kreis der preußischen Provinz Schleswig-Holstein mit den Hauptorten Meldorf und Heide.

Die Bewohner von D. waren ursprünglich sächsischen Stammes, wurden aber im 12. Jahrh. durch friesische Einwanderer ("Vogdemänner") vermehrt, welche der Bischof von Bremen in den Marschen an der Küste ansiedelte, während die Sachsen ("Wollersmänner") die Geest bewohnten. Dieses sächsisch-friesische Volk bestand aus Bauern, welche gegen alles Aristokratische und Dynastische von jeher einen Widerwillen zeigten. Seit der Einführung des Christentums zur Zeit Karls d. Gr. Standen sie unter der Schutzherrschaft des Erzbischofs von Bremen, welcher Meldorf zum kirchlichen Mittelpunkt machte, und wurden von Vögten regiert, die der Bischof aus den angesehensten Geschlechtern wählte. Das Volk war in eng verbundene, zu gegenseitigem Schutz verpflichtete Familien geteilt, welche streng die alten Sitten und Freiheiten aufrecht erhielten. Mit den Markgrafen und Herzögen von Sachsen hatten sie wiederholte Fehden, z. B. mit Heinrich dem Löwen. Gegen das Ende des 12. Jahrh. fielen sie von Bremen ab und begaben sich unter den Schutz des Königs von Dänemark, der ihnen eigne Grafen setzte. Da sie aber von König Waldemar II. in ihren Privilegien beeinträchtigt wurden, gingen sie in dem Krieg, welchen derselbe mit den Grafen von Holstein und dem Erzbischof von Bremen führte, in der Schlacht von Bornhövede zu den Deutschen über und entschieden dadurch die Niederlage der Dänen (1227). Von jetzt an bildeten sie wieder eine Art Republik mit altertümlichen Gebräuchen und Rechten unter dem Schutz des Stiftes Bremen, hatten aber von Zeit zu Zeit der Angriffe der Herzöge von Holstein sich zu erwehren, in deren Gebiet sie wiederum häufig Einfälle machten.

In Süder- und Norderdithmarschen eingeteilt, hatten sich vier Gaue (Döffte, Vogteien) gebildet; jeder Gau bestand aus Kirchspielen mit Kirchspielvögten, Schlütern und Schwaren, d. h. Schließern und Geschwornen, welche das Kirchenvermögen zu verwahren und für das Beste des Kirchspiels zu sorgen hatten. Sie bildeten das Schwurgericht, welches sich wöchentlich versammelte; auch der Vogt hatte eine besondere Gerichtsbarkeit. Von ihren Aussprüchen konnte an das ganze Kirchspiel, dann an die Achtundvierziger appelliert werden. Die Kirchspiele bestanden wieder aus mehreren Dörfern oder Bauernschaften, welche ihre Angelegenheiten unter Ältesten in Versammlungen besorgten, zu denen jeder Mündige Zutritt hatte. Die oberste Landesbehörde und das höchste Gericht bildete das Kollegium der Achtundvierziger zu welchem jede Dofft 12 Mitglieder auf Lebenszeit erwählte, und das im Flecken Heide tagte. Die Landesversammlung bestand aus den Achtundvierzigern, 4 Vögten, 60 Schließern, 300-400 Geschworen aller Kirchspiele und des Magistrats der Flecken Meldorf, Lunden oder Heide. Die Versammlung wurde auf freiem Feld oder auf den Marktplätzen der Städte abgehalten. Den Reichskodex bildete das dithmarsische Landbuch, 1348 von 48 angelsächsischen Richtern in angelsächsischer Sprache entworfen, 1447 abgeändert, 1497 zuerst gedruckt, 1567 verbessert und 1711 neu aufgelegt. Die Bande des Bluts galten für heilig. Die eingebornen, alten Geschlechter (Slachten), durch Wappenschilder kennbar, teilten sich in Klüffte oder Zünfte, welche ein eidlich verbundenes Ganze bildeten und im Kampf wie vor Gericht zusammenstanden. Die Erziehung der Jugend trug ein durchaus kriegerisches Gepräge. Jeder freie Mann ging bewaffnet. Als 1474 Kaiser Friedrich III. die Lande Holstein, Stormarn und D. zu einem Herzogtum erhob und damit den König Christian I. von Dänemark