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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Dreißigjähriger Krieg

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Dreißigjähriger Krieg (Ende und Folgen des Kriegs).

drang bis Olmütz vor, schlug dann die Kaiserlichen 2. Nov. 1642 bei Breitenfeld und rückte von neuem in Schlesien und Mähren ein, Wien bedrohend. Da rief ihn ein Befehl der Regierung nach dem Norden, um Dänemark zu bekriegen. Er nötigte den König Christian IV. zur Flucht auf die Inseln, drängte dann im Sommer 1644 den kaiserlichen General Gallas, der den Dänen zu Hilfe kommen wollte, bis nach Böhmen vor sich her, brach in Böhmen ein, schlug bei Jankau (6. März 1645) ein kaiserliches Heer unter Götz und Hatzfeld und bedrohte in Verbindung mit dem siebenbürgischen Fürsten Rákóczy abermals Wien. Doch wurde er durch Mangel an Truppen und Lebensmitteln und den Rücktritt Rákóczys von der Verbindung zum Rückzug genötigt. Ende 1645 legte er wegen seiner körperlichen Gebrechlichkeit den aufs rühmlichste geführten Oberbefehl nieder, den nun Gustav Wrangel übernahm.

Die unter französischem Befehl stehenden weimarischen Truppen erlitten nach Guébriants Tod 24. Nov. 1643 durch Johann v. Werth eine furchtbare Niederlage bei Tuttlingen. Indes drangen die Franzosen 1644 unter Enghien und Turenne wieder über den Rhein vor, besiegten 3. Aug. 1645 die Bayern, deren Feldherr Mercy fiel, bei Allersheim und zwangen im Verein mit Wrangel, der unterdessen Sachsen zum Waffenstillstand genötigt hatte, den Kurfürsten von Bayern zum Abschluß des Waffenstillstandes von Ulm (März 1647), von welchem derselbe jedoch im September wieder zurücktrat. Um den Kurfürsten für seinen Abfall zu strafen, brachen Wrangel und Turenne abermals in Bayern ein; Wrangel schlug den kaiserlichen General Holzapfel bei Zusmarshausen (17. Mai 1648) und drang bis zum Inn vor. Zu derselben Zeit war der schwedische General Königsmark in Böhmen eingedrungen, hatte die Kleinseite von Prag erobert und begann nun die Belagerung dieser Stadt mit Nachdruck. Da erscholl die Kunde von dem am 24. Okt. 1648 erfolgten Abschluß des Westfälischen Friedens (s. d.) und machte dem langen Kampf in derselben Stadt, in welcher er begonnen, das von allen Teilen ersehnte Ende.

Kaum ist je ein Krieg für eine Nation so unheilvoll gewesen wie der Dreißigjährige Krieg für Deutschland. Nur der Peloponnesische Krieg etwa kann in seinen verderblichen Wirkungen mit dem Dreißigjährigen Krieg verglichen werden. Überall war das Land verwüstet, ganze Gegenden waren zur Brandstätte und Einöde geworden, die Einwohnerzahl war im ganzen auf den vierten Teil herabgesunken; der Wohlstand war vernichtet, Handel und Gewerbe für lange Zeit gelähmt, die sittliche Verderbnis auf einen entsetzlichen Grad gestiegen. Das deutsche Volk hat die Kulturarbeit fast von Anfang wieder beginnen müssen, und beinahe zwei Jahrhunderte hat es gebraucht, um nur in materieller Beziehung den Stand des 16. Jahrh. wieder zu erreichen. Dazu war die politische Selbständigkeit und Bedeutung Deutschlands durch das Übergewicht, welches fremde Mächte, besonders Frankreich, durch die Schwächung des Deutschen Reichs erlangten, für lange Zeit so gut wie vernichtet, und die innern Einrichtungen des Reichs, wie sie durch den Westfälischen Frieden festgesetzt wurden, trugen vollends dazu bei, jede feste Einigung und dauernde Kraftäußerung, jede Zusammenfassung der Kräfte des Reichs unter einheitlicher Führung unmöglich zu machen. Da der Krieg nicht aufhörte, weil eine wirkliche Lösung der Streitfragen, wegen deren er begonnen, erzielt, sondern nur weil die Kräfte der Kämpfenden gänzlich erschöpft waren, so war auch nicht einmal eine Versöhnung der Religionsparteien, eine Beseitigung des kirchlichen Zwistes erreicht. Die politischen und religiösen Gegensätze in Deutschland überdauerten den Krieg; derselbe hatte daher auch nicht ein einziges fruchtbares und wohlthätiges Ergebnis.

[Litteratur.] Seit 1629 hatte Lundorp ("Acta publica") alle ihm zugänglichen öffentlichen Aktenstücke zusammengestellt. Eine sehr zahlreiche Litteratur von Flugschriften hat den ganzen Krieg begleitet, aus ihnen arbeitete Abelin seit 1635 das "Theatrum europaeum" zusammen (21 Bde., 1617-1718 fortgesetzt). Von kaiserlicher Seite schrieb Graf Khevenhiller seine "Annalen des Kaisers Ferdinand II.", die in 12 Bänden von 1578 bis 1637 reichen. Den Krieg von 1630 bis 1648 beschrieb im Auftrag der Königin Christine von Schweden Philipp Chemnitz; indes sind nur die zwei ersten Abteilungen des Werkes damals gedruckt, die erste zu Stettin 1648, die zweite zu Stockholm 1653; der dritte und vierte Teil erschienen erst 1855 und 1859 daselbst. 1634 veröffentlichte der Genfer Friedrich Spanhemius unter dem Titel: "Soldat suédois" seine vom protestantischen Standpunkt geschriebene Geschichte der kriegerischen Thaten Gustav Adolfs (1630-32). Das Kriegsleben im Dreißigjährigen Krieg schildert vortrefflich Grimmelshausen (s. d.) in seinem "Simplicissimus". Gualto Priorato veröffentlichte 1642 eine "Geschichte der Kriege Ferdinands II. und III. gegen Gustav Adolf und die Schweden", etwas später eine kurze Biographie Wallensteins. Der Genuese Peter Baptista Borgo (Burgus) schrieb 1633 in lateinischer Sprache: "Denkwürdigkeiten über den schwedischen Krieg", "Commentarii de bello suecico" und den "Mars sueco-germanicus" (1641). Aus dem schwedischen Archiv hat mit Benutzung des Werkes von Chemnitz der berühmte Samuel Pufendorf 1686 den Krieg Gustav Adolfs noch einmal erzählt. In späterer Zeit hat Schillers "Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs" (Leipz. 1793, 2 Bde.; fortgesetzt von Woltmann, das. 1808-1809, 2 Bde.) großen Beifall gefunden; aber als eine auf gründlicher Quellenforschung beruhende wissenschaftliche Arbeit darf sie nicht gelten. Neuere Gesamtdarstellungen sind: Söltl, Der Religionskrieg in Deutschland (Hamb. 1840-1842, 3 Bde.); Barthold, Geschichte des großen deutschen Kriegs (Stuttg. 1842-43, 2 Bde.); Gindely, Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs (Prag 1869-1880, Bd. 1-4); Derselbe, Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs (Leipz. 1883, 3 Bde.; populär); Keym, Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs (2. Aufl., Freiburg 1873, 2 Bde.). Vgl. ferner: Flathe, Gustav Adolf und der Dreißigjährige Krieg (Dresd. 1840-1841, 4 Bde.); Gfrörer, Geschichte Gustav Adolfs (4. Aufl., Stuttg. 1863); G. Droysen, Gustav Adolf (das. 1869-70 2 Bde.); Cronholm, Sveriges historia under Gustaf II. Adolphs regering (Stockh. 1857-72, 6 Bde.); Droysen, Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar (Leipz. 1885, 2 Bde.); Villermont, Tilly oder der Dreißigjährige Krieg (a. d. Franz., Schaffh. 1860); Klopp, Tilly (Stuttg. 1861, 2 Bde.); v. Ranke, Geschichte Wallensteins (4. Aufl., das. 1880); Hallwich, Wallensteins Ende (Leipz. 1879, 2 Bde.); Hurter, Geschichte Ferdinands II. (Schaffh. 1850-64, 11 Bde.); M. Koch, Geschichte des Deutschen Reichs unter der Regierung Ferdinands III. (Wien 1865, 2 Bde.); Opel, Der niedersächsisch-dänische Krieg (Halle 1872-78, Bd. 1 u. 2); Stieve, Der Ursprung des Dreißigjährigen Kriegs (Münch. 1876 ff.); La Roche, Der Dreißigjährige Krieg vom militärischen Standpunkt beleuchtet (Schaffh.