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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Echinoideen

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Echinoideen.

darmförmige, mit der Bauchhöhle kommunizierende Schläuche auf der Rückenfläche der Seesterne und an der Mundöffnung einiger Seeigel, endlich die Wasserlungen der Holothurien, zwei große verästelte Schläuche, welche in den Enddarm münden, vom After aus mit Wasser gefüllt und durch ihn entleert werden. Das Nervensystem besteht aus fünf in die Strahlen fallenden Hauptstämmen als Zentren, die unter sich durch einen um den Mund gelegenen Nervenring in Verbindung stehen. Über den feinern Bau derselben herrschen zur Zeit noch verschiedene Meinungen. Augen sind mit Sicherheit nur bei den Seesternen bekannt, und zwar liegen sie auf der Unterseite der Arme. Bei Synapta sind fünf Paar sogen. Gehörbläschen aufgefunden worden. Tastorgane sind die Tentakeln der Holothurien etc. Die Fortpflanzung ist fast immer eine geschlechtliche; dabei besteht nur in ganz seltenen Fällen Hermaphroditismus. Die Geschlechter sind äußerlich nicht voneinander verschieden. Eine Begattung findet nicht statt, vielmehr geht die Befruchtung der Eier fast immer außerhalb des mütterlichen Körpers im Seewasser vor sich. Meist entsprechen Zahl und Lage der Geschlechtsorgane der radiären Anordnung des gesamten Organismus (wegen der Einzelheiten s. die betreffenden Gruppen). Die Entwickelung ist nur selten eine direkte (Holothurien und lebendig gebärende Seeigel und Seesterne, s. d.), sondern verläuft meist mit einer so bedeutenden Metamorphose, wie sie im Tierreich nicht oft vorkommt. Aus dem Ei geht ganz allgemein eine kugelige, mit Wimpern versehene Larve hervor, die sich an einem Punkt einstülpt und so zu einem Sack (gastrula) wird. Dann entstehen allerlei Fortsätze von oft ganz wunderlicher Form, mit und ohne Stützen von Kalkstäben, meist auch mit besondern Wimperschnüren; dabei ist aber die Larve in ihrer Gesamtheit noch streng zweiseitig-symmetrisch gebaut und verrät durch nichts, daß sie sich zu einem radiären Körper umformen werde. Von innern Organen enthält sie zunächst nur den Darm, welcher sich durch die erwähnte Einstülpung gebildet hat (hierbei ist die Einstülpungsöffnung der After, während der Mund später entsteht), und die Anlage des Wassergefäßsystems als Anhang des Darms. Aus der Larve bildet sich dann das Echinoderm allmählich heraus, indem die provisorischen Larvenorgane teils abgeworfen, teils umgeformt werben und neue Organe entstehen; doch sind hierüber manche Einzelheiten noch nicht bekannt. Während übrigens die Larven stets die Oberfläche der See bevölkern und sich frei schwimmend bewegen, kriechen die erwachsenen Tiere immer auf dem Grund umher; in solchen Meeren aber, wo die heftige Brandung den Larven schädlich wird (z. B. an den Kergueleninseln), ist die Zeit des Schwärmens für dieselben entweder sehr verkürzt, oder sogar ganz in Wegfall gekommen. Alsdann entwickeln sich die Eier in besondern Bruträumen des Muttertiers, durchlaufen die ersten Stadien ungemein rasch und bleiben auch wohl nach der Geburt noch einstweilen beisammen. Die ungeschlechtliche Vermehrung, bisher nur bei Seesternen beobachtet, ist entweder eine direkte Teilung des ganzen Körpers, oder geschieht durch Ablösung einzelner Arme (sogen. Kometenformen), welche allmählich die Scheibe samt den übrigen Armen aus sich heraus neu bilden.

Alle E. sind Seetiere; nur wenige unter ihnen sind für immer oder in der Jugend mittels eines Stiels festgewachsen, die meisten bewegen sich langsam kriechend umher. Sie ernähren sich teils von Algen, teils von Mollusken, Krebsen etc., die sie mit ihren Saugfüßchen festhalten. Die Holothurien füllen entweder ihren Darm mit Sand, oder lecken ihre Tentakeln ab (s. Holothurioideen). Manche Tiefseeformen stehen in naher Verwandtschaft zu den ausgestorbenen E., namentlich zu denen aus der Kreide. Fossil treten die E. schon vor der silurischen Zeit auf; die ältesten Reste gehören der Gruppe der Krinoideen an. Als die ursprünglichste Gruppe betrachten einige Forscher die Krinoideen, andre die Holothurien, noch andre die Seesterne, halten jedoch alle die Seeigel für abgeleitete Formen. Näheres s. bei den vier Klassen der E., nämlich den Krinoideen, Asteroideen, Echinoideen und Holothurioideen. Vgl. Klein, Naturalis dispositio Echinodermatum (Leipz. 1778); Agassiz, Monographie d'Échinodermes vivants et fossiles (Neuchâtel 1838-42); E. Forbes, A history of British starfishes and other animals of the class Echinodermata (Lond. 1841); J. ^[Johannes] Müller, Über die Entwickelung der E. (Berl. 1846-54); Derselbe, Über den Bau der E. (das. 1853); Metschnikof, Studien über die Entwickelung der E. und Nemertinen (Petersb. 1869); Ludwig, Morphologische Studien an E. (Leipz. 1877-78); Häckel, Die Kometenformen der Seesterne und der Generationswechsel der E. (das. 1878).

Echinoideen (Echinoidea, Seeigel), Klasse der Echinodermen, Tiere von meist kugelförmiger oder ellipsoidischer, selten scheibenförmiger Gestalt. Die Arme, welche die Asteroideen (Seesterne) und Krinoideen (Liliensterne) auszeichnen, fehlen ihnen gänzlich. Die Schale des Körpers besteht aus 20 (bei ausgestorbenen Formen aus mehr) wie die Meridiane einer Kugel gruppierten Reihen von Kalkplättchen, die fast immer unbeweglich sind, und von denen immer je zwei nebeneinander gelegene die Poren zum Durchtritt der Saugfüßchen tragen, die zwei folgenden aber ihrer entbehren. Die bei den sogen. regulären Seeigeln anscheinend vorhandene fünfstrahlige Symmetrie ist in Wirklichkeit eine zweiseitig-symmetrische; noch deutlicher ist diese, wenn Mund oder After exzentrisch liegen (wie bei den Herzigeln, s. unten). Der Regel nach befindet sich nämlich der Mund am Pol der Bauchseite, der After nahezu an dem der Rückenseite. Die Schale ist mit zahlreichen Höckern besetzt und trägt bewegliche, manchmal sehr große Stacheln; zwischen ihnen liegen die Saugfüßchen und die zangenartigen Greiforgane (Pedicellarien). Die Ortsveränderung kommt dadurch zu stande, daß sich die Saugfüßchen der vorangehenden Seite durch Wasseraufnahme aus dem Wassergefäßsystem (s. Echinodermen) über die Stacheln hinaus verlängern, sich an fremde Gegenstände anheften und den Körper, welcher auf den Spitzen der Stacheln balanciert, nach sich ziehen. Die Zerkleinerung der Nahrung (Krebse, Fische etc.) besorgt bei den meisten E. ein besonderer Kauapparat, die sogen. Laterne des Aristoteles (s. Tafel "Echinodermen"), eine mehrere Zentimeter hohe, aus Kalkstäben gebildete, hohle Pyramide mit eigentümlich eingelenkten, meißelartigen Zähnen, welche den zwischen ihnen befindlichen Gegenstand langsam zerstückeln. Der Darm macht mehrere Windungen und ist an der Innenfläche der Schale durch häutige Fäden befestigt. Wegen des Nerven-, Wasser- und Blutgefäßsystems s. Echinodermen. Die Geschlechtsorgane sind fast immer in der Fünfzahl vorhanden und münden durch ebenso viele Öffnungen am Rückenpol der Schale aus. Keine Echinoidee ist zwitterig. Die Entwickelung erfolgt mit bedeutender Metamorphose; die Larven haben die Form des Pluteus. Nur sehr selten ist bei dem Muttertier eine