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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Einkommensteuer

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Einkommensteuer.

Man kann unterscheiden zwischen E. aus Arbeit und E. aus Besitz (fundiertem E.), oder es läßt sich das gesamte Volkseinkommen einteilen in: 1) E. der Lohnarbeiter (s. Arbeitslohn) als vertragsmäßiges Entgelt für einem Dritten geleistete Dienste; 2) E. aus verliehenem Kapital (Pacht-, Miet-, Darlehnszins); 3) E. der wirtschaftlich selbständigen Personen aus eignen Unternehmungen. Letztere müßten, um die Wirtschaftlichkeit ihrer Unternehmung beurteilen zu können, unter die Kosten derselben sowohl eine angemessene Vergütung für eigne Arbeit als auch den normalen Zinssatz für eigne Kapitalaufwendungen sowie die aus Durchschnittsrechnungen ermittelte normale Bodenrente rechnen. Was über diese Kosten hinaus erzielt wird, wäre Unternehmer-, bez. Unternehmungsgewinn. Mit Rücksicht darauf, daß die Grundrente (Bodenrente) einen eigenartigen Charakter trägt, ist es hiernach üblich geworden, das Gesamteinkommen zu zerlegen in die Hauptzweige: Arbeitslohn (s. d.), Zins (s. d.), Grund- oder Bodenrente (s. d.) und Unternehmergewinn (s. d.).

Das Gesamteinkommen verteilt sich in ungleicher Weise auf die einzelnen Glieder der Gesellschaft. Die Ungleichheit wird zunächst durch Verschiedenheit in den Leistungen bedingt. Die Arbeitsfähigkeit ist in quantitativer wie in qualitativer Hinsicht eine ebenso verschiedene wie die Leistungsfähigkeit der angewandten Produktivmittel je nach ihrem Umfang und ihrer besondern technischen und wirtschaftlichen Beschaffenheit. Dazu kommen Ungleichheiten im Haushalt, in der wirtschaftlichen Verwendung des Einkommens, Anfälle aus Erbschaften etc., politisch-rechtliche Begünstigungen, Verschiedenheit in den natürlichen und sozialen Verwertungsvorteilen etc. Durch Änderungen in der gesellschaftlichen Verfassung können zwar einige Ursachen der Verschiedenheit beseitigt werden, doch ist eine vollständige Ausgleichung ebensowenig möglich, wie sie im Interesse der Kulturentwickelung liegt.

Einkommensteuer nennt man diejenige Steuer, für welche das Einkommen des Steuerpflichtigen sowohl Bemessungsgrundlage als Objekt der Besteuerung ist. Sie ist hiernach eine direkte Personalsteuer, und zwar ist sie, wie in Preußen, Sachsen, Hessen, Weimar, Oldenburg, Österreich, allgemeine E., wenn das Gesamteinkommen als solches nach seiner Größe besteuert wird, oder sie ist eine partielle E. oder Partialeinkommensteuer, wenn sie, wie in England, die einzelnen Teile des Einkommens an ihren Quellen erfaßt. In Bayern und Württemberg wird auch als E. diejenige bezeichnet, welche die von einer direkten Steuer noch nicht belasteten Einkommen aus Lohn, Gehalt oder von liberalen Berufen trifft. Streng genommen, lassen sich insofern alle nicht zu hohen und richtig verteilten Steuern als Einkommensteuern betrachten, als sie vom Einkommen entrichtet werden. Dem Gedanken, daß die Steuer eine Quote vom Einkommen ausmachen soll, entspricht die E. vollständig. Man hat sie deshalb auch als einzige Steuer empfohlen. Doch würde sie als einzige Steuer (Einsteuer) keineswegs allen Zwecken der Besteuerung entsprechen, einmal, weil nicht alle Abgaben nach dem Einkommen zu bemessen sind, dann, weil eine allen Grundsätzen genügende praktische Durchführung der E. nicht allein schwierig, sondern geradezu unmöglich ist. Aus diesem Grund kann die E. nur die Rolle einer die Steuerlasten ausgleichenden oder dem Interesse der Finanzverwaltung besonders dienenden Ergänzungssteuer spielen. Für die Finanzverwaltung bietet sie nämlich den Vorteil, daß ihr mit wachsender Bevölkerung und zunehmender Wohlhabenheit steigender Ertrag sicher vorauszubestimmen ist und je nach Bedarf durch Änderung des Steuerfußes eine Erhöhung oder Minderung gestattet. Wenn richtig zu veranlagen, ermöglicht die E. eine gerechte, der Steuerfähigkeit sich anschließende Steuerverteilung, indem sie alle trifft, ohne übergewälzt werden zu können. In politischer Beziehung wird zu ihren gunsten geltend gemacht, daß sie mit Bewußtsein gezahlt werde, hiermit das Pflichtgefühl gegen den Staat stärke, gleichzeitig auch zu genauerer Kontrolle der Verwendung anreize. Sie würde ferner weder Produktion noch Verteilung und Verkehr stören und bei geringen Umlagekosten die Erhebung in passenden Zeiten und Teilbeträgen gestatten. Doch lassen sich nicht alle der E. zugeschriebenen Vorteile in der Praxis voll erzielen und zwar im wesentlichen deswegen, weil das Objekt der E. nicht genügend erkennbar und erfaßbar ist. Die sich an äußere Merkmale haltende Einschätzung durch Dritte (Einschätzungskommission, welche aus mit örtlichen und persönlichen Verhältnissen möglichst vertrauten Mitgliedern zusammenzusetzen wäre) würde nur bei kleinern Einkommen brauchbare Ergebnisse liefern, bei größern aber um so mehr von der Wirklichkeit abweichen, je mehr es an sichern Thatsachen zur Schätzung und Kontrolle fehlt. Verläßt man sich dagegen auf das meist unkontrollierbare Bekenntnis (Deklaration, Fassion, Selbsteinschätzung) der Pflichtigen, so setzt man eine Gewissenhaftigkeit voraus, die gerade in Steuersachen nur ganz ausnahmsweise zu finden ist. Infolgedessen ist die E. wenig einträglich und in großen Staaten unzureichend für Deckung des gesamten Staatsbedarfs. Wollte man sie hierfür benutzen, so müßte man den Steuerfuß bis zu einer solchen Höhe hinaufschrauben, welche nur deswegen (denn in irgend einer Weise muß ja doch die Steuer getragen werden) unerträglich werden würde, weil damit die Ungleichheit der Belastung vermehrt würde. Dazu kommt, daß die E. als echt direkte Steuer weit mehr als besondere Last empfunden wird und damit zur Unzufriedenheit Anlaß gibt als eine in kleinern Beträgen und mit Umgehung von Steuereinnehmer und Exekutor erhobene Aufwandsteuer. Der Reichere kann durch die E. nicht voll besteuert werden, weil seine Einnahmequellen nicht genügend offen zu Tage liegen; die untern Klassen sind durch dieselben schwer zu erfassen, wenn sie häufig den Wohnort wechseln. Die Steuer in ganz kleinen Beträgen zu erheben, ist zu kostspielig und umständlich. Andernfalls fällt die Ansammlung und Zurücklegung bis zum jeweiligen Zahlungstermin schwer. Infolgedessen führt die E. bei kleinen Einkommen zu zahlreichen harten und für die Verwaltung meist fruchtlosen Exekutionen. Aus diesem Grund hat man in Preußen auf die E. in den untersten Klassen (bis zu 420 Mk.) verzichtet, wie auch in England Einkommen unter 150 Pfd. Sterl. frei bleiben. Der Einwand, daß das Einkommen ein falscher Maßstab für Beurteilung der Steuerfähigkeit sei, indem individuelle Vorteile und Schwierigkeiten in Produktion und Haushalt (Kinderzahl, Krankheiten, Unterhaltspflichten, Standesbedürfnisse, Preisverschiedenheiten, Naturgefahren etc.) bei der Besteuerung nicht berücksichtigt würden, ist dagegen nicht stichhaltig. Im allgemeinen würde, sofern man nur das Einkommen wirklich kennt, die E. doch eine gerechtere Steuerverteilung ermöglichen als Verkehrs- und Aufwandsteuern, bei denen man den thatsächlichen Wirkungen nicht nachgehen kann und sich deshalb mit dem Gedanken tröstet, daß dieselben den obersten