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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Eisenbahn (wirtschaftliche und militärische Bedeutung; internationale Übereinkommen).

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Eisenbahn'

Anmerkung: Fortsetzung von [Betriebswesen.]

kommen ferner die Normen für die Aufstellung der Rechnungen, deren Abnahme, Revision und Dechargierung, ferner die Grundsätze für die im voraus stattfindende Veranschlagung der Einnahmen und Ausgaben und die Beschaffung der für den Bau und Betrieb erforderlichen Geldmittel wie für die Ausführung der Kassen- und Verwaltungsetats in Betracht.

VI. Wirtschaftliche und militärische Bedeutung.

Die Geschichte des Weltverkehrs in den letzten Jahrzehnten hat die machtvollen Wirkungen des Eisenbahnwesens auf die menschliche Gesamtkultur schon einigermaßen enthüllt. Die nächsten Wirkungen der E. sind: Verwohlfeilerung und Beschleunigung des Verkehrs, Steigerung seiner Regelmäßigkeit und Massenhaftigkeit, Verschiebung und Veränderung der Verkehrspunkte und Verkehrsrichtungen. Diese nächsten Wirkungen äußern sich sowohl im wirtschaftlichen als auch im politischen Leben. Im wirtschaftlichen Leben bewirken die E. eine Ausgleichung der Preise, indem sie die landwirtschaftlichen Distrikte näher an die großen Städte, die Gegenden der Rohproduktion näher an die Industrieplätze rücken. Teurungen und Hungersnot wird dadurch vorgebeugt. Insofern die Arbeiter leichter jene Plätze aufsuchen können, wo Löhne und Lebenspreise am günstigsten sind, werden die Löhne allmählich ausgeglichen. Die Erleichterung des Reisens macht es möglich, eine Masse von Geschäften selbst zu besorgen, die früher brieflich oder durch andre besorgt werden mußten. Dadurch werden schmarotzerhafte Zwischenglieder des Verkehrs auf vorteilhafte Weise überflüssig gemacht. Die gesamte wirtschaftliche Thätigkeit pulsiert seit der Entwickelung des Eisenbahnwesens rascher und energischer. Im politischen Leben erleichtern die E. das Regierungsgeschäft, die Durchführung des Repräsentativsystems. Kosmopolitisch ihrem Charakter nach, dienen sie dazu, nationale Vorurteile abzuschleifen und in den Großstaaten das Geschäft der Zentralisation rasch von statten gehen zu lassen, indem sie stete und schnelle Wechselbeziehungen zwischen entlegenen Provinzen und dem Zentrum des Staats ermöglichen und den Einfluß des letztern schnell in die Provinzen tragen. In gesellschaftlicher Hinsicht ermöglichen sie das rasche Wachstum der Großstädte mit all seinen Eigentümlichkeiten, verallgemeinern die persönlichen Wirkungen des Reisens, insbesondere auch eine Menge von Genüssen. Es sind in neuerer Zeit von namhaften Finanzmännern und Statistikern sehr beachtenswerte Versuche gemacht, diejenigen Vorteile ziffermäßig nachzuweisen, welche der durch die E. herbeigeführten Verallgemeinerung und Erleichterung des Verkehrs zuzuschreiben sind. Der französische Minister Freycinet sagte bei Verteidigung seines großartigen Bahnbauprojekts, daß man die gesamte Bruttoeinnahme einer Eisenbahn mit 4 multiplizieren müsse, um ihren wirklichen (direkten und indirekten) Vorteil in einer Ziffer zu haben. Diese Schätzung wird durch sorgfältige Ermittelungen des bekannten Statistikers Engel auch für die preußischen und deutschen Bahnen bestätigt. Engels Untersuchungen zeigen, daß die zum Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen gehörigen Bahnen, als einheitliches Netz betrachtet, mit ihrem Verwaltungsapparat jährlich allerdings nur einen geringen Unternehmergewinn abwerfen, indem sie nicht einmal volle 5 Proz. des Anlagekapitals aufbringen. Wirtschaftlich haben die Bahnen dessenungeachtet aber große Dienste geleistet. Es läßt sich berechnen, daß die Bevölkerung, welche den Güter- u. Personentransportdienst dieser Bahnen in Anspruch nahm, ↔ Ende der 70er Jahre jährlich nicht weniger als 3183½ Mill. Mk. mehr aufzuwenden genötigt gewesen wäre, wenn sie für die gleiche Menge, keineswegs aber für die gleiche Beschaffenheit von Transportleistungen nur die alten, vor dem Eisenbahnzeitalter noch gebräuchlichen Transportmittel zur Verfügung gehabt hätte. Wenn die E. neben den unschätzbaren Vorteilen für einzelne Interessenkreise auch manche Schädigungen im Gefolge gehabt haben, so sind dieselben den Wirkungen zuzuschreiben, welche jede tiefgreifende Umwälzung notwendigerweise herbeiführen muß. Die Baukosten eines Kilometers E. werden im Durchschnitt auf ca. 216,000 Mk. veranschlagt; die Herstellung des gegenwärtigen Eisenbahnnetzes der Erde nahm also die enorme Summe von ca. 100 Milliarden Mk. in Anspruch.

Die militärische Bedeutung der E. beruht auf folgenden Punkten: 1) Schnelle Mobilmachung. In Deutschland kann schon jetzt auch der am entferntesten wohnende Reservist am Abend des zweiten Tags nach Empfang des Befehls an seinem Bestimmungsort sein. 2) Rasche Versammlung der Heere. Je weiter die Entfernung, um so vorteilhafter ist hierbei die Benutzung der Bahn. Es braucht z. B. ein deutsches Armeekorps zum Eisenbahntransport etwa 115 Züge von 60-100 Achsen, also bei 18 Zügen täglich auf einer Linie und von einem Punkt aus 6-7 Tage zur Einschiffung und kann am Abend des 8. Tags 60-80 Meilen von seinem Ausgangspunkt versammelt sein; in derselben Zeit hätte es durch Fußmarsch bei zwei notwendigen Ruhetagen 18-20 Meilen höchstens zurücklegen können, beim Transport auf dieser Strecke also nichts gewonnen. Ein fernerer Zeitgewinn tritt aber dadurch ein, daß man mit dem Transport der fertigen Truppen schon beginnen kann an den Tagen, welche Kolonnen und Trains wegen Ankaufs der Pferde noch zur Mobilmachung brauchen. 3) Verminderung des Trosses, erhöhte Schlagfertigkeit und größere Beweglichkeit der Heere durch die Möglichkeit, alle Bedürfnisse leicht von weit her heranzuziehen, Verluste rasch zu ersetzen, Kranke, Gefangene, Beute und sonst überflüssiges Material auf kurze Art vom Heer fortzuschaffen. 4) Möglichkeit schneller und überraschender Operationen durch Verpflanzung ganzer Heerkörper von einem Kriegsschauplatz auf den andern, wie 1866 die österreichische Südarmee an die Donau, 1870 die deutsche Küstenarmee von der Nord- und Ostsee nach Straßburg und Metz, 1871 die 14. Division von Mézières nach Paris und weiter zur Südarmee. (Vgl. im übrigen Militäreisenbahnwesen.)

VII. Internationale Übereinkommen.

Der Aufschwung des Weltverkehrs hat in neuerer Zeit das Bedürfnis hervortreten lassen, über gewisse Gegenstände des internationalen Eisenbahnverkehrs eine gleichmäßige Regelung in ähnlicher Weise herbeizuführen, wie sie auf dem Gebiet des Post- und Telegraphenwesens bereits besteht. In den Jahren 1878 und 1881 fanden in Bern Konferenzen von Vertretern Deutschlands, Österreich-Ungarns, Frankreichs, Rußlands, Italiens, Luxemburgs, Belgiens, der Niederlande und der Schweiz zur Beratung eines internationalen Eisenbahnfrachtrechts statt. Aus denselben sind Entwürfe eines internationalen Übereinkommens über den Eisenbahnfrachtverkehr nebst Ausführungsbestimmungen sowie eines Reglements, betreffend die Errichtung eines internationalen Eisenbahnzentralamts, hervorgegangen. Die Bestimmungen des Übereinkommens, welches alsbald

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 446.