Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Englische Litteratur

647

Englische Litteratur (Zeitalter der Restauration).

Eiferer, die "näselnden und grinsenden Rundköpfe und Heiligen", zwei Generationen hindurch unerschöpflichen Witzstoff für alle Schriftsteller des Zeitalters, die mit Augen für das Lächerliche begabt waren. Dann kam, wie Macaulay sagt, die Reihe des Ernsthaftsehens an die Lacher. Die glaubensreichen Brüder griffen zu den Waffen, siegten, herrschten und traten den ganzen Haufen der Spötter unter ihre Füße. "Die Theater wurden geschlossen, die Schauspieler gestäupt, die Musen von ihren Lieblingsstätten verbannt." Die schmucken, glänzenden Jünglinge, die, wie Carew (gest. 1639), John Suckling (gest. 1641) u. a., als Kavaliere für das Königtum gefochten und Lust und Galanterie besungen hatten, waren gefallen oder saßen in den Kerkern, wo Überzeugungstreue und Leiden ihre Poesie veredelten. Die häßliche und lächerliche Seite des Puritanertums, die heuchlerische Scheinheiligkeit, dem unbarmherzigen Gelächter preiszugeben, gelang nach der Restauration am besten Sam. Butler (gest. 1680) in seinem unvollendet gebliebenen komischen Epos "Sir Hudibras". Zu den bessern Dichtern der Restauration gehört Sir John Denham (gest. 1668), der mit seinem "Cooper's hill" eine eigne Dichtungsart, die lokale, einführte, welche in der poetischen Beschreibung einer gewissen Landschaft besteht, ausgeschmückt mit Reflexionen; Edmund Waller (gest. 1687), einem Hofpoeten, fehlten das tiefe Gefühl, die Natürlichkeit und Phantasie der ältern Kavaliere. Dieser loyalen und leichtfertigen Poesie gegenüber steht "wie ein einsamer Riese" der die edle Seite des Puritanertums repräsentierende John Milton (1608-74). Die Unsterblichkeit seines dichterischen Namens knüpft sich an das Hauptwerk seines Lebens, das Epos "The Paradise lost" (begonnen 1655, vollendet 1665). Milton hat in diesem Epos die störende Sklaverei des Reims abgeschüttelt, es bedurfte auch keiner bestechenden Form; denn an Größe, Erhabenheit, Schönheit der Beschreibung, Reichtum der Phantasie und Kraft des Ausdrucks wird es von wenigen übertroffen. Unter den übrigen Dichtungen Miltons gebührt den gefeierten Schilderungen des Fröhlichen und Schwermütigen ("L'Allegro" und "Il Penseroso") der höchste Preis; zu seinen schwächsten Produkten gehört das Werk, das er als Abschluß des "Verlornen Paradieses" betrachtet wissen wollte: "The Paradise regained", worin die Versuchung Jesu in der Wüste in frostiger Rhetorik dargestellt ist.

IV. Von der Restauration bis zum Ende des 18. Jahrh.

Als das Königtum mit Karl II. restituiert war, änderte sich die Physiognomie Englands mit Einem Schlag. Die eintönigen Gebete der Puritaner verstummten, um grellen Zotenliedern Platz zu machen, die Heiligkeit verschwand von der Tagesordnung, Frivolität, zügelloser Cynismus traten an ihre Stelle. Die Politik der Stuarts war schmachvoll; das protestantische England wurde die Magd des katholischen Frankreich, dessen sprichwörtliche Liederlichkeit mit dem zurückkehrenden Monarchen in die Hauptstadt einzog. Die Litteratur ist das treue Spiegelbild dieser Zustände: auch sie schreitet im französischen Modekleid und spreizt sich wohlgefällig in Schamlosigkeit und Unzucht. Populär war die Litteratur seit dem Ausbruch der Revolution nicht mehr; die künstliche Nachahmung eines fremden, völlig heterogenen Geisteslebens, in der sich die vornehme Gesellschaft gefiel, war nicht geeignet, dem Volk die Litteratur zu erschließen. Auch an der philosophischen Skepsis, die sich in den Werken eines Shaftesbury, Bolingbroke ausspricht, nahmen nur Auserwählte teil. Vertreter des französischen Klassizismus war John Dryden (1631-1700), der, Dichter und Kritiker zugleich, die Zeitgenossen unter sein wuchtiges Zepter zu beugen verstand. Er gab der in den Kaffeehäusern verkehrenden litterarischen Gesellschaft den Ton an, auf den sofort aller Welt Urteil und Meinung gestimmt wurde. Auf das Theater übte der Hof scheinbar einen vorteilhaften Einfluß. Karl II. erwies ihm besondere Gunst und erteilte 1660 zwei Schauspielergesellschaften ein Privilegium. Eine derselben stand unter der Leitung von William Davenant (gest. 1668), der in Bezug auf szenischen Apparat dem Bühnenwesen zu erheblichen Fortschritten verhalf. Indessen konnte sich das Theater der allgemeinen Stimmung nicht entziehen: sein wesentlicher Charakter besteht in einer erschreckenden Schamlosigkeit und Unsittlichkeit, und es ist für den Geist der Zeit höchst bezeichnend, daß die Dichter es sich angelegen sein ließen, die zügellosesten und frechsten Verse den Schauspielerinnen in den Mund zu legen. Als Muster der Tragödie galt natürlich die damals auf ihrer Höhe befindliche französische, deren Steifheit und Regelmäßigkeit die gebildete Gesellschaft zur Bewunderung fortriß. Daneben hielt man von andrer Seite noch an den Traditionen des altenglischen Dramas fest, und das Charakteristische in der Tragödie der Restaurationszeit ist gerade das Suchen nach einer höhern Einheit und Versöhnung des französischen und englischen Geschmacks. Das Ende dieser Bestrebungen war der vollständige Sieg des erstern. Dryden kam in seinem "Essay on dramatic poesy" (1667) zu dem Resultat: Shakespearescher Geist in französischer Form - das sei das Ziel, dem der englische und jeder Tragödiendichter nachstreben müsse. Die nach diesen Maximen ausgeführten heroischen Stücke Drydens erhoben sein Ansehen eine Zeitlang von Jahr zu Jahr, bis die Reaktion eintrat, und zwar vorzugsweise herbeigeführt durch einen der schärfsten Angriffe, die in ästhetischen Dingen jemals durch die Satire gemacht worden sind. Der witzige George Villiers, Herzog von Buckingham, ließ 1671 die parodistische Komödie "The Rehearsal" aufführen, in welcher Dryden selbst zur Hauptfigur gemacht war und unter der Form einer Theaterprobe die Helden aller Drydenschen Stücke zur Darstellung kamen. Die Festzüge, der Schlachtenlärm, die jähen und gewaltsamen Schicksalsveränderungen, die Geistererscheinungen und alles das, worin Dryden vorzüglich das Wesen des Erhabenen und Romantischen suchte, wurden köstlich persifliert. Die Wirkung war durchgreifend: auch Dryden strebte fortan nach größerer Natürlichkeit. Unter seinen Zeitgenossen ragen Nathaniel Lee (1657-93), eine bedeutende Kraft, die selten in ihren Produktionen zu schöner Mäßigung gelangt, und Thomas Otway (gest. 1685, "Venice preserved") hervor. Die oben erwähnte dramatische Frechheit und Liederlichkeit herrschte begreiflicherweise hauptsächlich in der Komödie. Hier war sie arg genug, um selbst Voltaires Gefühl zu empören. Von Karls II. frecher und ausschweifender Umgebung ging die Entsittlichung aus, und der Lustspieldichter war, wie H. Hettner treffend sagt, die Zunge des verdorbensten Teils der verdorbenen Gesellschaft. Die bedeutendsten Komödiendichter dieser Zeit sind William Wycherley (gest. 1715) und William Congreve (gest. 1729), die in ihren Dichtungen ein so völlig verwildertes sittliches Denken und Fühlen zeigen, daß man keine derselben ohne Widerwillen lesen kann, wiewohl Schärfe dramatischer Charakteristik und lebendige Handlung ihnen nicht abzusprechen sind. Neben ihnen stehen George Etherege