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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Erbswurst - Erbvertrag.

Verdammnis aller Ungetauften begründet, eine bloße Erbkrankheit, wie auch die Socinianer, Arminianer und die neuern Dogmatiker den Begriff der E. meist in den des Erbübels umsetzten. Doch hat selbst die orthodox-lutherische Dogmatik den Satz des Flacius, daß durch den Sündenfall die E. zur Substanz des Menschen geworden sei, als manichäische Übertreibung verworfen.

Erbswurst, eine von dem Koch Grüneberg in Berlin (gest. 1872 daselbst) angegebene und im deutsch-französischen Krieg von 1870/71 in großer Menge zur Verpflegung der Truppen benutzte Mischung, besteht im wesentlichen aus Erbsenmehl, Rinderfett, zum Teil entfettetem Speck, Zwiebeln und andern Gewürzen, in darmartige Hülsen von Pergamentpapier gefüllt. Das Präparat ist ziemlich haltbar und wird zum Gebrauch mit Wasser aufgekocht, um als Suppe oder in fester Form gegessen zu werden. Schon längere Zeit vor dem Krieg hatte das Kriegsministerium mit der E. Versuche angestellt und je 20 Mann 6 Wochen lang bei angestrengtem feldmäßigen Dienst neben den üblichen feldmäßigen Brotportionen ausschließlich mit E. ernährt. Da die dabei gewonnenen Erfahrungen im wesentlichen günstig ausgefallen waren, wurde bei Ausbruch des Kriegs eine Fabrik auf Staatskosten errichtet, welche zuerst täglich 7000 kg, später bis 65,000 kg, im ganzen 4-5 Mill. kg E. lieferte.

Erbteilung, die unter Miterben stattfindende Auseinandersetzung und Teilung in Ansehung des vom Erblasser hinterlassenen Vermögens. Dieselbe erfolgt entweder gerichtlich oder außergerichtlich, im erstern Fall unter Ausfertigung einer gerichtlichen Teilungsurkunde (Erbrezeß). Eine Privatteilung des Nachlasses kann vom Erblasser selbst vorgenommen sein, so daß die Miterben oder die Testamentsvollstrecker nur die desfallsigen Anordnungen des Erblassers zu realisieren haben, oder die Erben einigen sich freiwillig über eine solche E. Hierbei ist das sogen. Kürrecht (jus optionis) des sächsischen Rechts bemerkenswert, wonach der ältere Miterbe die Teile zu machen, der jüngere die Wahl zu treffen hat (major dividit, minor eligit). Eine gerichtliche E., d. h. eine Teilung unter Leitung des Gerichts, findet statt, wenn der Erblasser sie angeordnet oder ein Erbe dieselbe beantragt hat, aber auch von Amts wegen dann, wenn dabei bevormundete Personen konkurrieren. Auch durch rechtliche Klage (actio familiae herciscundae) kann die E. erzwungen werden, und zwar tritt hier die Eigentümlichkeit ein, daß die Parteien zugleich als Kläger und als Beklagte (judicium duplex) erscheinen, insofern nämlich, als beide Teile eine teilweise Verurteilung treffen kann, indem hier die E. unmittelbar durch richterlichen Ausspruch bewirkt wird.

Erbtochter, die nächste kognatische Verwandte des letzten Agnaten eines adligen Hauses, namentlich die nächste Verwandte eines Besitzers zu vererbender Stamm- oder adliger Fideikommißgüter, welche erst nach dem Aussterben des gesamten Mannesstamms succediert. Obschon dies Rechtens, kommt doch noch der Erbverzicht der adligen Tochter zu gunsten des Mannesstamms vor; sofern sich derselbe nicht zugleich auf die übrige Erbschaft außer dem Stamm- oder Fideikommißgut bezieht, hat er keine weitere Bedeutung, als daß der Inhalt einer bestehenden Rechtsnorm als Inhalt eines Rechtsgeschäfts wiederholt wird. In Mecklenburg können die Töchter der ohne Söhne versterbenden Lehnsbesitzer (Erbjungfern) den lebenslänglichen Besitz des Lehnsgutes beanspruchen.

Erbtruchseß, s. Erbämter.

Erbunterthänigkeit, in frühern Zeiten die auf Leibeigenschaft (s. d.) sich gründende Verbindlichkeit zu Dienstleistungen und Zinsen.

Erbverbrüderung (Konfraternität, Pactum confraternitatis), die besondere Art des Erbeinsetzungsvertrags, wodurch eine Familie von hohem Adel oder eine einzelne Linie einer solchen für den Fall ihres gänzlichen Aussterbens oder doch ihres Aussterbens im Mannesstamm einer andern Familie von hohem Adel oder ihrer Linie das Erbrecht (regelmäßig gegenseitig) zusichert. Ursprünglich waren solche Erbverbrüderungen nur zwischen stammverwandten Häusern üblich. Sie sollten verhindern, daß im Fall des Aussterbens eines Fürstenhauses im Mannesstamm die dadurch erledigten Reichslehen dem Kaiser anheimfielen. Mit der Zeit wurden sie aber auch auf bloß verschwägerte Familien ausgedehnt. Solange die frühere deutsche Reichsverfassung bestand, war die kaiserliche Bestätigung für solche Verträge insofern erforderlich, als die Gebiete, worauf sie sich bezogen, Reichslehen waren. Die früher errichteten Erbverbrüderungen wurden, sofern sie nicht bereits in Wirksamkeit getreten, wie z. B. die zwischen den sächsischen Häusern und Henneberg von 1554, zwischen Brandenburg und Pommern von 1501, oder beim Eintreten des darin vorgesehenen Falles wirkungslos geblieben, wie die zwischen Braunschweig und Ostfriesland von 1691, oder endlich ausdrücklich wieder aufgehoben worden waren, wie der 1770 abgeschlossene und 1805 wieder aufgehobene Vertrag, wonach Österreich Successionsrechte im Herzogtum Württemberg erhielt, bei der Auflösung des Reichs als rechtsbeständig anerkannt; so namentlich die am 9. Juni 1373 zwischen Hessen und dem thüringisch-meißnischen Haus, welches später die sächsische Kurwürde erlangte, abgeschlossene und wiederholt erneuerte E., der in der Folge auch das Haus Brandenburg beigetreten war. Auch die 1442 zwischen Brandenburg und Mecklenburg abgeschlossene und 1693 und 1708 erneuerte E., wodurch dem erstern für den Fall des Abganges des mecklenburgischen Mannesstamms die dortige Succession zugestanden wurde, besteht noch in Kraft, jedoch nur in Beziehung auf die damaligen Besitzungen, so daß spätere Erwerbungen, wie z. B. die Herrschaft Wismar, davon ausgeschlossen bleiben. Das jetzt geltende deutsche Staatsrecht erkennt die Rechtsbeständigkeit aufgerichteter Erbverbrüderungen an und gestattet auch fernerhin deren Aufrichtung; nur fordert es dazu außer der Beachtung der Ansprüche, welche sich auf etwanige frühere Verträge gründen, die Einwilligung der Agnaten und die Zustimmung der Volksvertretung.

Erbvergleich, die freiwillige Verständigung der Erben über die Teilung des Nachlasses ihres Erblassers (s. Erbteilung).

Erbvertrag (Pactum successorium), ein Vertrag, wodurch Rechte und Verbindlichkeiten in Bezug auf den künftigen Nachlaß einer noch lebenden Person festgestellt werden. Nach römischem Recht war ein solcher Vertrag, als gefährlich und den guten Sitten zuwiderlaufend, ungültig. Das deutsche Recht hat jedoch dergleichen Verträge als gültig und bindend anerkannt. Der affirmative E. oder Erbeinsetzungsvertrag ist ein solcher, durch welchen neue Erbrechte erworben (pactum successorium acquisitivum) oder schon vorhandene sichergestellt werden (pactum successorium conservativum); der negative E. oder Erbverzicht (s. d.) dagegen der, wodurch auf eine dem Kontrahenten zustehende Erbschaft verzichtet wird. Über Erbverträge gelten im allgemeinen die Bestim-^[folgende Seite]