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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Erdkunde

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Erdkunde (neuere Zeit).

zosen (Bougainville) beteiligten (s. Ozeanien). Diese von J. ^[James] Cook 1769 energischer aufgenommene Erforschung der Südsee wurde bis in die ersten Jahrzehnte unsers Jahrhunderts fortgesetzt und zum Abschluß gebracht, worauf nur noch die beiden Polarräume und das Innere der Kontinente, namentlich Afrikas und Australiens, aufzuhellen waren. Hieran wird noch in unsern Tagen eifrig gearbeitet. Ihr Charaktermerkmal erhält diese neue Periode der Entdeckungen durch die technische Verschärfung aller Beobachtungen, deren Endzweck die Aufstellung vergleichbarer Werte wird. Eingeleitet wurde dieses "Zeitalter der Messungen", wie Peschel es nennt, durch eine Reihe rein wissenschaftlicher Expeditionen, welche schon mit dem Franzosen Jean Richer beginnen, der 1672 in Cayenne aus den Schwingungen des Pariser Sekundenpendels fand, daß die Erde keine reine Kugel, sondern am Äquator angeschwollen sei. Kurz darauf trat Edmund Halley seine physikalischen Entdeckungsreisen an, und durch ihn gewannen wir die erste Karte der Luftströmungen und die erste Karte mit Linien gleicher magnetischer Mißweisungen, so daß er der Begründer der neuen physikalischen Geographie genannt zu werden verdient. Der französische Botaniker Joseph Pitton de Tournefort (geb. 1656) erkannte 1700 bei einer Wanderung am Ararat, daß bei senkrechtem Aufsteigen die Gewächse höherer Breiten sich wieder zu zeigen beginnen, und daß die Erhebung ihres Standorts ähnlich wirke wie ein Wachsen der Polhöhe in den Niederungen. Die ersten genauen Ortsbestimmungen, bei denen die Längen mit Hilfe der Verfinsterungen der Jupitermonde ermittelt wurden, verdanken wir im Beginn des 18. Jahrh. dem Franziskaner Louis Feuillé, dessen Polhöhen bis auf 2 oder 3 Minuten sicher sind, dessen Längen aber nicht völlig um einen halben Grad von unsern heutigen Angaben abweichen. Die erste Hälfte des 18. Jahrh. ist in der Geschichte der E. ferner noch ausgezeichnet durch die Erdbogenmessungen der Franzosen und zwar die lappländische 1736 durch Maupertuis, Clairaut, Lemonier ^[richtig: Lemonnier = Pierre Charles Lemonnier, 1715-1799] u. a. und die peruanische unter Bouguer, Lacondamine und Godin. Unter den Deutschen war es Karsten Niebuhr (geb. 1733), welcher, vom König Friedrich V. von Dänemark ausgerüstet, 1763 eine epochemachende Reise in das Bergland Jemens (Arabien) unternahm, zuerst die geographischen Längen durch die Abstände des Mondes von der Sonne oder von Fixsternen maß und die ersten zuverlässigen Karten vom Roten Meer, Arabien und Kleinasien lieferte. Im Dienste der Kaiserin Katharina II. von Rußland bereiste 1768-74 der Berliner P. Simon Pallas Sibirien, dessen eigentlicher zoologischer und botanischer Entdecker gerade er wurde. Am Schluß des 18. Jahrh. (5. Juni 1799) trat Alexander v. Humboldt seine epochemachenden Reisen an, bei denen er weniger als alle seine Vorgänger den Blick auf die Entdeckungen vorher unbekannter Länder wandte. Er hatte viel höhere Zwecke im Auge, nämlich die Sammlung von Größen und Thatsachen, die untereinander verglichen werden konnten.

Auf dem Gebiet der astronomischen E. ist es unser Zeitalter, welches eine Reihe der wichtigsten Entdeckungen aufweist. Zur genauern Messung von Polhöhen bedurfte man schwerfälliger astronomischer Instrumente, bis 1731 Hadley den Spiegelsextanten erfand. Jeder Seemann konnte nun auch an schwankendem Bord eine Sonnenhöhe messen. Ehemals konnten nur die Durchgänge von Gestirnen durch den Mittagskreis zu Breitenbestimmungen benutzt werden. Mit der Vervollkommnung der Chronometer durch John Harrison (1693-1776) und seine Nachfolger wurde es nun möglich, auch Höhenwinkel sowohl um als außer dem Mittag zur Messung von Polhöhen anzuwenden, ein Verfahren, welches in Amerika zuerst Humboldt benutzte. Die Verfinsterungen des Mondes, ehemals das brauchbarste Mittel, geographische Längen zu finden, wurden entbehrlich hierfür, als Cassini die Jupitermonde und ihre Umläufe zu Längenbestimmungen heranzog, ein Verfahren, welches wiederum durch die Messung der Monddistanzen verdrängt wurde, nachdem Leonhard Euler und Tobias Mayer ihre verbesserten Mondtafeln in der Mitte des vorigen Jahrhunderts herausgegeben hatten. Die richtige Längenbegrenzung der Alten Welt konnte erst im vorigen Jahrhundert erfolgen; Ptolemäos hatte 62°, die Araber 52° für die Länge des Mittelmeers angegeben, während 1694 Cassinis Schüler de Chazelles die richtige Länge von 41° 41' von Alexandrette bis Gibraltar fand. Die Größe und Gestalt unsrer Erde wurde durch die im verflossenen Jahrhundert begonnenen und mit vereinten Kräften im laufenden fortgesetzten Erdbogenmessungen bestimmt, und man erkannte eine Abplattung der Erde von 1/299 (nach Bessels Rechnung); aber die Messungen führten auch zu der überraschenden Erkenntnis, daß unsre Erde keine völlig reine mathematische Gestalt besitzt, was sich namentlich auch aus den Pendelbeobachtungen ergab. Das beneidenswerte Verdienst, die Fortschritte der Astronomie im 17. Jahrh. für die darstellende E. zuerst benutzt zu haben, fällt den Franzosen zu. Cassini entwarf 1680 in der Pariser Sternwarte das erste Weltbild nach neuen astronomischen Angaben; Guillaume Delisle aber gab 1725 zum erstenmal auf einer Karte dem Mittelmeer seine richtige Gestalt und verwertete überhaupt alle bekannt gewordenen astronomischen Ortsbestimmungen. Es gehörte dazu nicht bloß eine in damaligen Zeiten noch seltene mathematische Bildung, sondern auch Mut, um die alten eingebürgerten Vorstellungen zu verdrängen. Gleich nach Delisle trat in Frankreich ein darstellender Geograph von gleicher Berühmtheit, der gelehrte d'Anville (1697-1782), auf, dessen Hauptverdienst darin besteht, durch Sammlung und scharfsinnige Benutzung der Wegabstände in den Itinerarien seinen Bildern die noch jetzt bewunderte Vollkommenheit gegeben zu haben. Seit 1750 erwarb sich auch der geistreiche Buache einen Namen, und als Altersgenossen Humboldts finden wir Jomard, Maltebrun, Walckenaer. Am Schluß des vorigen Jahrhunderts rückte dann der Sitz der Kartographie durch die Leistungen von Desparres, Rennell und Arrowsmith nach England. Deutschland, das früher so Bedeutendes in diesem Zweig der E. geleistet, bot seit dem Dreißigjährigen Krieg ein Bild der Verödung. Dem Kupferstecher Joh. Homann (geb. 1664), der sich zu Nürnberg etabliert hatte, verdanken wir die Wiederbelebung der Kartographie in unserm Vaterland, wo bis in unser Jahrhundert hinein nur wenig von seiten der Regierungen für dieses Fach geschah, weil diese die Veröffentlichung genauer Karten für staatsgefährlich ansahen. Erst mit Heinrich Berghaus (geb. 1797) begann die neue Blüte der deutschen Kartographie. Höhenmessungen hatte man noch bis in das vorige Jahrhundert hinein mittels Dreiecken vorgenommen, bis man sich zu diesem Zweck des 1643 von Torricelli erfundenen Barometers bedienen lernte. J. J. ^[Johann Jakob] Scheuchzer wagte es zuerst 1705-1707 auf seinen Alpenwanderungen, die Höhe von Orten aus dem Barometerstand abzuleiten. Die erste allgemein gültige Barometerformel für Höhenmessungen fand aber