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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Erdöl

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Erdöl (Entstehung, Verwendung).

artig. Das Öl von Apscheron hat je nach der Tiefe der Bohrlöcher ein spezifisches Gewicht von 0,855-0,925, während das schöne gelbe Öl von Surachana nur 0,750 spez. Gew. besitzt. Allgemein liefern die obern Erdschichten dickflüssigere, schwerere Öle als die tiefern, vielleicht zum Teil aus dem Grunde, weil aus jenen die flüchtigern Bestandteile des Erdöls durch Verdunstung entwichen sind. Manche Erdöle entwickeln kein Gas, andre aber liefern schon bei 6° entzündliche Dämpfe, und die meisten beginnen bei 40-60° zu sieden. Bei fortgesetztem Erhitzen steigt der Siedepunkt beständig, und die letzten flüchtigen Anteile des Erdöls verdampfen erst bei 400°. Zuletzt bleibt ein pechartiger oder kohliger Rückstand. Dies Verhalten deutet darauf hin, daß das E. ein Gemenge verschiedenartiger Stoffe ist, und in der That besteht es fast ausschließlich aus Kohlenwasserstoffverbindungen, welche nach der Formel C<sub>n</sub>H<sub>2n+2</sub> zusammengesetzt sind. Diese Kohlenwasserstoffe bilden eine homologe Reihe, deren aufeinander folgende Glieder sich durch einen Mehrgehalt der Atomgruppe CH<sub>2</sub> unterscheiden. Die Reihe beginnt mit dem Sumpfgas oder Methan CH<sub>4</sub>, auf welches noch einige gasförmige, dann aber flüssige Verbindungen folgen, und endet mit bei gewöhnlicher Temperatur starren Körpern. Im E. findet sich nun das Sumpfgas selbst nicht, seine entzündlichen Gase bestehen aus Äthan C<sub>2</sub>H<sub>6</sub> und Propan C<sub>3</sub>H<sub>8</sub>. Außerdem enthält es Butan C<sub>2</sub>H<sub>10</sub>, welches bei 1°, Pentan C<sub>5</sub>H<sub>12</sub>, welches bei 38°, Hexan C<sub>6</sub>H<sub>14</sub>, welches bei 69°, Heptan C<sub>7</sub>H<sub>16</sub>, welches bei 100°, Oktan C<sub>8</sub>H<sub>18</sub>, welches bei 124° siedet, und auch noch höhere Glieder dieser Reihe. Keineswegs sind aber alle diese Kohlenwasserstoffe stets vorhanden, meist herrschen einige, wie z. B. Pentan und Hexan, bedeutend vor. Das kaukasische E. besteht ebenfalls aus Kohlenwasserstoffen, welche aber der Reihe C<sub>n</sub>H<sub>2n</sub> angehören und aus Hexahydrobenzol C<sub>6</sub>H<sub>12</sub> und dessen Homologen bestehen, so daß sie wenigstens zum Teil leicht in Benzolderivate übergeführt werden können. Die quantitativen Verhältnisse des bei höherer Temperatur siedenden Teils des Erdöls sind nicht bekannt; aber manche Erdöle enthalten bedeutende Mengen von Paraffin (rohes pennsylvanisches 2 Proz., kanadisches bis 7, Rangunöl bis 10, javanisches bis 40 Proz.), welches bisweilen schon bei Winterkälte herauskristallisiert und in seiner Zusammensetzungen dem aus Braunkohlenteer gewonnenen Paraffin abweicht. Manche Erdöle sind ganz sauerstofffrei, die meisten aber enthalten auch sauerstoffhaltige Verbindungen, wie Karbolsäure, wenn auch in viel geringerer Menge als die Teeröle, in welchen wieder die Kohlenwasserstoffe des Erdöls sehr spärlich vertreten sind.

Die große äußere Ähnlichkeit des Erdöls mit den aus Teer bereiteten Ölen führte sehr bald zu der Annahme, daß dasselbe zu großen Kohlenlagern in der Erde in Beziehung stehe und als ein Nebenprodukt bei der Umwandlung der Holzfaser in Steinkohle zu betrachten sei. In der That tritt Sumpfgas, das erste Glied jener Reihe von Körpern, aus welchen E. besteht, in Steinkohlengruben ganz allgemein auf, und in dem Steinkohlenbergwerk The Dingle in Shropshire fließt Mineralöl direkt aus Steinkohlen ab. Ist Teer das Produkt einer raschen Zersetzung bei sehr hoher Temperatur, so könnte man wohl das E. entstanden denken durch einen bei verhältnismäßig niederer Temperatur und unter hohem Druck verlaufenden Prozeß, welcher sehr wohl andre Kohlenwasserstoffe liefern dürfte. Gegen diese Hypothese sprechen nun aber manche Verhältnisse im Vorkommen des Erdöls sehr entschieden. Zwar finden sich in Nordamerika im Öldistrikt auch sehr ausgedehnte Steinkohlen-, namentlich Anthracitlager; aber E. trifft man auch in Gegenden, in denen nur ältere und nicht mehr die Steinkohlenformation vorhanden ist, ohne daß man Grund hätte, anzunehmen, dieselbe sei früher dort vorhanden gewesen und erst später zerstört worden. Überhaupt tritt E. in Amerika mehr in den unter der Steinkohlenformation liegenden silurischen und devonischen Schichten auf, und somit erscheint die Hypothese, welche das E. zu den Steinkohlen in Beziehung setzen will, wenig begründet. Vielleicht ist das E. überhaupt nicht ein Zersetzungsprodukt von vegetabilischer Substanz, aus welcher die Kohle unzweifelhaft abzuleiten ist, sondern aus tierischen Stoffen entstanden. Dafür spricht z. B. das Vorkommen von E. am Roten. Meer. Die ägyptische Küste besteht dort großenteils aus Korallenbänken, die auf der Wasserseite leben und weiter wachsen, landeinwärts aber absterben und austrocknen, so daß ein löcheriger Kalkfels übrigbleibt. In diesen Löchern sammelt sich als Zersetzungsprodukt der eingeschlossenen Korallentiere beständig Petroleum, das von den Eingebornen aus Brunnen ausgeschöpft wird. Sonach würde jede absterbende Bank von Korallen, Muscheln, Krebstieren das Material zu öligen Produkten enthalten, und ihre Bildung würde nur davon abhängen, daß die Umstände dafür günstig sind und namentlich höhere Wärme mitwirkt. Beachtenswert für die Erklärung der Entstehung des Erdöls ist jedenfalls die in der Natur sehr beständige Association von Steinsalz, brennbaren Gasen und E.; auch verdient Erwähnung, daß Berthelot versucht hat, die Möglichkeit eines Ursprungs des Erdöls aus unorganischen Stoffen darzuthun. Er geht dabei von der keineswegs sehr unwahrscheinlichen Hypothese aus, daß im Innern der Erde Alkalimetalle vorkommen, durch deren Einwirkung auf Kohlensäureverbindungen Acetylüre entstehen müssen. Treffen diese mit Wasser zusammen, so wird Acetylen frei, welches sich infolge des Druckes u. der höhern Temperatur zu Benzol verdichtet. Wirkt aber Wasser auf die Alkalimetalle, so wird Wasserstoff frei, welcher mit dem Acetylen bei der Verdichtung die Kohlenwasserstoffe liefert, die sich im E. finden.

Verwendung. Destillationsprodukte.

Das rohe E. ist zur Verwendung wenig geeignet; man unterwirft es einer Destillation, bei welcher man zuerst sehr flüchtige, leichte, dann wieder flüchtige, schwerere Öle und zuletzt Paraffin mit einem teerartigen Rückstand erhält. Man benutzt zur Destillation große eiserne Blasen oder Kessel mit gutem Kühlapparat und fängt das bei mäßigem Feuer zuerst übergehende Öl gesondert auf, bis es ein spezifisches Gewicht von 0,8-0,82 und selbst 0,83 zeigt; dies bildet das leichte Öl, welchem dann bei höherer Temperatur das schwere Öl folgt. Schließlich bleibt ein Rückstand von 5-15 Proz. vom Gewicht des Rohöls. Zu Ende der Destillation darf der Kühlapparat nicht unter 25-30° abgekühlt werden, weil er sich sonst leicht durch kristallisierendes Paraffin verstopft. Eine vorteilhafte Modifikation des Destillationsprozesses besteht darin, kontinuierlich E. in die Blase nachfließen zu lassen und die Destillation dabei stetig zu unterhalten, bis endlich die ganze Blase mit schwerem Öl gefüllt ist. Die schweren Öle (aber auch die leichten) hat man auch mit Hilfe von (gewöhnlichem oder überhitztem) Wasserdampf, welchen man in die Blase leitet, zu destillieren versucht. Die bei der Destillation erhaltenen leichten Öle rührt man etwa 2 Stunden lang mit 4-10 Proz. Schwefelsäure zusammen, läßt