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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Europa

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Europa (Pflanzenwelt).

und nur in trocknen Lagen Birken; Kiefer und Rottanne, in Rußland auch Zirbel und Lärche, bilden den Nadelwald. Im N. ist der Wald nur an einzelnen Punkten gelichtet, um Platz für den Anbau von Gerste (in Norwegen noch bei 70°, am Ural bei 62° nördl. Br.) und Hafer, in Schweden auch für Kartoffeln zu geben; letztere werden auch auf den waldlosen schottischen Inseln und im entwaldeten Hochschottland gebaut. Von Mittelschweden an kommt dazu ausgedehnter Anbau des Roggens, in Rußland auch der von Buchweizen. Groß ist der Reichtum dieser Zone an Beerenpflanzen, Preißel- und Heidelbeeren im Wald, Erdbeeren, gewöhnlichen und arktischen Himbeeren in seinen Lichtungen, Zwerghimbeeren (Rubus Chamaemorus) und Moosbeeren auf den ausgedehnten Tiefmooren dieser Zone. Von Obst reicht nur die Kirsche weit nach N., erst im S. werden Äpfel und Birnen gepflanzt. Ausgedehnte bunte Berg- und saure Überschwemmungswiesen unterbrechen Wald, Heide und Kulturland. Die Flora dieser Zone ist artenarm, aber individuenreich und in üppigster Fülle auf dem fruchtbaren Boden entwickelt.

Die dritte Zone, die des Laubwaldes mit abfallenden Blättern, mit Buchen und Eichen, im russischen Osten ohne Buche, aber mit Ulme und Linde neben Birke und Eiche, nimmt den größten Teil Europas ein; sie umfaßt seine Hauptackerbaudistrikte, in denen nicht bloß das Bedürfnis des Inlandes gedeckt, sondern auch, besonders aus den fruchtbaren Niederungen, ein ausgedehnter Exporthandel getrieben wird und zwar nicht bloß mit Getreide, sondern auch mit Gespinstpflanzen und Ölfrucht, Lein und Hanf aus Rußland, wo ihr Anbau noch nordwärts in den vorigen Gürtel hineinreicht, Raps aus Deutschland und mit zahlreichen andern Handelspflanzen, darunter Tabak. Zu den Getreidearten der vorigen Zone gesellt sich der Weizen, der in England und Frankreich ausschließlich gebaut wird; im S. der Mais, überall auf unfruchtbarem Boden oder als Nachfrucht der Buchweizen, im O. die Hirse; ausgedehnt ist der Bau von Kartoffeln und Gemüse; auch Kirschen, Pflaumen, Äpfel und Birnen, im südlichen Teil die welsche Nuß, noch südlicher Pfirsiche, Mandeln und echte Kastanien werden in Fülle gewonnen. Mit dem Laubwald wechselt der Nadelwald von Fichten und Kiefern, in den Berggegenden auch von Tannen. Auch die Beerenpflanzen außer den wenigen arktischen Formen sind verbreitet und gewähren insbesondere in den Berg- und Gebirgsgegenden reiche Ausbeute. Ausgedehnte trockne Flächen sind mit Heide bedeckt, während in den Thaltiefen die Formation der Graswiesen zu ihrer schönsten und reichsten Entwickelung kommt und mit ihrem saftigen Grün eins der wesentlichsten Glieder in den Landschaftsbildern dieser Zone bildet. Wiesen und ausgedehnter Futterbau machen selbst in den kultiviertesten Teilen die Viehzucht zu einem der wichtigsten Erwerbszweige dieser Gegenden. Die Nordgrenze dieser Zone läuft durch Südnorwegen, durchschneidet Schweden unter dem 57.° und verläuft von da durch Rußland, wo die Buche nur in Polen und Podolien vorkommt, dagegen die dauerhaftere Wintereiche als Waldbaum am Ural bis 58° nördl. Br., die Sommereiche nur bis 54° reicht, der großartige Weizenbau dagegen erst bei 48° beginnt. Die Südgrenze wird durch die Pyrenäen und Alpen gebildet. Die Grenze des Weinbaues trennt diese Zone in einen nördlichen Teil, in dem nicht bloß auf den Höhen, sondern auch in den Niederungen Torfmoore große Räume einnehmen, und in einen südlichen, in dem schon gegen die Südgrenze die Kastanie ganze Wälder bildet und das Obst seine höchste Vollkommenheit erreicht. Die Polargrenze des Weinbaues reicht von der Loire zur Ahr-, Unstrut-, Moldau-, March- und Hernadmündung und schneidet den Don unter 48° nördl. Br. Die Rebe kommt zwar in einzelnen begünstigten Lokalitäten auch nordwärts der oben gezogenen Linie vor; aber nur an wenigen Stellen ist ihre Kultur noch von einiger Bedeutung (Siebengebirge, Grünberg), und nirgends bildet sie mehr einen hervorstechenden Zug in der Physiognomie der Landschaften.

Die vierte Zone, die der immergrünen Wälder und Agrumi (Südfrüchte), das Reich der Labiaten nach Schouw, ist auf die Küstenländer des Mittelmeers und auf die spanische Halbinsel beschränkt. In ihr ist die echte Kastanie nicht mehr bloß angepflanzt, sondern wirklicher Waldbaum; der Weinstock wird nicht mehr niedrig, wie diesseit der Alpen, gezogen, sondern man läßt ihn an Bäumen hinaufranken. Neben den Bäumen mit abfallendem Laub, unter denen in allen tiefern Gegenden die Buche gänzlich fehlt, gedeihen Eichen mit immergrünem Laub, zahlreiche immergrüne Sträucher: Buchsbaum, Lorbeer, Myrte, schön blühende Zistrosen, dabei auch schon echte Akazien. In begünstigten Gegenden, wie in Südspanien, bei Nizza etc., tritt schon die Zwergpalme als schwer auszurottendes Unkraut, einzeln die angepflanzte Dattelpalme auf. Unter den Nadelbäumen herrschen andre Arten: die malerische Pinie (Pinus Pinaster), am Meer die terpentinreiche Strandkiefer (P. maritima), dazu, wenn auch angepflanzt, als die Charakterpflanze des Südens die schlanke, dunkle Cypresse. Die trocknen Berggehänge duften von wohlriechenden Labiaten, die verwilderte Opuntia und Agave gedeihen auf dem Felsboden. Auch weite Heiden, aber von höhern Heidesträuchern gebildet als im N., besitzt der Süden. Die Form der Wiese fehlt den dortigen Niederungen gänzlich, dagegen bedecken sich grasige Plätze im ersten Frühling mit schön blühenden Zwiebelgewächsen. Unter dem Getreide fehlen Roggen und Hafer, dafür herrschen Weizen und Mais; wasserreichere Gegenden würden sich für den Reisbau eignen, doch wird derselbe nur an der Nordgrenze (Po-Ebene, Türkei) und auch hier nur sporadisch betrieben. Ausgedehnt ist die Zucht saftiger Gurkenfrüchte, so der Melonen, und der Anbau von Bohnen. Selbst Baumwolle und Zuckerrohr hat man zu bauen versucht. Unter den Fruchtbäumen nehmen die echte Kastanie, die Feige und der Ölbaum die erste Stelle ein; dazu kommen die Südfrüchte, der Granatapfel, der Johannisbrotbaum, die Mandel, der Weinstock, der nicht bloß Wein, sondern auch getrocknete Beeren liefert. Statt der Wiesen gibt es ausgedehnten Futterbau, wo höhere Bodenkultur stattfindet. Während der größere Teil der Mittelgebirge, die höchsten Teile des ungarischen und Sudetensystems ausgenommen, bis auf die Höhen noch mit Wald bestanden und das ungarisch-siebenbürgische Gebirge noch mit wahrem Urwald bedeckt ist, der keine Axt gesehen, erheben sich die höhern Gebirge Südeuropas wie Nordeuropas in ihren hohen Teilen über die Region des Waldes, der noch zu oberst aus Nadelholz (nicht aus Birken, wie im N.) besteht, ein Teil, wie Alpen, Pyrenäen und skandinavisches Hochgebirge, bis über die Schneegrenze. Auch ein Teil des asturischen Hochgebirges trägt bleibenden Schnee, während er sich auf den Karpathen infolge ihrer kontinentalen Lage nur in einzelnen Schluchten an der Nordseite unter ihren höchsten Gipfeln erhält. Auf allen diesen bedeutendern Höhen folgt über dem hochstämmigen Nadelwald eine