Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Fabrikgesetzgebung

1003

Fabrikgesetzgebung (Frankreich etc.).

gatorische Arbeitsbücher. 4) Obligatorische, der Gewerbsbehörde vorzulegende Arbeitsordnungen für Fabriken und Gewerbsunternehmungen, in welchen über 20 Hilfsarbeiter in gemeinschaftlichen Lokalen beschäftigt sind. 5) Vorgeschrieben sind für alle Arbeiter Ruhepausen (zusammen mindestens 1½ Stunden). 6) Verpflichtungen der Gewerbsinhaber zur Vermeidung von Gefahren für Leben, Gesundheit und Moral der Arbeiter (§ 74). 7) Zu regelmäßigen gewerblichen Beschäftigungen dürfen Kinder unter 12 Jahren gar nicht, zwischen 12 und 14 nur verwendet werden, sofern ihre Arbeit der Gesundheit nicht nachteilig ist und die körperliche Entwickelung nicht hindert, auch der Erfüllung der gesetzlichen Schulpflicht nicht im Weg steht, und nie länger als 8 Stunden täglich. 8) Durch ministerielle Verordnung kann bei gefährlichen oder gesundheitsschädlichen Verrichtungen die Beschäftigung jugendlicher (unter 16 Jahren) und weiblicher Arbeiter verboten oder nur bedingungsweise gestattet werden. 9) Verboten ist die Nachtarbeit (8 Uhr abends bis 5 Uhr morgens) der jugendlichen Arbeiter. Der Handelsminister (im Einvernehmen mit dem Minister des Innern) ist jedoch ermächtigt, für bestimmte Kategorien von Gewerben mit Rücksicht auf klimatische Verhältnisse und sonstige wichtige Umstände diese Grenzen der Nachtarbeit angemessen zu regeln oder überhaupt die Nachtarbeit zu gestatten. 10) Wöchnerinnen dürfen erst 4 Wochen nach ihrer Niederkunft zu regelmäßigen gewerblichen Beschäftigungen verwendet werden. Von besondern Bestimmungen für fabrikmäßig betriebene Gewerbsunternehmungen sind zu erwähnen: 1) Die Arbeitsdauer darf ohne Einrechnung der Arbeitspausen höchstens 11 Stunden binnen 24 Stunden betragen. Doch kann durch ministerielle Verordnung Gewerbskategorien bei nachgewiesenem besondern Bedürfnis eine weitere Arbeitsstunde gewährt werden. Die Liste ist von 3 zu 3 Jahren zu revidieren. 2) Wo der ununterbrochene Betrieb zulässig, ist behufs Ermöglichung des wiederkehrend erforderlichen Schichtwechsels ministeriell die Arbeitszeit angemessen zu regeln. 3) Kinder unter 14 Jahren dürfen zu regelmäßiger Beschäftigung gar nicht, jugendliche Arbeiter von 14-16 Jahren nur zu leichtern Arbeiten verwendet werden, welche der Gesundheit derselben nicht nachteilig sind und deren körperliche Entwickelung nicht hindern. 4) Die Nachtarbeit dieser Arbeiter und der Frauenspersonen ist verboten, aber Ausnahmen durch ministerielle Verordnung sind bedingungsweise zulässig. - Das Gesetz vom 11. Juni 1883 führte Gewerbeinspektoren ein, die Zahl der Aufsichtsbehörden und Inspektoren ist durch Verordnung vom 15. Jan. 1885 auf 12 festgesetzt.

Andre Staaten.

In den übrigen europäischen Staaten beschränkt sich die F. wesentlich auf Schutzbestimmungen für Kinder, resp. Minderjährige; aber selbst diese sind nirgends ausreichende. In Frankreich ist das Hauptgesetz das Gesetz vom 2. Juni 1874 (getreten an Stelle des Gesetzes vom 22. März 1841). Es bezieht sich auf die industrielle Arbeit von Kindern und jungen Personen unter 16 Jahren und minderjähriger Mädchen (16-21 Jahren) in Manufakturen, Fabriken, Hüttenwerken, Bergwerken, Bauhöfen und Werkstätten. Von den Bestimmungen seien nur erwähnt (das Gesetz, abgedruckt bei Lohmann, s. unten): Das normale Minimalalter der Beschäftigung ist 12 Jahre (ausnahmsweise 10), die Maximalarbeitszeit für 10-12jährige 6 Stunden, für 12-15jährige 12 St., wenn sie den ersten Elementarunterricht genossen haben, sonst 6 St., für 15jährige 12 St. Verboten ist die Nachtarbeit für Personen unter 16 Jahren, in Hüttenwerken und Manufakturen auch für Mädchen von 16-21 Jahren; Sonntags und Feiertags darf keine dieser Personen zur Arbeit verwendet werden etc. Eine besondere Inspektion wurde angeordnet (s. Fabrikinspektion). Das Gesetz vom 9. Sept. 1848 (dazu Dekret vom 17. März 1851), welches den Normalarbeitstag von 12 St. für sämtliche Arbeiter in Fabriken einführte, ist nicht zur praktischen Durchführung gelangt. - In Dänemark: Gesetz vom 23. Mai 1873, Schweden: Verordnung vom 18. Juni 1868, Holland: Gesetz vom 19. Sept. 1874 (Abdruck der Gesetze bei Lohmann, s. unten), in Rußland: Gesetze vom 1. Juni 1882 und 14. Juni 1884.

In den Vereinigten Staaten von Nordamerika ist die F. Sache der Einzelstaaten. Die Union hat für die in ihren Werkstätten beschäftigten Arbeiter den achtstündigen Arbeitstag durch Gesetz vom 25. Mai 1868 eingeführt. Fast alle industriellen Staaten (18) der Union haben fabrikgesetzliche Bestimmungen: 14 über Kinderarbeit, 13 über jugendliche Personen, 4 über weibliche Arbeiter. Die Bestimmungen sind in den einzelnen Staaten verschieden. Die älteste, umfangreichste und interessanteste F. dieser Art hat Massachusetts. Ein legaler Arbeitstag besteht in einer Reihe von Staaten, teils von 10 St. (7 Staaten), teils 8 St. (6 Staaten); aber nur in 3 Staaten ist die Vorschrift keine zwingende, die andern gestatten die vertragsmäßige Abrede einer längern Arbeitszeit. 10 Staaten haben eigne arbeitsstatistische Bureaus (s. Arbeitsämter), und ebenso haben 10 Staaten besondere Gesetze zum Schutz von Bergwerksarbeitern. Im allgemeinen entspricht die dortige F. keineswegs den berechtigten Anforderungen (vgl. über diese F. besonders Tait, s. unten).

Da bei der internationalen Konkurrenz diejenigen Länder, welche ihre Industrie durch eine F. nicht beschränken, leicht vor andere einen Vorsprung gewinnen, so wurde auch mehrfach der Gedanke angeregt, es möchten die Hauptindustrieländer Vereinbarungen miteinander treffen, auf Grund deren sie alle ihre F. nach gewissen gemeinsamen Grundsätzen regelten. Doch hat eine solche internationale F. wegen der Verschiedenartigkeit aller einschlägigen Verhältnisse zur Zeit keine Aussicht auf Verwirklichung.

Litteratur. "Verhandlungen der Eisenacher Versammlung zur Besprechung der sozialen Frage" (Leipz. 1873); "Schriften des Vereins für Sozialpolitik", Bd. 2 u. 4 (das. 1873 u. 1874); Schönberg in seinem "Handbuch der politischen Ökonomie" (dort auch weitere Litteratur); Brentano ebenda; Derselbe, Das Arbeitsverhältnis gemäß dem heutigen Recht (Leipz. 1877); Lohmann, Die F. der Staaten des europäischen Kontinents (Berl. 1877); v. Plener, Die englische F. (Wien 1871); v. Bojanowski, Die englischen Fabrik- und Werkstättengesetze bis zum Gesetz von 1874 (Berl. 1876); Derselbe, Das englische Fabrik- und Werkstättengesetz von 1878 (Jena 1882); Tallon u. Maurice, Legislation sur le travail des enfants dans des manufactures (Par. 1875); Morillot, Du travail des enfants dans les manufactures (das. 1877); v. Scheel, Die Fabrikgesetzgebungen der Kantone der Schweiz etc. (in den "Jahrbüchern für Nationalökonomie", Bd. 20, 1873); Cohn, Die Bundesgesetzgebung der Schweiz etc. (das. 1879); Böhmert, Arbeiterverhältnisse und Fabrikeinrichtungen der Schweiz, Bd. 1 (Zürich 1873); Tait, Die Arbeiterschutzgesetzgebung in den Vereinigten Staaten (Tübing. 1884).