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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Farben.

nismäßigen Räume, welche diese F. innerhalb des Spektrums einnehmen, sind von der Beschaffenheit des Stoffes, aus welchem das Prisma besteht, abhängig. Im Gitterspektrum dagegen, welches Fraunhofer darzustellen lehrte, sind die F. nach ihren eignen Merkmalen, ohne daß sich der Einfluß eines Stoffes einmischt, nämlich nach den reciproken Werten ihrer Schwingungszahlen oder, was dasselbe ist, nach ihren Wellenlängen, geordnet; man bezeichnet das Gitterspektrum daher auch als normales oder typisches Spektrum. Im Sonnenspektrum, sei dasselbe durch ein Prisma oder durch ein Gitter erzeugt, bilden die Fraunhoferschen Linien feste Merkzeichen innerhalb der allmählichen Übergänge der Farbentöne. Da das Gitterspektrum zugleich die den verschiedenen Fraunhoferschen Linien entsprechenden Wellenlängen und demnach auch die Schwingungszahlen zu messen gestattet, so setzt es uns in den Stand, jede einzelne homogene Farbe durch ihr einziges wesentliches Merkmal, nämlich durch ihre Schwingungszahl, ganz bestimmt zu bezeichnen. Durch diese Kenntnis der Wellenlängen oder der Schwingungszahlen wird es möglich, die Grenzen der einzelnen Farbenbezirke des Spektrums mit größerer Schärfe festzustellen, als Newton dies vermochte. Nach Listing, welcher zu den Newtonschen Hauptfarben noch die von Brücke am roten und violetten Ende des Spektrums nachgewiesenen F., Braun und Lavendelgrau, hinzunahm, bilden die Schwingungszahlen der Hauptfarben und deren Grenzen eine arithmetische Reihe. Bemerkenswert ist ferner, daß die Schwingungszahlen der Fraunhoferschen Linien C, D, E, F, G nahezu in demselben Verhältnis stehen wie die Schwingungszahlen der gleichnamigen Töne der diatonischen Tonleiter, wenn man nur für das Intervall der Sekunde D 10/9 statt 9/8 nimmt, so daß ihre Schwingungsverhältnisse die Reihe 1, 10/9, 5/4, 4/3, 3/2 bilden. Ist diese Übereinstimmung auch nur eine zufällige, so gewährt sie doch einen bequemen Anhaltspunkt für das Gedächtnis. Der für gewöhnlich sichtbare Teil des Spektrums umfaßt nicht ganz eine Oktave, der in Ausnahmefällen unter besondern Vorsichtsmaßregeln sichtbare nahezu zwei Oktaven.

Werden sämtliche Spektralfarben wieder miteinander gemischt, etwa dadurch, daß man sie durch eine Linse wieder vereinigt, so geben sie wieder Weiß; läßt man aber eine davon weg, so geben die übrigen eine Mischfarbe, welche sich aber sofort in Weiß verwandelt, wenn man die weggelassene Farbe wieder hinzutreten läßt. Solche F., welche zusammen Weiß geben oder sich zu Weiß "ergänzen", heißen deswegen Komplementärfarben oder Ergänzungsfarben, z. B. Rot und Grünlichblau, Orange und Cyanblau, Gelb und Indigblau, Grünlichgelb und Violett. Zur Erzeugung von Weiß ist übrigens keineswegs ein Zusammenwirken aller F. des Spektrums notwendig, sondern es kann, wie Helmholtz gezeigt hat, auch durch die Mischung von nur zwei homogenen F. Weiß entstehen; es gibt nämlich für jede Stelle des Spektrums vom roten Ende bis zum Ende des Gelb eine zugehörige Stelle in dem Teil des Spektrums, welcher sich vom Anfang des Blau bis zum violetten Ende erstreckt, von der Art, daß die beiden entsprechenden homogenen F. vereinigt Weiß hervorbringen.

Aus weißem Licht kann hiernach farbiges entstehen durch alle Einwirkungen, welche aus dem Farbengemisch, das wir "Weiß" nennen, einzelne Farbengruppen austilgen oder schwächen. Dies geschieht z. B. bei den Interferenzerscheinungen (s. Newtonsche Farbenringe, Beugung, Fresnels Spiegelversuch, Chromatische Polarisation) und bei der Zirkularpolarisation (Rotationsdispersion), insbesondere aber bei der Absorption, welche die Ursache der natürlichen F. der Körper ist. Wir nennen Glas farblos oder weiß, wenn es alle F. des Spektrums gleich gut durchläßt und sonach an dem Mischungsverhältnis des durchgelassenen Lichts nichts ändert. Rotes Glas dagegen läßt nur die roten und orangefarbenen Strahlen durch und verschluckt oder absorbiert alle übrigen F.; es verhält sich gleichsam wie ein Sieb oder ein Strahlenfilter, welches nur jene Strahlen durchläßt, diese aber zurückhält. Auch das Licht, welches an der Oberfläche der Körper diffus zurückgeworfen (s. Diffusion des Lichts) wird und uns dieselben sichtbar macht, wird, indem es vor der Zurückwerfung bis zu einer geringen Tiefe in die Körper eindringt, durch Absorption eines Teils seiner farbigen Bestandteile beraubt, und der beleuchtete Körper zeigt eine Farbe, welche gemischt ist aus allen jenen F., welche von der Absorption verschont geblieben sind. Die natürlichen F. der Körper oder Körperfarben sind demnach nichts andres als Reste, welche von den im Lichte der beleuchtenden Lichtquelle enthaltenen farbigen Bestandteilen übriggeblieben sind nach Abzug aller derjenigen, welche der Absorption anheimgefallen sind. Ein Körper erscheint uns weiß, wenn er alle farbigen Strahlen des weißen Lichts gleich gut und demnach mit unverändertem Mischungsverhältnis diffus zurückwirft; wir nennen einen Körper schwarz, wenn er alle farbigen Strahlen gleich vollkommen absorbiert. Niemals kann ein Körper durch Diffusion F. zeigen, welche im einfallenden Licht nicht schon vorhanden sind. Vgl. Dove, Darstellung der Farbenlehre (Berl. 1853); Pisko, Licht und Farbe (2. Aufl., Münch. 1876); Helmholtz, Handbuch der physiologischen Optik (2. Aufl., Leipz. 1886); Happe, Über den physiologischen Entwickelungsgang der Lehre von den F. (das. 1877); Ewald, Die Farbenbewegung. Kulturgeschichtliche Untersuchungen (Berl. 1876 ff.); Häuselmann, Populäre Farbenlehre (Zürich 1882). Weitere Litteratur s. Farbenharmonie.

Farben, topische, s. Zeugdruckerei.

Färben (Verfärben), in der Jägersprache das Haarwechseln beim Elch-, Rot-, Dam- und Rehwild zur Frühjahrszeit (Färbezeit), wenn es das Winterhaar verliert; auch s. v. w. Bluten (Schweißen).

Farbenabweichung, chromatische Aberration, s. Achromatismus.

Farbenblindheit (Dyschromatopsie), das Unvermögen, Farben wahrzunehmen, ist entweder total, so daß der Betreffende seine ganze Umgebung grau sieht, oder partiell, indem das Auge nur für gewisse Farben blind ist. Die Anhänger der Young-Helmholtzschen Farbenlehre nehmen, entsprechend der Lähmung der drei farbenwahrnehmenden Elemente der Netzhaut, drei Arten partieller F. an: Rot-, Grün- und Violettblindheit, während die Anhänger der Heringschen Theorie unterscheiden: 1) Totale F. (Achromatopsie), das Spektrum erscheint farblos, die Stelle des Grüngelb ist die hellste und wird nach beiden Seiten hin dunkler. Ein farbiges Gemälde erscheint wie eine Photographie. Mitunter werden die verschiedenen Grade der Lichtintensität in Einer Farbe (z. B. Gelb) wahrgenommen, zu welcher jede andre Farbenvergleichung fehlt. Kommt einseitig angeboren vor, während das andre Auge normal farbensichtig ist. 2) Blaugelbblindheit (Erythrochloropie), das Spektrum besteht nur aus Rot und Grün, seine blauviolette Seite ist meist stark verkürzt. Kommt