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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Farbenzerstreuung

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Farbenzerstreuung.

vereinigen, zweigt nun eine grünliche Mischfarbe. Jener rote und dieser grünliche Farbenton müssen, miteinander gemischt (was augenblicklich in dem Punkt f geschieht, wenn man den kleinen Glaskeil wieder entfernt oder durch einen zweiten gleichen, aber entgegengesetzt wirkenden Glaskeil die seitwärts gebrochenen roten Strahlen wieder nach f lenkt), wieder Weiß geben; denn der eine enthält gerade diejenigen Strahlenarten, welche dem andern zu derjenigen Mischung, die uns als Weiß erscheint, noch fehlen. Zwei Farben, welche in dieser Art sich zu Weiß ergänzen, nennt man Ergänzungsfarben oder komplementäre Farben. Indem man das Glaskeilchen allmählich durch die ganze Länge des Spektrums schiebt, werden immer andre Farben zur Seite gelenkt, und die beiden Bilder auf dem Schirm zeigen nach und nach eine ganze Reihe komplementärer Farbenpaare. Man findet auf diese Weise, daß rote und grüne, gelbe und blaue, grünlichgelbe und violette Farbentöne sich gegenseitig zu Weiß ergänzen.

Wird das Spektrum in der oben angegebenen Weise erzeugt, indem man ein durch ein kleines Loch eingelassenes Bündel Sonnenstrahlen durch ein Prisma ablenkt, so erhält man die einfachen Farben nicht vollkommen voneinander getrennt; da nämlich jede einfache Farbe ihr eignes Sonnenbild erzeugt, welches der zugehörigen Brechbarkeit entsprechend abgelenkt ist, so greifen diese Sonnenbilder wegen ihrer runden Gestalt mit ihren Rändern übereinander und vermischen sich teilweise. Um ein reines Spektrum zu entwerfen, läßt man die Strahlen durch einen schmalen Spalt auf eine von ihm um mehr als ihre Brennweite entfernte Sammellinse fallen, welche für sich auf einem in geeigneter Entfernung aufgestellten Schirm ein scharf gezeichnetes Bild des Spaltes entwerfen würde; dicht vor oder hinter die Linse stellt man das Prisma so, daß seine Kante mit dem Spalt parallel ist. Jeder einfachen Farbe entspricht alsdann ein abgelenktes Bild des Spaltes, und indem sich die unzähligen schmalen Spaltbilder nebeneinander legen, werden sie um so weniger übereinander greifen und sonach ein um so reineres Spektrum bilden, je schmäler der Spalt ist. Ein reines Spektrum erblickt man auch, wenn man durch ein Prisma, sei es mit bloßem Auge, sei es durch ein Fernrohr, nach einem engen Spalt sieht, welcher mit der Kante des Prismas parallel ist. Betrachtet man aber auf diese Weise eine weite Öffnung, so würde, wenn man sich dieselbe in lauter schmale, zur Kante des Prismas parallele Streifen zerlegt denkt, jeder dieser Streifen für sich ein Spektrum geben; indem sich diese Spektren übereinander legen, entsteht ein in die Länge gezogenes Bild der Öffnung, welches am weniger abgelenkten Ende rot, am stärker abgelenkten violett, in der Mitte aber, wo sich sämtliche Farben mischen, weiß ist.

In einem auf diese Weise dargestellten reinen Sonnenspektrum gewahrt man eine Reihe feiner, dem Spalt paralleler dunkler Linien, welche man nach Fraunhofer, der sie zuerst genauer untersuchte, Fraunhofersche Linien nennt. Sie sind in ungleichen Abständen über das ganze Spektrum verteilt; viele sind sehr fein und schwieriger wahrnehmbar, andre sind kräftiger und fallen leichter ins Auge. Ihre Entstehung ist von dem Stoff des Prismas unabhängig, denn sie zeigen sich mit gleichem Aussehen und in gleicher Anordnung in jedem Sonnenspektrum; sie sind sonach nichts andres als schmale Lücken in der Farbenreihe des Spektrums, aus deren Vorhandensein geschlossen werden muß, daß die ihnen entsprechenden einfachen Lichtarten im Sonnenlicht fehlen. Sie bilden innerhalb der allmählichen Farbenübergänge des Spektrums willkommene Merkzeichen, welche immer denselben einfachen Lichtarten entsprechen und uns in den Stand setzen, jede Stelle des Spektrums bestimmt zu bezeichnen und jederzeit mit Sicherheit wieder aufzufinden. Fraunhofer hat acht der hervorragendsten mit den Buchstaben A bis H bezeichnet (Fig. 4). Die Linie A liegt im äußersten dunkeln Rot, B im Hochrot, C zwischen Rot und Orange, D zwischen Orange und Gelb, E im Gelbgrün, F zwischen Grün und Blau, G zwischen Dunkelblau und Violett, die Doppellinie H gegen das Ende des Violetts.

Lichtbrechungsverhältnisse einiger Glassorten und Flüssigkeiten.

Brechende Substanzen B C D E F G H

Crownglas Nr. 13 1,524312 1,525299 1,527982 1,531372 1,534337 1,539908 1,544684

Crownglas Nr. 9 1,525832 1,526849 1,529587 1,533005 1,536052 1,541657 1,546566

Crownglas Lit. M 1,554774 1,555933 1,559075 1,563159 1,566741 1,573535 1,579470

Flintglas Nr. 3 1,602042 1,603803 1,608494 1,614532 1,620042 1,630772 1,640373

Flintglas Nr. 13 1,627749 1,629681 1,635036 1,642024 1,648260 1,660285 1,671062

Flintglas von Merz 1,72178 1,72650 1,73212 1,74254 1,75214 1,77846 1,78954

Flintglas von Guinand mit Borsäure 1,769702 1,771761 1,777664 1,785254 1,792420 1,806195 1,818597

Wasser, 18,7° 1,330935 1,331712 1,333577 1,335851 1,337818 1,341293 1,344177

Alkohol, 17,6° 1,3628 1,3633 1,3654 1,3675 1,3696 1,3733 1,3761

Terpentinöl, 10,6° 1,4704 1,4715 1,4744 1,4783 1,4817 1,4881 1,4938

Kassienöl, 10° 1,5963 1,6007 1,6104 1,6249 1,6389 1,6698 1,7039

Schwefelkohlenstoff, 24,2° 1,6114 1,6147 1,6240 1,6368 1,6487 1,6728 1,6956

^[Abb.: Fig. 3. Wiedervereinigung der Farben des Spektrums.]

^[Abb.: Fig. 4. Sonnenspektrum mit den Fraunhoferschen Linien.]