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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Fäulniswidrige Mittel; Faulrübenwurzel; Faulschimmel; Faultier; Faulweizen; Faun; Fauna

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Fäulniswidrige Mittel - Fauna.

bewirken, zugleich antiseptische. Wenn Aufgüsse auf animalische oder vegetabilische Substanzen auf 100° erwärmt werden und darauf das Gefäß mit Baumwolle verstopft wird, so entstehen keine Bakterien, und es tritt auch keine F. ein. Wohl aber geschieht dies, wenn unter sonst gleichen Umständen nur bis 40-60° C. selbst stundenlang erwärmt wird. Eine einstündige Erwärmung bei höherer Temperatur tötet dagegen die Bakterien und verhindert die F.; bei 100° C. hat schon eine Dauer von 20 Minuten diesen Erfolg. Wird in eine so behandelte Flüssigkeit ein Tropfen Wasser gebracht, in welchem lebendige Bakterien sich befinden, so tritt in kurzer Zeit Trübung der Flüssigkeit ein zum Zeichen der Vermehrung der Bakterien, und die F. beginnt. Auf welche Weise durch diese Wesen die F. erregt wird, ist noch keineswegs genügend ermittelt. Sicher ist, daß dieselben ihre Nahrung aus den in Zersetzung übergehenden Substanzen beziehen, und daß es organische Verbindungen sind, welche ihnen hierzu dienen, daß sie wenigstens den für sie nötigen Kohlenstoff und Wasserstoff in Form einer organischen Verbindung in sich aufnehmen müssen, weil sie nicht, wie die mit Chlorophyll ausgestatteten Pflanzen, Kohlensäure und Wasser zu organischen Verbindungen verarbeiten können. Die allgemeine Verbreitung der Keime dieser Pilze erklärt es, warum es nur schwer gelingt, dieselben von fäulnisfähigen Stoffen fern zu halten und damit die Zersetzung der letztern zu vereiteln. Die Fäulnisprozesse sind für den Haushalt der Natur von höchster Bedeutung, indem sie die beständig sich anhäufenden abgestorbenen Pflanzen und Tiere beseitigen und deren elementare Bestandteile wieder in den allgemeinen Kreislauf des Stoffes zurückführen. Für den lebenden Organismus aber sind Fäulnisprozesse oft verderblich, und es entstehen tödliche Erkrankungen, wenn faulende Substanzen ins Blut gelangen. Die eigentlichen Fäulnisbakterien sind wohl unschädlich, aber faulende Stoffe bieten den Boden für die Entwickelung andrer schädlicher Bakterien, und deshalb ist es dringend notwendig, die Wohnungen der Menschen von allen faulenden Substanzen frei zu halten, zumal auch die aus letztern sich entwickelnden Gase die Luft verderben und zum Teil direkt giftig wirken. Die Technik macht von der F. bei der Flachsbereitung, der Papierfabrikation, der Gerberei und bei der Düngerbereitung Gebrauch.

Bei den Alten, namentlich von Aristoteles, wurde die F. (Putrefaktion) als ein geheimnisvoller Prozeß angesehen, durch welchen nicht nur die bestehenden organischen Körper zersetzt, sondern auch neue, lebende erzeugt würden. Maden, Fliegen, ja selbst Bienen und Frösche sollten im faulenden Fleisch oder gärenden Schlamm entstehen, und von den sogen. Jatrochemikern und Ärzten des ausgehenden Mittelalters (Paracelsus, van Helmont u. a.) wurden diesem Prozeß noch andre Wunderwirkungen durch das Entstehen der natürlichen Mumie zugeschrieben, ja man hoffte mit Hilfe der F. in einer Phiole durch die sogen. spagyrische Kunst sogar einen kleinen lebenden Menschen (Homunkulus) zuwege zu bringen. Erst Franziskus Redi machte diesen Phantastereien ein Ende, indem er durch zahlreiche Versuche erwies, daß in fäulnisfähigen organischen Substanzen niemals Tiere entstehen, wenn man durch sorgfältigen Abschluß verhindert, daß Keime oder Eier von Tieren hinein gelangen können. Vgl. Hiller, Die Lehre von der F. (Berl. 1879).

Fäulniswidrige Mittel, s. v. w. Antiseptische Mittel.

Faulrübenwurzel, s. Bryonia.

Faulschimmel, s. Oidium.

Faultier (Bradypus L.), Säugetiergattung aus der Ordnung der Zahnlücker (Edentata) und der Familie der Faultiere (Bradypoda), gedrungen gebaute Tiere mit rundem, affenähnlichem Kopf, kleinem Mund, kleinen Augen und Ohren, verhältnismäßig langem Hals, kaum sichtbarem Schwanzstummel und drei gewaltigen Sichelkrallen an den Extremitäten, von denen die vordern bedeutend länger sind als die hintern. Das Gebiß besteht aus fünf cylindrischen Backenzähnen in jeder Reihe, Schneidezähne fehlen vollständig. Der Körper ist mit langen, dürren Haaren bedeckt, welche den Strich von der Bauchseite nach dem Rücken zu haben. Die Faultiere leben als unbehilfliche Baumtiere in den großen Urwäldern der feuchten Niederungen Südamerikas, höchstens zu einer Familie von wenigen Mitgliedern vereinigt. Sie sind äußerst träge, beharren stumpfsinnig in gleicher Stellung, den Leib nach unten gerichtet, in den dichtesten Baumkronen, an einem Ast hängend, klettern langsam, aber ziemlich geschickt, während sie auf der Erde sich nur schwerfällig fortbewegen. Sie leben von Blättern und Früchten, lecken den Tau und hungern unter Umständen sehr lange; ihre Sinne sind stumpf, und besonders das Auge ist blöde und ausdruckslos. Ihre geistigen Fähigkeiten sind gering, und die Mutter bekümmert sich kaum um das eine Junge, welches sie wirft. Bei der Verteidigung umklammern sie den Feind, pressen ihn mit großer Gewalt an sich und halten ihn tagelang fest. Sie sind gegen Verwundungen sehr unempfindlich und bekunden selbst gegen Pfeilgift große Lebenszähigkeit. Das Fleisch riecht und schmeckt unangenehm, wird aber von den Eingebornen und Negern gegessen. Das sehr zähe, dauerhafte, starke Fell wird gegerbt und dient zu Überzügen und Taschen. Das dreizehige F. (Ai, Bradypus pallidus Wagn. B. tridactylus Pr. W.), 48 cm lang, mit 4 cm langem Schwanz, ist blaßrötlich, aschgrau, am Bauch silbergrau, mit einem dunkeln und zwei weißen Längsstreifen auf dem Rücken und einer breiten, weißlichen Binde von den Augen zu den Schläfen; es bewohnt die Ostküste Brasiliens bis Rio de Janeiro; andre Arten leben im östlichen Brasilien und Peru, eine Art besonders im nordwestlichen Brasilien. Zur Gattung Choloepus Illig. mit zweizehigen Vorderfüßen u. ohne Schwanz, gehört der Unau (Ch. didactylus Illig., s. Tafel "Zahnlücker"), von graubrauner Farbe u. etwa 70 cm Länge, im nördlichen Südamerika wohnend. Über die vorweltlichen Riesenfaultiere s. Megatherium.

Faulweizen, s. Brandpilze II.

Faun, s. Faunus.

Fauna (neulat., nach dem Feld- und Waldgott Faunus), die Gesamtheit der in einem Land oder Gebiet einheimischen Tiere und das Verzeichnis derselben. Die Vogelfauna eines Gebiets wird auch wohl als Ornis bezeichnet. - Die F. eines Landes, Meeresteils etc. wird zwar in vieler Beziehung von den klimatischen Verhältnissen bestimmt, hängt jedoch in ebenso hohem Grad von der geologischen Vergangenheit desselben ab und wird auch stark von dem Zustand der Flora beeinflußt, so daß Änderungen der letztern stets Wechsel in der F. zur Folge haben. Bei faunistischen Beobachtungen muß auf diese drei Hauptfaktoren Rücksicht genommen werden, um die oft sehr eigentümlichen Einzelfälle zu erklären. Von großem Interesse ist die F. der Inseln, namentlich derjenigen, welche dem Festland nahe sind; hier lassen sich die Besonderheiten der heutigen F. meist nur durch Vergleichung mit derjenigen des benachbarten