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Fausse - Faust.
Fausse (franz., spr. fohss, weibliche Form zu faux), falsch; f. alarme, blinder Lärm; f. attaque, Scheinangriff; f. couche, Fehlgeburt (s. d.); f. fenêtre, blindes Fenster; f. gorge, falscher Busen; f. page (faux titre), Schmutztitel.
Faussebraie (franz., spr. fohssbräh), Niederwall, niedriger, verteidigungsfähiger Erdwall vor dem Hauptwall, eine Stufe desselben bildend. Sie wurde hauptsächlich bei den Niederländern hinter breiten Wassergraben angewendet und hat erst in neuester Zeit in dem zur Infanterieverteidigung dienenden Niederwall der detachierten Forts eine modernisierte Nachahmung gefunden. Vgl. Festung.
Faussiren (franz., spr. fo-), verbiegen, verdrehen; Faussüre, Schweifung einer Glocke.
Faust, Doktor Johann, berühmter Schwarzkünstler, dessen sagenhaft ausgeschmückte Geschichte, ein Produkt des Reformationszeitalters, in der Litteratur eine bedeutsame Rolle spielt. Die historische Person, welche den Namen F. trug, lebte in der ersten Hälfte des 16. Jahrh. und läßt sich in den Zeugnissen der Mitlebenden von 1507 bis etwa 1530 verfolgen. Er stammte aus Knittlingen (Kundlingen) in Schwaben, nach andern aus Roda im Altenburgischen und soll in Krakau Magie studiert haben. Nach einem Brief des Abtes Trithemius von Sponheim (20. Aug. 1507) befand er sich 1506 und 1507 zuerst in Gelnhausen, dann in Würzburg, zuletzt in Kreuznach, wo Franz von Sickingen mit ihm verkehrte; 1513 war er, wie der Kanonikus C. Mutianus Rufus in Gotha (3. Okt. 1513) mitteilt, in Erfurt; um 1530 taucht er in Wittenberg auf; 1539 berichtet Begardi ("Zeyger der Gesundheit") von ihm; zu Staufen im Breisgau soll er um 1540 in hohem Alter gestorben sein. Dieser historische F. war allen Mitteilungen zufolge ein gewaltiger Prahler, der sich den "Philosophen der Philosophen" und "zweiten Magus" nannte und abenteuernd als Arzt und Astrolog, als Zauberer und Alchimist umherzog. In Würzburg rühmte er sich z. B., daß er alle Wunder Christi vollbringen wolle, wann und so oft es verlangt werde; in Wittenberg: die Siege der kaiserlichen Heere in Italien (Schlacht bei Pavia 1525, Eroberung Roms 1527) habe er ihnen durch seine Zauberkunst verschafft etc. Bei dem großen Aufsehen, das er überall erregte, geschah es dann, daß man viele seiner Behauptungen als vollführte Thatsachen hinstellte, daß man außerdem seit alten Zeiten umlaufende Geschichten von Zauberkünsten, wie sie von Albertus Magnus, Simon Magus, Johannes Teutonicus, Paracelsus u. a. erzählt wurden, auf seine Person übertrug und ihm endlich auch neu erfundene, im Geiste der Zeit wurzelnde Züge andichtete. Da aber Zauberei nur mit Hilfe des Bösen möglich war, so ließ man ihn ein Bündnis mit dem Teufel schließen, der ihn in Gestalt eines Hundes begleitete und schließlich auf schreckliche Weise ums Leben brachte. Auch der Ort seines Todes, über den am ausführlichsten Joh. Manlius (gest. 1560) berichtet, wird teils nach Schwaben, teils nach Sachsen verlegt. So entstand das, was man die Faustsage nennt. Nach W. Scherer (dem wir in dieser Darstellung folgen) sind dabei drei Traditionen zu unterscheiden: eine oberrheinische, eine wittenbergische und eine Erfurter, von denen die beiden erstern F. mehr als einen gewöhnlichen Magier auffassen, während er in der letztern idealisiert, als Poet und Humanist erscheint. Mancherlei Züge, die ihm die Erfurter Überlieferung beilegt, heben dies klar hervor; so, wenn er sich anheischig macht, die verlornen Komödien des Plautus und Terenz wieder herbeizuschaffen; wenn er von einem Geist bedient sein will, der so geschwind ist wie der Menschen Gedanken; wenn er während einer Vorlesung über Homer die antiken Helden seinen Zuschauern persönlich vorführt, darunter den Polyphem, der nicht wieder zur Thür hinaus will und ihnen großen Schrecken einjagt; wenn er ein andermal im Nu durch die Luft von Prag hergeritten kommt, da sich sein dienender Geist in ein Pferd mit Flügeln, "wie der Poeten Pegasus", verwandelt hatte etc.: alles Zuge, welche auf den Ideenkreis des Humanismus hinführen.
Die erste litterarische Verwertung der Faustsage ist das 1587 zu Frankfurt a. M. erschienene Volksbuch "Historia von Dr. Johann Fausten, dem weitbeschreiten Zauberer und Schwarzkünstler etc.", herausgegeben von Johann Spies, der in der Vorrede mitteilt, daß ihm das Manuskript von einem Freund in Speier zugeschickt worden sei. Dieses älteste Faustbuch, von dem sich Exemplare in Wien, in H. Hirzels Bibliothek zu Leipzig, in Wernigerode, im Britischen Museum finden (neu hrsg. von Kühne, mit Einleitung und Anmerkungen, Zerbst 1868; von W. Braune, mit Bibliographie von Zarncke, Halle 1878; von Scherer, photographische Nachbildung, mit Einleitung, Berl. 1884), ist eine Zusammenstellung kunstlos erzählter Geschichten, nicht ohne mancherlei Widersprüche, Wiederholungen und Unterbrechungen des Zusammenhanges, und zerfällt in vier Abschnitte: 1) Geburt und Studia, 2) Abenteuer und Fragen, 3) Was er mit seiner Nigromantia gethan und getrieben, 4) Ende. Nach dieser Historia war F. der Sohn eines Bauern zu "Rod bei Weinmar", der zu Wittenberg erzogen wurde, Theologie studierte und den theologischen Doktorgrad erlangte, dann ein Weltmensch, Doctor Medicinä, Astrologus, Mathematikus wurde und sich im Spesserwald bei Wittenberg dem Teufel ergab, mit dessen Beistand er allerlei Wunder sah und verrichtete, bis er nach 24 Jahren im Dorf Rimlich bei Wittenberg nächtlicherweile vom Teufel von einer Wand zur andern geschleudert und mit zerbrochenen Gliedern tot auf dem Mist gefunden wurde. Das Buch schöpft im wesentlichen aus der oberrheinischen und wittenbergischen Tradition, enthält aber daneben einzelne selbständige Züge, die von einer höhern Auffassung des Helden Zeugnis ablegen und ihn mit einer gewissen Größe umkleiden, ohne doch mit der Erfurter Überlieferung übereinzustimmen. Nach diesen zerstreut vorkommenden Zügen erscheint F. als ein erster Umriß dessen, was uns seine Gestalt jetzt ist: als titanischer Philosoph und Forscher, der freilich der Welt als warnendes Beispiel vorgestellt wird. "Er nahm Adlersflügel an sich und wollte alle Gründ' am Himmel und Erden erforschen", heißt es. Schon auf der Schule der "Spekulierer" genannt, nahm er sich vor, die "Elementa zu spekulieren", und wurde ein "Weltmensch", d. h. er wandte sich von der Theologie ab zur weltlichen Gelehrsamkeit, zur Naturforschung, die nach dem Glauben der Zeit nicht von Gott stammt, sondern vom Teufel, und zum Teufel führt. Er begehrt nicht nur Zauberkünste ausführen zu können, er verlangt vom Teufel auch, daß er ihm auf alle seine Fragen antworten und nie etwas Unwahrhaftiges antworten soll, d. h. er hat den Trieb nach Wahrheit. Dabei wird gelegentlich die Ewigkeit der Welt behauptet und die Unsterblichkeit der Seele geleugnet. Sein Abfall von Gott wird mit der Vermessenheit der himmelstürmenden Giganten und dem Hochmut Luzifers verglichen, und selbst sein "epikureisches Leben" erhält eine Art von Größe