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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Feste

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Feste (der evangelischen Kirche).

lich durch die Verlegung eines Festtags auf den nächstliegenden Sonntag oft eintritt, oder dem Andenken von zwei Personen dediziert sind, wie die Tage Philippi und Jakobi, Simonis und Judä, Petri und Pauli. In der katholischen Kirchensprache heißen besonders diejenigen Tage Festa duplicia, bei welchen die beim Hochamt üblichen Gesänge (Responsorien und Antiphonien) verdoppelt von zwei Kantoren wiederholt abgesungen werden, zum Unterschied von den Festen, bei welchen nur teilweise oder gar keine Wiederholungen stattfinden, und die deshalb Festa semiduplicia oder simplicia genannt werden. Eine nicht unwichtige Einteilung der F. ist endlich noch die in Festa chori et fori, F., die dem Volk bloß angezeigt und nur von der Geistlichkeit begangen, und F., die allgemein gefeiert wurden, oder in Feriae mere ecclesiasticae, F. mit rein kirchlichem Charakter, und Feriae publicae, weltliche F. ohne eigentlich kirchlichen Charakter. Die Art und Weise, wie die F. in Deutschland gefeiert wurden, war natürlich nach der Bedeutung des Festes selbst, nach der Volksart der Festfeiernden und nach der Denk- und Empfindungsweise der Zeit verschieden. Zahlreiche Überbleibsel altgermanischer Gebräuche waren, wie schon erwähnt wurde, in die christliche Festfeier einbezogen worden und hatten ihren Platz zum Teil im Gottesdienst selbst, vorwiegend aber im weltlichen Teil des Festes, in Prozessionen, Schmausereien (mit besondern Speisen und Gebäckarten), in Gesängen und Tänzen, in der Festkleidung, in Aufführungen und Spielen, in Grüßen und Redensarten etc., gefunden. Die Blütezeit für die farbig-weltliche Feier der F. war jedenfalls der Ausgang des Mittelalters, das 14. und 15. Jahrh. Die ernste Würde der höfischen Zucht der Vorzeit, die ohne Zweifel auch in die Kirche hinein gewirkt hatte, war gebrochen, und die sinnlichen Genüssen sehr ergebene Gesinnung der Stadtbewohner wie des Landvolkes gab den Festen ein buntes und lautes Gepräge, dessen weltlicher Geist dazu beitrug, eine Reformierung auch dieser Zustände wünschen zu lassen. Nachdem schon lange die übergroße Zahl der Feiertage wegen der für das bürgerliche Leben daraus hervorgehenden Nachteile zu Klagen Anlaß gegeben, bewirkte endlich infolge der Beschwerden der deutschen Nation auf dem Reichstag zu Nürnberg (1522) der Kardinal Lorenzo Campeggi (1524) einige Minderung der Festtage. Einzelne Bistümer nahmen allmählich noch weitere Reduktionen vor, Urban VIII. (1642) sodann für die ganze katholische Kirche, Benedikt XIV. (1742 ff.) und noch mehr Clemens XIV. (1773) für einzelne Diözesen. Verhandlungen einzelner Regierungen, besonders deutscher, mit der Kurie führten noch günstigere Resultate herbei.

Die evangelische Kirche behielt anfangs, mit Ausnahme der dem Prinzip des Protestantismus widersprechenden, die meisten der bisher üblichen Festtage bei, und zwar ging die lutherische Partei mit Abschaffung des Altherkömmlichen weit langsamer zu Werke als die reformierte, deren Stifter eigentlich nur den Sonntag und für die Hauptfeste einen Frühgottesdienst beibehalten wissen wollten. In Brandenburg suchte schon eine Verordnung vom 30. Mai 1598 die Zahl der Marien-, Apostel- und Heiligenfeste zu mindern; doch wurde sie erst 1608 teilweise und dann 1696 noch weiter in Vollzug gesetzt. Weitere Einschränkungen erfolgten durch die Verordnungen vom 28. Jan. 1752 und vom 12. März 1754, wonach in den beiden in Preußen anerkannten evangelischen Landeskirchen nur noch die drei großen F., Weihnachten, Ostern und Pfingsten, jedes mit dreitägiger Feier, dann die vierteljährlichen Bußtage, der Gründonnerstag, Karfreitag, Himmelfahrt und Neujahr fortbestehen sollten. Am 28. Jan. 1773 verfügte Friedrich II. auch noch die Abschaffung der dritten Feiertage bei den großen Festen, dreier Bußtage, des Gründonnerstags und des Himmelfahrtsfestes; das letztere stellte indes Friedrich Wilhelm II. 4. März 1789 wieder her. Gleiche Beschränkungen der Festzeiten traten seit der Mitte des 18. Jahrh. in andern deutschen Territorien ein. Namentlich wurden die kleinen F., insbesondere die Apostel- und Marienfeste, falls sie in die Woche fallen, auf den nächstliegenden Sonntag verlegt. Nur Epiphania (6. Jan.) blieb in vielen lutherischen Ländern unverändert. Als neue F. entstanden das Reformationsfest (s. d.), das schon erwähnte Totengedächtnisfest und F. kasueller Art, wie Bibelfeste, Missionsfeste, Gustav-Adolf-Vereinsfeste sowie in Preußen das Krönungsfest (18. Jan.) und einige durch die Freiheitskriege veranlaßte deutsch-vaterländische F., wie das Fest der Leipziger Schlacht (18. Okt.), deren kirchliche Feier indes im Lauf der Zeit entweder wieder einging, oder auf die nächsten Sonntage verlegt ward. Dafür wird seit 1873 der Jahrestag der Schlacht von Sedan (2. Sept.) als Nationalfest zum Gedächtnis der glorreichen Beendigung des Kriegs mit Frankreich 1870/71 gefeiert.

Das Recht, Bestimmungen über die Festtage zu erlassen, gehört zur Kirchengewalt und wird in der katholischen Kirche entweder vom Papst, wenn nämlich das zu feiernde Fest die ganze Kirche berührt, oder von dem Diözesanbischof, wenn es sich nur auf ein bestimmtes Bistum bezieht, in der evangelischen Kirche in beiden Fällen vom Landesherrn geübt. Soll ein Fest zugleich auf das bürgerliche Leben influieren, z. B. insofern zu dessen Begehung öffentliche Ruhe notwendig erscheint, so muß die Genehmigung von der Staatsbehörde eingeholt werden. Wenn die Aufhebung eines Festes einseitig vom Staat ausgeht, so wird zwar die Gewissensfreiheit gewahrt werden, aber ein jeder, der aus irgend einem Grund zu Leistungen verpflichtet ist, die aus der Verweigerung derselben für ihn entspringenden Nachteile tragen müssen. Andre Konfessionsverwandte dürfen zwar zur Mitfeier irgend eines von den Kirchenobern angeordneten Festes nicht gezwungen, wohl aber zur Aussetzung jeder irgendwie Anstoß erregenden Arbeit angehalten werden. Während in der apostolischen Zeit die streng gesetzliche Sabbatsfeier aufgegeben wurde, ward die jüdische Strenge auch in der katholischen Kirche durch eine dem Geiste des Evangeliums entsprechende Gesetzgebung gemildert. Allgemein wurde darauf gedrungen, daß der gewöhnliche weltliche Verkehr, insbesondere die Rechtspflege, an den Festen ruhe, öffentliche störende Arbeiten unterbleiben, Herren- und Zwangsdienste nicht gefordert werden sollten. Die evangelische Kirche will die F. als eine der guten Zucht wegen gemachte menschliche Einrichtung betrachtet wissen und erklärt die Feier derselben nicht, wie die katholische, für ein besondere Gnade bei Gott erwirkendes Mittel. In der alten Kirche begannen die Festtage mit der Vesper des vorhergehenden Tags, seit dem 12. Jahrh. befolgte man indes die astronomische Berechnung von Mitternacht zu Mitternacht. Spuren des alten Festgebrauchs sind noch das Einläuten der Festtage am vorhergehenden Abend, die Feier der Vigilien, der Anfang der Fasten u. dgl. Über die christlichen Feiertage im allgemeinen vgl. Augusti, Die F. der alten Christen (Leipz. 1817-20, 3 Bde.); Nickel, Die heiligen Zeiten und