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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Feste

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Feste (christliche).

25. Dez. (Weihnacht) begann und sich über zwölf Tage erstreckte (s. Zwölften). Es war das Fest des wieder aufsteigenden Lichts, das die Wiederkehr des Frühlings verbürgte, eine heilige Zeit der Ruhe und des Friedens (s. Julfest). Ähnlicher Natur waren das Fest der Frühlingsnachtgleiche (der Göttin Ostara geweiht), das dem Donar geweihte Fest am 1. Mai (Walpurgis, einer der heiligsten Tage des deutschen Heidentums), die Sommersonnenwende (ein wahrscheinlich dem Frô gewidmetes Opferfest) und die Herbstfeier. Die F. der alten Deutschen waren zu tief in ihren Gebräuchen und Anschauungen begründet, als daß es dem eindringenden Christentum hätte gelingen können, sie gänzlich auszurotten und statt ihrer die christlich-kirchlichen F. einzuführen. Mit kluger Berechnung suchte sich daher der christliche Festkultus den heidnischen Anschauungen und den Sitten der hergebrachten F. anzuschmiegen, so daß nicht nur christliche F. unmittelbar auf altheidnische verlegt wurden (wie z. B. Weihnachten auf das Julfest), sondern auch altherkömmliche Gebräuche sich als Bestandteile der kirchlichen F. in großer Zahl erhielten.

Die christlichen Feste.

Was die F. der Christen anlangt, so macht sich der geschichtliche Zusammenhang des Christentums mit dem Judentum auch darin geltend, daß zwei jüdische F. in die christliche Kirche übergingen. Der alttestamentliche strenge Gegensatz der festlichen und nichtfestlichen Tage mußte im Neuen Bund aufhören; im Geiste des Paulus (Röm. 14, 5; Gal. 4, 10; Kol. 2, 16) und der Väter der alten Kirche sollte jeder Tag ein gottgeweihter sein und in diesem Sinn begangen werden, es sei mit der sonst üblichen Berufsthätigkeit oder ohne dieselbe. Indem man daher die siebentägige Woche beibehielt, ging auch die altrömische Bezeichnung der Festtage (feriae) nunmehr auf die einzelnen Wochentage über (z. B. feria secunda = Montag). Als ersten dieser Wochentage betrachtet man aber den Sonntag (s. d.), während nur judenchristliche Gemeinden daneben auch die Feier des Sabbats beibehielten. Ebenso trat an die Stelle des jüdischen Passahfestes durch Substituierung des Opfers Christi für das alttestamentliche Opferlamm das Osterfest, das anderseits auch an die altgermanische Frühlingsnachtgleiche anknüpft (s. Ostern), und an die Stelle des jüdischen Wochenfestes (s. oben) trat Pfingsten (s. d.) als das Gedächtnisfest der Stiftung der christlichen Kirche durch Ausgießung des Heiligen Geistes. Dagegen war, wie schon erwähnt, das dritte christliche Hauptfest, das Weihnachtsfest (das nicht vor 360 erwähnt wird), bestimmt, das altgermanische Fest der Wintersonnenwende zu ersetzen (s. Weihnachten). Indem sich an diese drei Hauptfeste andre Festtage und Festzeiten anschlossen, entstanden die drei großen, das Semestre domini bildenden Festcyklen. Der erste umfaßt die Adventszeit, die Weihnachtsfeier selbst mit den sich an sie anschließenden Gedächtnistagen des Märtyrers Stephanus, des Evangelisten Johannes und der unschuldigen Kindlein, sodann das Fest der Beschneidung Jesu am achten Tag nach der Feier der Geburt und sechs Tage darauf das Fest der Erscheinung Christi (Epiphaniasfest), nach welchem bis zur Grenze des Ostercyklus die Sonntage gezählt werden (s. Epiphania). Der Ostercyklus umfaßt die Sonntage Septuagesimä, Sexagesimä, Quinquagesimä oder Esto mihi, welche die sogen. große Fastenzeit abschließen, sodann die der eigentlichen, dem Gedächtnis an Christi Leiden gewidmeten Fasten- oder Passionszeit angehörenden Fastensonntage (Quadragesima prima bis sexta, nach den Anfängen der an ihnen sonst üblichen lateinischen Gebete genannt, Invokavit, Reminiscere, Okuli, Lätare und Judika; ferner die mit dem Sonntag Palmarum beginnende Karwoche (hebdomas magna), in welcher der Gründonnerstag (dies viridium, coena domini) und der Karfreitag (pascha staurosimon, Kreuzespassah) hervortreten; dann das Osterfest (pascha anastasimon), die ihm folgenden Sonntage: Quasimodogeniti oder sogen. weiße Sonntag (dominica in albis), Misericordia Domini, Jubilate, Kantate, Rogate, und das Himmelfahrtsfest. Bis zum 4. Jahrh. galt die ganze Zeit zwischen Ostern und Pfingsten als eine festliche (quinquagesima laetitiae). Zu dem Pfingstfestkreis rechnet man die zehn Tage von Himmelfahrt an mit dem in sie fallenden Sonntag Exaudi und das Pfingstfest selbst. Das Fest der Dreifaltigkeit (trinitatis) schließt den eigentlichen solennen Festcyklus überhaupt; die römische Kirche aber feiert am Donnerstag darauf noch das Fronleichnamsfest (festum corporis Christi). Über die folgenden Sonntage s. Post Trinitatis.

Teilweise in diese Festcyklen hinein, teilweise in die festlose Zeit fällt noch eine große Zahl vereinzelter Festtage. Die bedeutendern derselben sind: die Marientage (s. d.); die Johannistage (Empfängnis 24. Sept., Geburt 24. Juni, Enthauptung 29. Aug., von denen die griechische Kirche den letzten als Hauptfesttag feiert); die Apostelfeste (s. d.); das Fest des Erzengels Michael 29. Sept., griechisch 9. Nov.; ferner die nur der katholischen und griechischen Kirche angehörenden Kreuzesfeste (Kreuzerfindung und Kreuzerhöhung; dazu kommt noch bei den Griechen die Kreuzholzentstehung 1. Aug.); die Märtyrertage (der Makkabäer 1. Aug., des Stephanus 26., griechisch 27., Dez., der unschuldigen Kinder 28., griechisch 29., Dez.); das Fest aller Heiligen 1. Nov., griechisch am Sonntag nach Pfingsten, und das Fest aller Seelen 2. Nov., welches die evangelische Kirche unter dem Namen Totenfest am letzten Sonntag des Kirchenjahrs (s. d.), die griechische als Andenken der Verstorbenen an drei Sonnabenden des Jahrs feiert. An verschiedenen Orten zu verschiedenen Zeiten begangen wird die Kirchweihe (s. d.).

Die F. selbst werden eingeteilt in wöchentliche (hebdomadarii), z. B. die Sonntage, und alljährliche (anniversarii); letztere wieder in Rücksicht auf ihre Bedeutung in große oder hohe (majores), z. B. Ostern, Pfingsten, Weihnachten, und kleine (minores); in Rücksicht auf ihre Wiederkehr in bewegliche (mobiles, feriae conceptivae), welche alljährlich zwar an bestimmten Wochen-, aber nicht an bestimmten Monatstagen begangen werden, also Ostern und die F., die sich nach Ostern richten, und unbewegliche (immobiles, feriae stativae), welche alljährlich auf dieselben Monatstage fallen, z. B. Weihnachten, die Marien- und Heiligentage; ferner in Rücksicht auf ihre Dauer in ganze (integri), die mit ordentlichem Vor- und Nachmittagsgottesdienst, und halbe (intercisi), die nur mit einem Gottesdienst begangen werden, z. B. die Aposteltage und der Gründonnerstag. Außerdem ist noch zu erwähnen die Einteilung der F. in ordentliche (feriae statutae), die nach der allgemeinen Vorschrift jährlich zu bestimmter Zeit wiederkehren, und in außerordentliche (f. indictae), die durch besondere Umstände veranlaßt und besonders angesagt werden. Doppelte F. (duplicia, im Gegensatz zu den einfachen) sind diejenigen, welche auf zwei religiösen Thatsachen beruhen, was nament-^[folgende Seite]